Im Herbst 2022 wurde das Passauer Glockenspiel abgeschaltet, um Energie zu sparen. Dass es noch nicht wieder angeschaltet wurde, sorgt für Ärger.
Bildrechte: BR/Martin Gruber

Im Herbst 2022 wurde das Passauer Glockenspiel abgeschaltet, um Energie zu sparen. Dass es noch nicht wieder angeschaltet wurde, sorgt für Ärger.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Glockenspiel verstummt - Passauer Stadträte verstimmt

Eigentlich eine schöne Sache, so ein Glockenspiel. In Passau derzeit eher ein Ärgernis. Im Zuge der Energiekrise wurde es aus-, seitdem aber nicht wieder eingeschaltet. Einige Stadträte sind deswegen sauer. Ergänzt durch "Dein Argument".

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Gut 30 Jahre ist es her, dass im Passauer Rathausturm ein Glockenspiel eingebaut wurde. Mehrmals täglich sorgte es dafür, dass Touristen innehielten und den von 23 Bronzeglocken gespielten Melodien lauschten. Im Herbst 2022 wurde das Glockenspiel abgeschaltet, um Energie zu sparen.

💬 Mitdiskutieren lohnt sich: Die folgende Passage hat die Redaktion im Rahmen des BR24 Projekts "Dein Argument" ergänzt. Hintergrund sind Kommentare unter anderem der User "kolau","oberfoerster" und "greenfield" zu der Frage, wie viel Energie das Passauer Glockenspiel bis zu seinem Abstellen verbraucht hat.

Wie viel Energie das wohl größte Glockenspiel Bayerns zuvor genau verbraucht hat, lässt sich auf Nachfrage von BR24 im Passauer Rathaus schwer sagen. Der Energieverbrauch sei "im Einzelnen sicherlich verschmerzbar gewesen", heißt es. Allerdings sei die Maßnahme zum Zeitpunkt der Energiekrise als eine von mehreren gesehen worden, um im Gesamtpaket eine stattliche Verringerung des Stromverbrauchs zu erreichen. Gemeinsam mit anderen Energiesparmaßnahmen seien seitdem rund 60.000 Kilowattstunden (kWh) Strom eingespart worden, das ist in etwa der durchschnittliche Stromverbrauch von 25 Zwei-Personen-Haushalten pro Jahr. 💬

Dass das Glockenspiel seitdem nicht wieder reaktiviert wurde, sorgt in Passau dennoch für Ärger.

Glockenspiel durch Spenden möglich geworden

Der fraktionslose Stadtrat Matthias Weigl will die Angelegenheit mit einem Antrag in den Stadtrat bringen: "Das Engagement einiger Passauer Bürger hat das Glockenspiel damals erst möglich gemacht. Es ist sicher nicht im Sinne der Stifter, dass es ausgeschaltet bleibt."

Tatsächlich ermöglichte Anfang der 1990-er Jahre eine große Spendenaktion, dass das etwa 140.000 Mark teure Glockenspiel im Turm montiert wurde und 88 verschiedene einprogrammierte Melodien abspielen konnte. Etwa die Hälfte der Kosten steuerten Passauer Bürger und Bürgerinnen bei.

ÖDP-Stadtrat Mangold: "Basta-Politik der Stadtspitze"

Dass das Glockenspiel seit so langer Zeit nicht mehr erklingt, sorgt parteiübergreifend für Kritik. Urban Mangold (ÖDP) kann nicht verstehen, dass es die Stadtverwaltung "einfach so" verstummen und sogar die Infotafel abmontieren ließ. "Wieder ein Beispiel für die Basta-Politik der Stadtspitze", schimpft Mangold. Auch CSU-Stadtrat Georg Steiner ist entsetzt. Er sieht Spätfolgen der Coronazeit: "Einfach alles einzustellen, abzuschalten, auszubauen, wegzuräumen – das ist nicht in Ordnung."

Bildrechte: BR/Martin Gruber
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Das umstrittene Glockenspiel

Beeinträchtigung – oder einfach nur nervig?

Die Stadtverwaltung gibt dazu kein Interview. Dafür eine schriftliche Stellungnahme. Das Glockenspiel sei bei Personen, die im näheren Umgriff des Rathauses arbeiten, durchaus umstritten. Von einer Beeinträchtigung insbesondere bei Telefonaten und Besprechungen ist die Rede. Auch Anwohner "zeigten sich nicht unerfreut über das Ausbleiben des Glockenspiels."

Es liegt aber auch die Vermutung nahe, dass das Geläute aus dem Rathausturm etliche Personen einfach nur nervt. Hinter vorgehaltener Hand ist öfter zu hören, dass sich einige Mitarbeitende im Rathaus von den etwas schräg klingenden Melodien gestört fühlten und das Glockenspiel deshalb verstummen musste. Die Stadt äußert sich nicht dazu, schreibt aber: "Das Glockenspiel wird regelmäßig gewartet. Ein Stimmen der Glocken ist nicht möglich. So wie es klingt, ist es im Sinne der damaligen Ideengeber und Entscheidungsträger." Eine nicht repräsentative Umfrage bei Passanten, denen eine Aufnahme des Glockenspiels vorgespielt wurde, ergab ein gemischtes Ergebnis. Von "klingt schon schräg" bis "wunderbar" war alles dabei.

Lösung in Sicht

Stadtrat Weigls Antrag auf Wiederinbetriebnahme soll in einer der nächsten Kulturausschusssitzungen Thema sein. Schon im Vorfeld zeichnet sich eine Lösung ab. Laut Pressemitteilung der Stadtverwaltung wird derzeit hausintern abgeklärt, "wie eine Aktivierung des Glockenspiels aussehen könnte, die eine möglichst geringe Beeinträchtigung mit sich bringt." Ein tägliches zweimaliges Läuten mittags und am späteren Nachmittag könne man sich vorstellen. Zur Einordnung: Bis 2015 erklang das Passauer Glockenspiel viermal täglich, danach bis zu seinem Abschalten immerhin noch dreimal am Tag.

Dazu Matthias Weigl: "Wenn's wieder klingt, freuen wir uns. Trotzdem bleibt die Frage, wer eigentlich in dieser Stadt was entscheidet."

Immer wieder kommt es vor, dass sich "Zugezogene" über zu lauten Glockenklang - sei es von Kuh- oder Kirchenglocken -  aufregen und vor Gericht ziehen. In Passau ist die Lage eine ganz andere: Da laufen die Bürger Sturm, weil die Glocken nicht mehr läuten.
Bildrechte: BR
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

In Passau laufen die Bürger Sturm, weil die Glocken nicht mehr läuten.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!