Polizeioberkommissar Yannick Dressel (li), Polizeihauptmeisterin Julia Laun (2. v. li), Rettungskräfte Sebastian Witt (re) und Ingo Petersen (2. v. re)
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Einsatzkräfte von Polizei, Rettungsdiensten und Feuerwehr sind immer häufiger Gewalt ausgesetzt.

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Gewalt gegen Einsatzkräfte: Beschimpft, bespuckt und angegriffen

Gewalt gegen Einsatzkräfte: Beschimpft, bespuckt und angegriffen

Einsatzkräfte von Polizei, Rettungsdiensten und Feuerwehr sind immer häufiger Gewalt ausgesetzt. "Kontrovers – Die Story" hat Einsätze in München begleitet, bei denen Patienten und Passanten Grenzen überschreiten.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Sonntag, 22:03 Uhr. Scheidplatz in München. Sebastian Witt und Ingo Petersen sind auf dem Weg zu ihrem Einsatz. Die beiden Notfallsanitäter wurden an den U-Bahnhof gerufen, um einem 19-jährigen, bewusstlosen Mann Hilfe zu leisten, der seit Stunden am Bahnsteig sitzt.

Schnell ist klar: Der Mann ist nicht nur stark alkoholisiert, sondern steht auch unter Drogen. Die Sanitäter vermuten eine Überdosis, leisten sofort medizinisch Hilfe – gleichzeitig versuchen sie ihr Umfeld im Blick zu behalten. Denn Leben retten zwischen einfahrenden U-Bahnen und gestressten Fahrgästen, das kann zu brenzligen Situationen für die Sanitäter führen.

Deutliche Zunahme von Gewalttaten

Sebastian Witt erklärt: "Manchen Leuten geht es nicht schnell genug. Oder sie erkennen nicht, dass die Situation gerade lebensbedrohlich ist." Sondern sie wollten nur den nächsten Zug erreichen. Immer öfter gibt es in solchen Situationen Beleidigungen, Helfer werden bespuckt oder behindert.

Und es gibt sogar gewaltsame Angriffe: Gewalttaten gegen Notfallsanitäter haben in den vergangenen sechs Jahren deutlich zugenommen. Im Jahr 2018 gab es bundesweit 2.018 tätliche Übergriffe. Im vergangenen Jahr waren es 2.737.

Im Video: "Kontrovers - Die Story" – Gewalt gegen Einsatzkräfte: Beschimpft, bespuckt und angegriffen

"Mit Faustschlägen angegangen"

An einem anderen Abend begleitet das Team von Kontrovers – Die Story zwei Polizisten bei ihrem Einsatz im Münchner Bahnhofsviertel. Hier kommt es für Polizeioberkommissar Yannick Dressel und Polizeihauptmeisterin Julia Laun immer wieder zu kritischen Situationen. "Wenn Leute zum Beispiel angezeigt werden, dann kommt es oft vor, dass sich Freunde oder Unbeteiligte mit der Person solidarisieren und sich gegen uns verbünden."

Dressel erklärt, dass es sich bei der Gewalt, der er und seine Kolleginnen und Kollegen ausgesetzt ist, meist um verbale Angriffe wie Beleidigungen handelt. Sie zögen sich aber auch immer wieder Schürfwunden an Ellbogen und Knien zu – als Folge von Kämpfen auf dem harten Boden. "Ich kann mich da auch an den ersten tätlichen Angriff in München erinnern. Da war das auch so, dass ich mit Faustschlägen angegangen wurde und mir absichtlich ins Gesicht gespuckt wurde. Das passiert Gott sei Dank nicht so oft." Besonders problematisch ist es aber, wenn die Beamten mit Blut bespuckt oder gebissen werden. Hier drohen Infektionen mit ansteckenden Krankheiten.

Die Zahl der Angriffe auf bayerische Polizisten ist ebenfalls deutlich gestiegen. 2014 gab es 6.713 gemeldete Fälle, 2023 waren es 7.913. Das sind etwa 20 Attacken auf Polizisten pro Tag. Die Pressestelle des Polizeipräsidiums München geht außerdem von einer hohen Dunkelziffer aus, viele leichtere Angriffe würden nicht mal mehr angezeigt.

Feuerwehrmann monatelang dienstuntauglich

Auch bei der Berufsfeuerwehr in München berichten die Einsatzkräfte von Übergriffen: Beschuss mit Silvester-Raketen, Behinderungen beim Öffnen von Wohnungstüren oder Beschimpfungen wegen Lärmbelästigung.

Joachim Heindle ist Zugführer bei der Berufsfeuerwehr in München und zuständig für die psychologische Betreuung der Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen nach einem Einsatz. Ein Fall ist hier besonders in Erinnerung geblieben: "Ein Kollege hatte auf der Heimfahrt zur Wache eine hilflose Person auf der Straße gesehen. Er ist ausgestiegen, wollte helfen und die hilflose Person hat ihm dann eine schwere Flasche über den Schädel gezogen. Unser Kollege wurde so schwer verletzt, dass er einige Monate nicht mehr diensttauglich war."

Solche schweren Verletzungen sind bei den bayerischen Feuerwehren aber die Ausnahme. Bei der Münchner Berufsfeuerwehr sei die Situation noch akzeptabel im Vergleich zur Situation in Berlin oder Nordrhein-Westfalen.

Einsatzkräfte fordern harte Konsequenzen

Anders sieht es für die Polizisten und Rettungssanitäter im Freistaat aus. Notfallsanitäter Sebastian Witt wurde zum Beispiel schon einmal von einer Patientin mit dem Baseballschläger bedroht. Immer wieder rasten Fahrzeughalter aus, weil ihr Auto vom Rettungswagen im Einsatz zugeparkt wird. Ein Taxifahrer wurde gar gewalttätig, weil die Sanitäter während eines Einsatzes den Taxistand blockiert hatten: "Dann hat er mit der Faust den Spiegel eingeschlagen. Der Spiegel ging dabei zu Bruch."

Der Drogenkonsument vom Münchner U-Bahnhof Scheidplatz wird später von Notarzt Dr. Alem Delalić untersucht. Der junge Patient beschimpft die Retter auf russisch. Das Drei-Mann-Team bleibt ruhig, lässt sich nicht aus der Fassung bringen. Grundsätzlich bestehe aber dringend Handlungsbedarf: "Insbesondere bei den weiblichen Kolleginnen ist es besonders schlimm. Der Frauenanteil nimmt zum Glück auch im Rettungsdienst zu und da hört man doch schon des Öfteren, dass auch gegrapscht wird. Und das hat dann auch keine Konsequenzen."

Delalić sagt: Unmittelbare und harte Konsequenzen, das sei das Einzige, was helfe. Eine Forderung des Notarztes mit der er nicht allein ist. Die Politik will reagieren und die Strafen für Körperverletzung von Rettern und Einsatzkräften deutlich erhöhen.

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