Vor 13 Monaten schaffte es das bayerische Krippengeld noch in den Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern (FW): Vereinbart werde, mit dem Krippengeld auch weiterhin Eltern zu entlasten, "die sich für Betreuungsangebote entscheiden". Das Familiengeld werde fortgeführt, die Kinderbetreuung "kräftig" ausgebaut. In einer Regierungserklärung betonte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Dezember 2023: Der Freistaat setze die "Familiengarantie aus Familiengeld, aus Krippengeld und Beitragszuschuss während der gesamten Kindergartenzeit auf gleichem Niveau fort".
Familien- und Krippengeld werden zu "Startbetrag"
Am Dienstag kündigte Söder an, dass der Gesamtbetrag für Familien zwar bleibe, aber neu verteilt werde: "50 Prozent der Summe wird direkt ausgezahlt, und 50 Prozent werden verwendet, um das System zu stärken und auszubauen." Das Familien- und das Krippengeld würden zu einem "Startbetrag" von 3.000 Euro zusammengefasst.
Aus Sicht von SPD-Sozialexpertin Doris Rauscher eine beschönigende Darstellung: Sie spricht von einem "massiven Einstieg in echte Kürzungen". Das Familiengeld werde halbiert, das Krippengeld "komplett gestrichen".
Kürzung um bis zu 65 Prozent
Bisher erhalten Familien im zweiten und dritten Lebensjahr ihres Kindes insgesamt 6.000 Euro Familiengeld. Zusätzlich gibt es das einkommensabhängige Krippengeld in Höhe von bis zu 2.400 Euro in zwei Jahren. Wer Anspruch auf diese Leistung hatte, bekommt künftig also 3.000 statt bis zu 8.400 Euro – das wäre eine Kürzung um bis zu zwei Drittel.
"Besonders belastet werden die Familien, die auch bisher schon schauen mussten, wie sie um die Runden kommen", sagt Rauscher dem BR. "Das ist absolut unsozial. Das ist eine riesige sozialpolitische Sauerei." Wie Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) dies abnicken könne, sei ihr "völlig unverständlich".
Scharf: "Wichtige Richtungsentscheidung"
Scharf spricht von einer "wichtigen Richtungsentscheidung für die Familien". Die freiwilligen Leistungen für Familien würden weiterentwickelt. "Wir geben mehr Geld ins System der Kinderbetreuung."
CSU-Sozialexperte Thomas Huber versichert, Bayern bleibe "Familienland Nummer eins". Mit den frei werdenden Mitteln investiere der Freistaat in ein zukunftsfähiges Kita-System. "Insbesondere stärken wir durch diese Maßnahme auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie."
Grüne kritisieren Söders Prioritäten
Die Grünen fordern schon lange, mehr in Ausbau und Qualität der Kinderbetreuung zu investieren, statt nach dem Gießkannenprinzip Geld zu verteilen. Grünen-Sozialexpertin Kerstin Celina ärgert sich aber über die Art und Weise: "Jetzt, mitten in der Krise, nehmen CSU und FW den Familien das Geld weg, und zwar wieder einmal, ohne auf den individuellen finanziellen Bedarf zu schauen", beklagt sie. "Viele, die es nicht brauchen, bekommen immer noch Geld geschenkt, und andere, die nicht wissen, wie sie als junge Familie die in vielen bayerischen Städten extrem gestiegenen Mietpreise bezahlen sollen, schauen in die Röhre."
Die Familien müssten dafür bezahlen, dass Söder "zum Mond fliegen will, die Stammstrecke baut, und an der dritten Startbahn in München festhalten will". Dafür sei Geld da, bei den Familien werde gekürzt.
Landespflegegeld wird halbiert
Auch Bayerns Pflegegeld wird reduziert: von 1.000 auf 500 Euro jährlich. "Mit dem Beschluss des Ministerrats zum Landespflegegeld können wir neuen Herausforderungen gezielt begegnen, ohne den Haushalt zu überfordern", sagte Gesundheitsminister Judith Gerlach (CSU). "Denn es wird mehr Unterstützung für die Infrastruktur möglich sein." Die ambulante Pflege werde gestärkt, die Förderung der Kurzzeit-, Tages- und Nachtpflege ausgebaut. CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek betont: Bayern spare nicht an der Pflege, sondern passe die Verteilung der Mittel an.
FW-Chef und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger sagte nach den Haushaltsberatungen: Bayern müsse sparen, wo immer möglich – eventuell auch bei freiwilligen sozialen Leistungen, die der Freistaat in guten Zeiten den Bürgern gegönnt habe.
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner wirft dem Ministerpräsidenten vor, mit den Kürzungen bei Familien- und Pflegegeld, sein "wahres, völlig unsoziales Gesicht" zu zeigen. Für ihren Fraktionskollegen Roland Magerl ist die "Neuverteilung" des Familien-, Krippen- und Pflegegelds "nichts anderes als eine radikale Kürzung".
DGB: Harter Schlag
Von einem "harten Schlag" für Familien und Pflegebedürftige spricht Bayerns DGB-Chef Bernhard Stiedl: "Ja, strukturelle Verbesserungen in der Betreuung und der Pflege sind wichtig, aber sie dürfen nicht auf dem Rücken der Menschen finanziert werden, die bereits jetzt auf jede Unterstützung angewiesen sind."
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