Seinen Keller hat Eduard Buchner längst leergeräumt. Die ersten Häuser im Kelheimer Ortsteil Staubing sind bereits überflutet. Fast ein Dutzend Häuser müssen mit Wasserschäden rechnen. Staubing ist laut Landesamt für Umweltschutz als Überschwemmungsgebiet klassifiziert. Die Einwohner kennen das zerstörerische Wasser der Donau, denn sie schützt kein Damm.
Aiwanger macht Vogelschutzbund verantwortlich
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sieht den Schuldigen beim Landesbund für Vogelschutz. Dieser habe seit Jahren gegen einen 700 Meter langen Hochwasserdamm geklagt, so Aiwanger auf X. Seine Schlussfolgerung: "Der Damm könnte schon längst gebaut sein." Den Vogelschützern empfiehlt Aiwanger: "Vielleicht sollten diejenigen, die gegen den Damm klagen, beim Ausräumen und dann beim Schlammrausschaufeln helfen."
Landesbund für Vogelschutz schießt zurück
Zweimal hatte der Landesbund für Vogelschutz gegen den geplanten Hochwasserdamm bei Staubing geklagt. Dabei befürworte er aber einen modernen Hochwasserschutz, der den Menschen vor Ort nutze, ohne die Natur substanziell zu schädigen, so der LBV auf BR24-Anfrage.
"Die nun auch für den LBV zutiefst bedauerliche Situation der Anwohner kommt aber zustande, weil die Planungsbehörden der Stadt Kelheim und des Wasserwirtschaftsamts Landshut trotz wiederholter frühzeitiger Hinweise an einer völlig veralteten und rechtswidrigen Planung festgehalten haben, die die Flussnatur gefährdet", so der LBV.
Nicht der Vogelschutz, sondern die Planung der Behörde ist laut LBV also schuld an dem verzögerten Deichbau. Hubert Aiwanger instrumentalisiere die aktuelle Hochwasserlage nun politisch und versuche Naturschützern eine Verantwortung für Schäden zu geben. Darüber hinaus sei es Hubert Aiwanger selbst gewesen, der im Koalitionsvertrag 2018 den Hochwasserschutz heruntergefahren habe, so der Landesbund für Vogelschutz.
Versäumnisse beim Hochwasserschutz?
Baut Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger mit seiner Kritik an Bayerns Vogelschutzbund einfach nur vor? Befürchtet er, dass er selbst in die Kritik geraten könnte? Tatsächlich wurden 2018 unter dem damals neuen Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) Hochwasserschutzprojekte erst mal gestrichen.
Aber von vorne: Nach dem Hochwasser 2002 sollten Risikogebiete besser geschützt werden. Die bayerische Staatsregierung hatte damals ein 2,3 Milliarden Euro teures Hochwasserschutz-Programm aufgelegt. Viel hat sich seither getan, doch dann kam der Hochwasserschutz ins Stocken. Noch im Mai 2018 hatte der damalige bayerische Umweltminister Marcel Huber (CSU) für zehn Flutpolder, also Rückhaltebecken, an der Donau geworben.
Nach den Landtagswahlen 2018 wurde er dann von Thorsten Glauber (Freie Wähler) abgelöst. Drei von zehn Flutpoldern sollten erst mal nicht gebaut werden. Jetzt sagt Umweltminister Glauber im BR24-Interview: "Es ist einfach so, dass ich als Umweltminister vom ersten Tag meiner Tätigkeit an, von der ersten Minute an, für die Flutpolderkette geworben habe."
Aiwanger war gegen Polder-Projekt der CSU
Gegen die Flutpolder in den Landkreisen Neuburg-Schrobenhausen und Regensburg war 2018 vor allem Hubert Aiwanger. Diese Polder seien teilweise überflüssig und auch viel zu teuer, "weil so ein Polder ja nur alle hundert Jahre mal geflutet wird", so Aiwanger im November 2018 in der Augsburger Allgemeine. Doch Aiwanger gab seinen Widerstand auf. Vor drei Jahren einigte sich das bayerische Kabinett dann auf neun Flutpolder an der Donau.
Heute fehlt aber das Geld an allen Ecken und Enden - nicht zuletzt aufgrund der deutlich gestiegenen Baukosten. So beispielsweise in Sallern bei Regensburg: Dem Wasserwirtschaftsamt Regensburg fehlen zwischen zehn und zwanzig Millionen Euro, um alle geplanten Hochwasserschutzprojekte umzusetzen. Laut Wasserwirtschaftsamt wird sich deswegen auch die Fertigstellung des Hochwasserschutzes in Sallern um ein Jahr verzögern, also vermutlich bis Ende 2025.
Umweltministerium: "Hochwasserschutz hat oberste Priorität!"
Von 2001 bis heute wurden in Bayern über vier Milliarden Euro in den Hochwasserschutz investiert, so ein Sprecher des Bayerischen Umweltministeriums auf BR24-Anfrage.
Bis Ende 2030 sollen im laufenden Gewässer-Aktionsprogramm weitere zwei Milliarden Euro in Hochwasserschutzmaßnahmen fließen. Im Jahr 2023 wurden im Rahmen des aktuellen Aktionsprogramms über 200 Millionen Euro im Bereich des Hochwasserschutzes investiert, so ein Sprecher des Umweltministeriums.
Opposition hält sich mit Vorwürfen zurück
Grüne und SPD im Bayerischen Landtag wollen aktuell den bayerischen Hochwasserschutz nicht bewerten. Beide Fraktionsvorsitzende bedanken sich bei den Rettungskräften. In Gedanken sei sie bei den Angehörigen und Freunden des Feuerwehrmanns, der im Einsatz ums Leben kam, so die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katharina Schulze.
Zudem betonen beide Politiker, dass es durch die Klimaerhitzung mehr Extremwetter und somit auch mehr Hochwasser geben werde. Deswegen müsste der Hochwasserschutz in Bayern weiter ausgebaut werden, so der Fraktionsvorsitzende der SPD Florian von Brunn. Die Politik müsse klar Stellung beziehen, für Flutpolder, für technischen Hochwasserschutz, für Dämme. Dabei dürfe es keinen Populismus und auch keinen Opportunismus wie in den letzten Jahren geben, so der SPD-Politiker.
Sich in Zukunft besser auf Hochwasser vorzubereiten, um das Gefahrenpotenzial zukünftiger Ereignisse zu reduzieren, das ist auch das Anliegen der Grünen-Politikerin Katharina Schulze.
Im Video: Bayerns Umweltminister Glauber zum Umgang mit den Schäden des Hochwassers
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