Zwei Einsatzkräfte mit Warnwesten stehen vor einem Polizeihubschrauber und sprechen mit dem Piloten.
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Die RECCO-SAR-Spezialeinheit der Bergwacht beim Einsatz mit der Polizeihubschrauberstaffel Bayern.

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Neue Technik für Helikopter-Vermisstensuche in den Bergen

In den bayerischen Alpen sucht die Bergwacht jährlich Hunderte Vermisste. Die Einsätze dauern oft tagelang. Eine Spezialeinheit der Bergwacht kann mit einer neuen Helikopter-Radarsuche Vermisste nun schneller orten – doch es gibt einen kleinen Haken.

Es ist Sommer, Hochsaison für Bergsteiger und Urlauber in den bayerischen Alpen. Im Moment gehen bei den Bergwachtbereitschaften bis zu zehn Alarme am Tag ein. Die bayerischen Bergretter rücken jährlich zu mehr als 9.000 Rettungseinsätzen in den Alpen aus, darunter zu etwa 300 Vermisstensuchen.

Die ehrenamtlichen Bergretter sind oft Tage und Nächte im Gelände unterwegs, es zählt jede Stunde. Doch manchmal können die Vermissten nur noch tot geborgen werden. Wie etwa im Oktober 2022, als eine mehrtägige Suche der Bergwacht Chiemgau tragisch endete.

Dramatische Suche am Berg

Der Notruf kam nachts um 00:30 Uhr. Ein abgestürzter Bergsteiger am Hochkalter in den Berchtesgadener Alpen hatte die Rettungsstelle noch selbst alarmiert. "Es herrschten widrigste Wetterbedingungen, es schneite, die Berge waren vereist und dazu kamen noch Orkanböen", erinnert sich der Leiter der Bergwacht Chiemgau Klaus Burger. Unter ungünstigsten Bedingungen haben die Einsatzkräfte und die Alpinpolizei tagelang nach dem Verunglückten gesucht. Erst vier Wochen später wurde die Leiche des 24-Jährigen gefunden.

Dabei hätte die Bergwacht den jungen Bergsteiger mit hoher Wahrscheinlichkeit bei guten Wetterbedingungen schnell finden können, hätte er einen sogenannten Recco-Reflektor bei sich gehabt. Die Idee stammt aus den 1980er Jahren, von einem Schweden, der einen Freund bei einem Lawinenabgang verloren hatte. Er war frustriert, dass es in jener Zeit so wenige Möglichkeiten gab, verschüttete Menschen zu finden und suchte nach einer elektronischen Lösung.

So funktioniert die Vermisstensuche

Die Recco-Technologie funktioniert mittels Sender und Empfänger. Wird eine vermisste Person mit der Recco-Sucheinheit gesucht, muss ein Polizeihubschrauber angefordert werden. Die sogenannte Recco-Boje, eine 70-Kilogramm schwere Metalltonne, wird an ein Stahlseil an den Helikopter gehängt. Die Boje sendet ein Radarsignal aus. Trifft das Signal auf den Reflektor der vermissten Person, wirft es das Signal zurück.

Die Recco-Suche ist aber nicht für die Handyortung und die Suche von elektronischen Geräten geeignet, betont Klaus Burger von der Bergwacht Chiemgau. Außerdem: Erst wenn die Wärmebildkameratechnik sowie die Bodensuche mit Hunden nicht zielführend ist, wird im nächsten Schritt die Recco-Boje eingesetzt. "Wir suchen auch nach der abgängigen Person, wenn wir nicht wissen, ob sie einen Reflektor bei sich trägt", sagt Klaus Burger.

Mit der Recco-Boje können die Bergretter im Hubschrauber einen Quadratkilometer in sechs Minuten absuchen. Die Ortung funktioniert sehr präzise, was die Bergwacht in Sonthofen und in Bad Reichenhall gleichermaßen beeindruckt. Ist der Suchbereich eingegrenzt, kann die Feinsuche auf dem Boden mit einem Handgerät durchgeführt werden. Je lauter das Signal piepst, desto näher kommen die Retter dem Vermissten.

Bayerische Recco-Spezialisten einzigartig in Deutschland

Die beiden "Search und Rescue-Standorte" in Oberbayern und im Allgäu gibt es seit 2021, sie sind einzigartig in Deutschland. Für Vermisstensuchen können die Spezialgruppen aus dem Chiemgau und Sonthofen bundesweit angefordert werden.

Seit der Einführung des Systems wurden die Spezialisten der Bergwachten bei verschiedenen Suchen angefragt. Zum Beispiel beim verheerenden Hochwasser im Juni dieses Jahres, als tagelang nach einem jungen Feuerwehrmann im Landkreis Günzburg gesucht wurde. Er war aus einem gekenterten Rettungsboot von den Fluten mitgerissen worden.

Dringender Wunsch der Bergwachten an alle Outdoor-Marken

Die Sucheinsätze mit der Recco-Technologie waren nach Aussage der Bergretter bisher meist erfolglos. Denn die vermissten Personen hatten keine Reflektoren, also den Empfänger für das ausgesendete Signal, mitgeführt. Dabei wäre das batterielose Teil, das die Retter auf die Spur von vermissten Menschen bringt, nur wenige Zentimeter lang. Mehr als 150 Outdoor-Marken wie Decathlon, Jack Wolfskin oder Schöffel nähen oder befestigen es bereits in Rucksäcken, Hosen, Anoraks und in Helmen.

Der Wunsch der Bergwacht wäre, dass noch mehr Ausrüster die kostengünstigen Reflektoren in ihre Kollektionen übernehmen. Wichtig wäre auch, wenn Familienangehörige oder Freunde wissen, ob der Abgängige einen Reflektor bei sich trägt. Um davon unabhängiger zu sein, müsste es eine Datenbank geben, in der die Besitzer von Recco-Reflektoren verzeichnet sind und die beiden bayerischen Bergwachten auf die Einträge Zugriff haben. Übrigens: Den Reflektor gibt es ähnlich wie Schlüsselanhänger auch zum Nachrüsten für etwa 30 Euro.

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Der Recco-Reflektor kann nachgerüstet werden. Es gibt ihn auch für Kletter- oder Radhelme zum Aufkleben.

Recco ersetzt keine Kameradensuche bei Lawinen

Aber nicht bei jeder Suche ist die Recco-Technologie die erste Wahl. Etwa bei Lawinenabgängen sind Lawinensuchgeräte sowie der Lawinensuchhund besser geeignet. "Bei der Rettung der Verschütteten zählt jede Sekunde", sagt Klaus Burger. Auch in Städten und Dörfern gibt es zu viele Störsignale. Deshalb ist hier die Recco-Suche nicht geeignet.

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