Ein Haus von außen, in dem die neue Hausarztpraxis untergebracht ist.
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In diesem Gebäude entsteht die neue Hausarztpraxis.

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Hausarztmangel: Gemeinde Ering sorgt selbst für neue Praxis

Die erste Hausarztpraxis dieser Art in Niederbayern: Nachdem die Gemeinde Ering am Inn über zwei Jahre lang ohne Hausarztpraxis auskommen musste, eröffnet der Ort selbst eine solche - in Kooperation mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Früher gab es in Ering am Inn sogar zwei Arztpraxen, heute herrscht im Inntal eine ernstzunehmende medizinische Unterversorgung. Im Bereich Simbach am Inn, zu dem Ering dazugehört, hat man gerade einen Versorgungsgrad von nur knapp 80 Prozent, mit zwölf Ärztinnen und Ärzten für etwa 23.500 Menschen. Das bedeutet eine Überlastung der bestehenden Praxen, mit Überstunden für das Personal und längeren Wartezeiten für die Patientinnen und Patienten.

Versorgungsgrad im Inntal war stark gesunken

Zum Vergleich: Vor fünf Jahren lag der Versorgungsgrad noch bei 93 Prozent, damals waren es konkret noch zwei Ärzte mehr in der Gegend. Erings Bürgermeister Hans Wagmann (CSU) hat die Suche zur Chefsache gemacht: "Ich habe mich da wirklich reingehängt, wir haben Annoncen in Zeitungen oder Zeitschriften aufgeben, darauf haben sich auch einige gemeldet, das hat sich ganz gut angehört und es hat immer gut ausgesehen. Aus irgendwelchen Gründen hat es sich dann doch zerschlagen und wir sind wieder bei null dagestanden." Irgendwann sei man dann auf die Idee gekommen, dass die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) selbst eine Praxis betreiben könnte, so sei das gemeinsame Vorhaben dann in die Gänge gekommen.

Altes Pfarrhaus gekauft und umgebaut

Im Anschluss hat Ering eine geeignete Immobilie gesucht und gefunden und das alte Pfarrhaus neben dem Kindergarten gekauft. Dieses wurde saniert und praxistauglich umgebaut. Eine Win-win-Situation für die Gemeinde, weil man in der Praxis sogar noch Räumlichkeiten für den Kindergarten übrig hätte und diesen bei Bedarf erweitern könnte.

Das Eigeneinrichtungskonzept der KVB sieht vor, Ärzten mit einer übergangsweise von der KV geführten Praxis in die eigene Niederlassung zu helfen. Das bedeutet, während der Praxisaufbauphase sind die Ärzte bei der KVB angestellt.

In Marktredwitz im oberfränkischen Kreis Wunsiedel gibt es schon ein ähnliches Projekt, hier ist es eine dermatologische Praxis. In Ering öffnet nun die erste Hausarztpraxis dieser Art in Niederbayern.

KVB plant in Bayern weitere Praxen dieser Art

So sieht die Vereinbarung mit der KVB in Ering aus: Die Praxis gehört der Gemeinde und die KVB mietet und betreibt die Praxis. Dort ist außerdem eine Hausärztin angestellt, sie soll die Praxis später übernehmen. Man sucht gerade in weiteren unterversorgten Planungsbereichen in Bayern nach Ärztinnen und Ärzten, die Interesse an so einem Projekt hätten und die Praxen später auch in eigener Verantwortung, ohne die KVB, weiterführen wollen.

Ärztemangel: Trend zur Teilzeit oder Rente

2024 sollen in Bayern laut der KVB fünf weitere Kooperationen dieser Art folgen. Das hat kürzlich der KVB-Vorstandsvorsitzende Christian Pfeiffer im Jahrespressegespräch seines Verbandes gesagt. Der Hintergrund: Immer mehr Regionen in Bayern werden als unterversorgt eingestuft, so Axel Heise, ein Pressesprecher der KVB, auf Nachfrage des Bayerischen Rundfunks. Der Ärztemangel liege auch am Trend zur Anstellung und zur Teilzeit. Ärztinnen und Ärzte, die 50 bis 60 Stunden in der Woche arbeiten, werden zunehmend weniger oder gehen in Rente, so Heise. Für das Arbeitsvolumen, das früher ein Arzt geleistet habe, brauche es womöglich zukünftig sogar zwei Ärzte, schätzt die KVB.

Junge Ärzte bevorzugen oft ein Anstellungsverhältnis

Dazu komme der Trend zur Anstellung, Ärztinnen und Ärzte wählen zunächst lieber diesen Zwischenschritt aus Respekt vor den Herausforderungen einer Niederlassung. Man rechne dadurch mit wachsenden Problemen bei der medizinischen Versorgung durch Praxen.

Errichtung solcher Praxen großer Aufwand für die KVB

Dies sei auch die Voraussetzung für mögliche Kooperationen zwischen Gemeinden und der KVB. Bei drohender oder tatsächlicher Unterversorgung gibt es laut der KVB vor der Eigeneinrichtung zwei Schritte: Zunächst muss der Landesausschuss die drohende oder tatsächliche Unterversorgung feststellen. Erst dann kann die KVB auch fördern, vorher nicht. Beim Status "drohende Unterversorgung", etwa wenn das Durchschnittsalter von Ärztinnen und Ärzten sehr hoch ist, seien erste Förderungen möglich, etwa für eine Praxiseröffnung, die Anstellung von Ärztinnen und Ärzten in bestehenden, umliegenden Praxen oder die Eröffnung von Filialpraxen.

"Unterversorgung": Versorgungsgrad von unter 75 Prozent

Bei tatsächlicher Unterversorgung – heißt im hausärztlichen Bereich, bei einem, wieder vom Landesausschuss, festgestellten Versorgungsgrad unter 75 Prozent – werden die Förderungen noch einmal deutlich erhöht. Erst wenn diese beiden Maßnahmen nicht gegriffen haben, plant die KVB selbst Einrichtungen zu betreiben. Das heißt: Für den Betrieb von Eigeneinrichtungen gibt es klare Kriterien oder Statusfeststellungen. Außerdem ist die Errichtung solcher Praxen für die KVB mit viel Aufwand verbunden, so Axel Heise von der KVB zum BR. Man müsse hier einen großen zeitlichen Vorlauf einplanen, etwa um eine geeignete Immobilie zu finden, einen eventuellen Umbau leisten zu können, dazu komme die Ausstattung mit der Praxiseinrichtung. Man rechtet hier laut KVB im Schnitt mit sechs bis neun Monaten Vorlauf. Dass es solche Projekte gebe, resultiere aus einer gesetzlichen Verpflichtung, welche die KVB als Körperschaft öffentlichen Rechts umsetzen müsse.

Ering als Positivbeispiel gegen den Landarztmangel

Beim Positivbeispiel Ering, wo die Gemeinde sich laut KVB sehr außergewöhnlich engagiert hat, geht die Praxis nun an den Start. Das Gebäude wurde 2023 in Rekordzeit saniert und umgebaut. Am 2. Januar hat das Personal seinen ersten Arbeitstag. Stand jetzt soll es in der neuen Hausarztpraxis im Laufe des Januars mit dem Regelbetrieb losgehen. Die Patientinnen und Patienten können fortan wieder direkt in Ering zur Hausärztin gehen und müssen keine weiten Wege mehr auf sich nehmen.

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Hans Wagmann, Bürgermeister von Ering am Inn, hatte die Hausarztsuche zur Chefsache gemacht.

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