Moritz ist zwölf Jahre alt. Zusammen mit dem Heilpädagogen Bernhard Belz lernt der Junge seine Sinne zu schärfen und ihnen zu vertrauen. Er tat sich im Alltag schwer – in der Familie und in der Regelschule. Inzwischen lebt er in einer Wohngruppe des Würzburger St. Josephs-Heims und macht große Fortschritte. Dabei spielt der Heilpädagoge Bernhard Belz eine zentrale Rolle. Er ist für Moritz mehr als nur ein Betreuer, eher ein fachkundiger Begleiter und Unterstützer.
Fachakademie für Heilpädagogik in Würzburg
Das Berufsbild Heilpädagoge kennen hauptsächlich Insider. Dabei wird es immer wichtiger. Als stark praxisorientierte Berufsgruppe fördern Heilpädagogen vor allem Kinder und Jugendliche mit emotionalen und sozialen Schwierigkeiten, aber auch Erwachsene mit Behinderungen.
Würzburg verfügt seit 1967 über Bayerns zweitälteste Fachakademie. Im Stadtteil Zellerau befindet sich ein riesiger Gebäudekomplex, in dem sich Fachleute auf unterschiedlichen Ebenen dem Kindeswohl widmen. Unter der Trägerschaft des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) befindet sich gleich im Eingangsgebäude die Frühförderstelle. Dahinter liegen Elisabeth-Weber-Schule und das Therapeutische Heim St. Joseph. Beide Einrichtungen widmen sich Kindern und Jugendlichen mit emotionalen und sozialen Schwierigkeiten.
Immer mehr Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf
Solche jungen Menschen, die sich weder zuhause noch im Miteinander mit Gleichaltrigen zurechtfinden, nehmen zahlenmäßig zu, sagt Einrichtungsleiter Dr. Norbert Beck. Nicht zuletzt als Folge der Pandemie seien viele Kinder und Jugendliche aus dem Tritt gekommen. Sie ecken mit ihrem Verhalten an, sind mit Konflikten überfordert, neigen zu körperlichen Auseinandersetzungen oder verweigern sich. In kleinen Lern- und Wohngruppen bekommen sie in den Fördereinrichtungen des SkF Unterstützung für den Weg zurück in die größere Gemeinschaft.
Heilpädagogen als Unterstützer
Heilpädagogen wie Bernhard Belz kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Belz arbeitet hier sowohl mit Kleingruppen als auch mit Einzelpersonen, wie dem 12-jährigen Moritz. Der Sechstklässler lebt seit über einem Jahr im Josephs-Heim und sagt von sich selbst, er sei nicht nett zu seiner Mutter gewesen. Außerdem gab es Probleme in der Schule. Bernhard Belz unterstützt Moritz dabei, seine Fähigkeiten richtig einzuschätzen. Er soll besser spüren, auf welche Ressourcen er zurückgreifen kann, um dann auch selbstbewusst im Kontakt zu Gleichaltrigen auftreten zu können.
Bernhard Belz hat nach seiner Ausbildung zum Heilerziehungspfleger noch ein zweijähriges Aufbaustudium am Heilpädagogischen Seminar in Würzburg absolviert. Diese Fachakademie liegt im Nachbarhaus. Das hat den Vorteil, dass die Studierenden in Schule und Heim unmittelbare Praxiserfahrungen sammeln können.
Abgeschlossene Berufsausbildung als Voraussetzung
Zurzeit besuchen 14 Menschen zwischen 20 und 50 Jahren das Seminar, das eine abgeschlossene Ausbildung voraussetzt. Die meisten von ihnen kommen aus pädagogischen oder pflegerischen Berufen. Frauen, oft Erzieherinnen, sind besonders stark vertreten. Als Beweggrund für die Zusatzqualifikation nennen viele, nicht mehr in größeren Gruppen arbeiten zu wollen, sondern lieber in der 1:1-Begegnung. Das kann in Frühförderstellen ebenso geschehen wie in Wohngruppen oder Schulen. Auch für erwachsene Menschen mit Behinderung sind Heilpädagogen im Einsatz.
Teure Fortbildung ohne Einkommen
Trotz der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten herrscht auch in diesem Beruf Mangel. Das Heilpädagogische Seminar in Würzburg kann alle zwei Jahre 22 Studierende aufnehmen und zu einem staatlich anerkannten Abschluss führen. Dass nicht alle Plätze belegt sind, führt Seminarleiterin Lucia Schäfer u. a. auf den allgemeinen Fachkräftemangel zurück, der die Menschen in ihren aktuellen Berufen unentbehrlich macht.
Wer sich trotzdem fürs Umsatteln entscheidet, braucht eine enorme Motivation dafür. Denn berufsbegleitend ist die Fortbildung in Würzburg bislang nicht möglich, soll jedoch ab September 2024 kommen, erklärt Lucia Schäfer. Außerdem kostet das Seminar Schulgeld. Von den 4.500 Euro, die für die zwei Jahre fällig sind, wird zwar bei erfolgreichem Abschluss im Zuge des sogenannten Meisterbonus‘ ein Großteil rückerstattet. Doch 1.500 Euro bleiben übrig – und das ohne regelmäßiges Einkommen.
Deshalb setzt sich die Berufsgruppe aktuell auch politisch dafür ein, dass diese Hürde entfällt. Außerdem wünschen sich die Heilpädagogen eine Aufwertung auch bei den Gehältern, die momentan kaum höher als im Erzieherberuf ausfallen.
Dieser Artikel ist erstmals am 06. Dezember 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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