Abdullah Karaca hat sich auf den Posten des Leiters der Passionsspiele in Oberammergau beworben. Das bestätigte er im Gespräch mit BR24. Es ist wie ein Drama fürs Theater, denn der 35-jährige Muslim ist so etwas wie Christian Stückls Ziehsohn. Regisseur Stückl hat ihn entdeckt und zum zweiten Spielleiter aufgebaut. Doch der 62-Jährige denkt noch gar nicht ans Aufhören. Stattdessen würde er die Passion gerne noch einmal selbst leiten.
Casting um die Spielleitung bei der Passion
Doch zum ersten Mal in der über 400-jährigen Geschichte der Passionsspiele hat der Gemeinderat ein Bewerbungsverfahren beschlossen. Bewerben kann sich jede oder jeder, die oder der aus Oberammergau kommt – unabhängig von Religion oder Alter. Das betonte Bürgermeister Andreas Rödl (CSU), er erhofft sich dadurch Transparenz.
Bisher sei nur Spielleiter geworden, wer gute Beziehungen in den Gemeinderat gehabt habe. Eine so intransparente Stellenvergabe passe nicht mehr in die heutige Zeit, gibt Rödl zu bedenken. Daher läuft jetzt das Bewerbungsverfahren. Jede oder jeder, die oder der einmal bei der Passion mitgespielt hat, könne seine Ideen einbringen. Der Gemeinderat werde die Konzepte prüfen. Wer bei der Bürgerversammlung und vor den Ratsmitgliedern überzeugt, kann der neue Spielleiter oder die neue Spielleiterin werden. Ende Mai 2025 soll die Entscheidung fallen.
Ein Muslim als Spielleiter bei der Passion?
Abdullah Karaca erlangte Berühmtheit, weil er als erster Muslim in der Passion mitspielen durfte. Der in Oberammergau aufgewachsene Sohn türkischer Eltern ist ausgebildeter Regisseur und sieht in der Passion eine Herausforderung, die ihn stolz machen würde: "Für mich wäre es ein Traum und eine große Ehre, die Passionsspiele zu leiten."
Im Gespräch mit BR24 erzählt er, dass er gerne einen Jesus inszenieren würde, der für die Gemeinsamkeit aller Menschen kämpfe, egal aus welcher Schicht und von welcher Herkunft. Genau das fasziniere ihn auch an Oberammergau. Über vieles werde hier gestritten, aber die Passion würde das Dorf wieder vereinen, sagt er.
Seit klar ist, dass er sich um die Spielleitung bewirbt, spüre er eine geteilte Meinung. Vor allem jüngere Menschen würden seine Entscheidung begrüßen. Jedoch gebe es auch Leute, die ihn scharf angreifen, daraus macht er keinen Hehl. Er betont aber auch, dass ihm die Tragweite bewusst sei, wenn ein Muslim das Leiden und Sterben von Jesus Christus auf die Bühne bringe.
Trotz Ehrenbürgerschaft kein Bonus für Stückl
Im Bewerbungsverfahren sieht Christian Stückl einen Affront. Viermal hat er das Passionsspiel schon geleitet. Mehrfach wurde er dafür geehrt und ausgezeichnet. Der 62-Jährige hat die Passion in die Moderne geführt. Er hat durchgesetzt, dass verheiratete Frauen auf der Bühne stehen dürfen, er hat antisemitische Textpassagen und Bühnenbilder verbannt und sich dafür eingesetzt, dass nicht nur Angehörige der katholischen und evangelischen Kirche mitwirken durften.
Die letzte Passion wurde nicht nur wegen der modernen Inszenierung eines lauten, verzweifelten Jesus gelobt, sondern war für den Ort auch außergewöhnlich lukrativ. Über 400.000 Besucher aus aller Welt haben in über 100 Vorstellungen viel Geld in die Kassen gespült. Der Umsatz lag 2022 bei 70 Millionen Euro, rund 48 Millionen Euro blieben für Oberammergau. Dass Stückl sich trotzdem bewerben muss, geht ihm nicht ein. Er habe das Gefühl, dass der Gemeinderat ihn in die Schranken weisen wolle, sagt Stückl im BR24 Gespräch.
Stückl: "Passion überlebenswichtig"
Der durchsetzungsstarke Regisseur will kämpfen für seine Passion – das Stück um das Leiden und Sterben Jesu Christi sei für ihn "überlebenswichtig". Er setzt deshalb weiter auf eine Neuinszenierung und will auch selbst entscheiden, wer welche Rolle bekommt. Letztlich könne nur der Regisseur entscheiden, wer geeignet ist und es dürfe kein Politikum werden, bei dem der Gemeinderat mitredet, so Stückl.
Im Gegenzug verspricht er, sich mit Herz und Verstand der Passion hinzugeben. "Die Passion ist mein Leben. Ich möchte es irgendwann sauber übergeben, aber nicht so einfach rausgeschmissen werden!", sagt der langjährige Spielleiter. Sein Plan sei es, potenziellen Nachwuchs bei der nächsten Passion zu formieren.
Stückl: Keine erneute Zusammenarbeit mit Karaca
Eine erneute Zusammenarbeit mit Karaca werde es nicht geben. Laut Stückl habe Karaca nach der letzten Passion deutlich gemacht, dass er nicht mehr als zweiter Spielleiter zur Verfügung stehen werde. Auch die Zusammenarbeit im Volkstheater in München wurde beendet.
So fordert der ehemalige "Ziehsohn" jetzt den Altmeister heraus. Stoff für ein Theaterstück. Darauf angesprochen kontert Stückl: "Eine solche Dramaturgie mag ich nicht, weil es da immer einen Verlierer geben wird."
Zum Nachhören: Theater um die Leitung der Oberammergauer Passionsspiele
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