Ein Fernreisebus aus Prag rollt in die Kontrollstelle an der A6 bei Waidhaus. Er ist voll besetzt, unter anderem mit 27 müden oder schlafenden Fußball-Fans aus der Ukraine und der Slowakei. Sie wollen das EM-Spiel in München sehen. Die beiden Bundespolizisten Philipp und Max kontrollieren Ausweise und achten auf Anzeichen für Hooligans oder auch politisch motivierte Gewalttäter: Waffen, Pyrotechnik und Drogen.
Polizisten nutzen Datei mit auffälligen Fußball-Fans
Wer rund um Sportereignisse in Deutschland schon einmal durch Gewalt aufgefallen ist, wird in der sogenannten "Datei Gewalttäter Sport" registriert, die dann auch bei den Bundespolizisten Philipp und Max bei einer Kontrolle auf dem Handy Alarm schlägt. Ersterer teilt die Fußball-Fans mithilfe der Fahndungsraster in verschiedene Kategorien ein und gibt diese Infos dann an die Dienststelle und damit auch an die Kollegen an den jeweiligen Spielorten in ganz Deutschland weiter. "Die Sicherheit an den Spielorten beginnt hier an der Grenze", sagt Bundespolizeisprecher Tobias Pfeiffer.
So konnten an einer Kontrollstelle im oberbayerischen Freilassing einen Tag nach dem Eröffnungsspiel vom 14. Juni bereits drei gewaltbereite Fans aus Slowenien zurückgewiesen werden. Sie hatten Pyrotechnik und Vermummungen dabei. Beim Bus mit den slowakischen und ukrainischen Fans kommen die Bundespolizisten zu der Einschätzung, dass die Fans harmlos sind und keine Gefahr von ihnen ausgeht.
Grenzkontrollen während der Fußball-Europa-Meisterschaft in Deutschland. Weit über das Sportereignis hinaus sollen die Kontrollen fortgeführt werden. Die Sicherheit an den Spielorten beginne an der Grenze, sagt die Bundespolizei. BR-Reporter haben Bundespolizisten in ihrer Nachtschicht begleitet. Zu sehen im folgenden Video.
Grenzkontrollen auch weit nach der EM
Die A6 bei Waidhaus gilt als "Tor zum Osten" – sie ist eine Fernreiseroute zwischen Prag und Paris. Rund 6.000 Fahrzeuge reisen hier täglich von Tschechien nach Deutschland ein. Jedes Fahrzeug muss bei Waidhaus von der Autobahn und durch mindestens eine Sichtkontrolle. Knapp ein Drittel der Fahrzeuge und Personen werden einer intensiveren Kontrolle unterzogen. Das wird bis zum Ende der Fußball-Europameisterschaft der Fall sein. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat aber bereits eine Verlängerung der Grenzkontrollen weit über das Sportgroßereignis angekündigt. Sie hat die Kontrollen während der Europameisterschaft mit 22.000 Bundespolizisten pro Tag vor wenigen Tagen als "größten Einsatz in der Geschichte der Bundespolizei" bezeichnet.
Kontrollen: Positiver Effekt auf Kriminalstatistik
Die Kontrollen an der Grenze zu Tschechien gibt es bereits seit Herbst 2023. Sie zeigen Wirkung in Sachen illegale Migration und Schleusungen: Die unerlaubten Einreisen sind im ersten Quartal 2024 um 13 Prozent zurückgegangen im Vergleich zum ersten Quartal im Vorjahr. Die Schleusungen sind in Waidhaus im Vergleichszeitraum um 43 Prozent zurückgegangen. Außerdem sind die Fahndungstreffer durch die stationären Grenzkontrollen um 97 Prozent angestiegen und es wurden 55 Prozent mehr Haftbefehle vollstreckt als im ersten Quartal 2023. Das sind die Zahlen der Bundespolizei. Zusätzlich kontrollieren an der Landesgrenze zu Tschechien auch die bayerische Grenzpolizei und der Zoll.
Als "Beifang" bezeichnen die Bundespolizisten ihr Alltagsgeschäft: Drogen- und Waffenschmuggel, das Vollstrecken von Haftbefehlen und Schleusungen. Nicht nur während, aber insbesondere anlässlich der Fußball-Europameisterschaft, will Innenministerin Faeser zudem die Aufdeckung von Cyberangriffen und eine Bedrohung durch islamistischen Terrorismus beschleunigen. Außerdem sollen gewaltbereite Fußball-Fans frühzeitig erkannt und im schlimmsten Fall sogar an der Einreise gehindert werden.
Buskontrollen in zwölfstündiger Nachtschicht
Der nächste Fernreisebus aus Prag rollt in die Kontrollstelle an der A6 bei Waidhaus. Es ist weit nach Mitternacht. Philipp und Max fordern die 76 Insassen in dem engen und stickigen Bus auf, ihre Ausweispapiere vorzuzeigen. Auf dem Handy der beiden Bundespolizisten rattern sämtliche Fahndungsraster digital durch. Kein Treffer. "Hier riecht doch was", schnuppert der 23-jährige Philipp rund um einen Fahrgast aus der Ukraine. "Marihuana dabei? Weed? For sure?" "No no no", beteuert der junge Mann. Er muss aber trotzdem aussteigen, die beiden Fahnder wollen Rucksack und Person genauer überprüfen. Plötzlich riecht der Ukrainer doch etwas und deutet auf die Toilette des Busses. Auch hier schaut Philipp genau nach, denn oftmals werfen die Passagiere Verbotenes kurz vor einer Grenzkontrolle in die Toilette. Fündig wird er nicht.
Die beiden Bundespolizisten ziehen nach zwölf Stunden Nachtschicht eine positive Bilanz. "Entspannt" und friedlich sei sie gewesen. Jetzt haben sie elf Stunden Pause, dann geht es in die nächste Zwölf-Stunden-Schicht. Der Dienstplan ist während der Europameisterschaft eng gesteckt. Zeit für Fußball bleibt aber dennoch für die beiden jungen Männer: Auch sie sind Fans und schauen die deutschen Spiele gemeinsam.
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