Eine niedrige Arbeitslosenquote von nur 3,1 Prozent und derzeit noch gute Umsätze – der bayerisch-schwäbischen Wirtschaft geht es eigentlich noch gut, trotzdem sei die Stimmung schlecht, so Marc Lucassen, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Schwaben (IHK): Er sieht die Wirtschaft "auf Talfahrt".
Zu wenig Investitionen im Inland
"Das Problem ist die Perspektive. Wir sehen Frühindikatoren für eine schlechte Entwicklung. Einer davon ist die Investitionszurückhaltung oder sogar die Investition im Ausland, anstatt im Inland, sowohl von heimischen Unternehmen als auch von ausländischen Investoren. Und das gibt uns Anlass zur Sorge, dass diese Zukunftsfähigkeit gerade verspielt wird, weil die Zukunft in anderen Ländern stattfindet. Und das müssen wir deutlich machen. Denn nur auf das Heute und das Jetzt zu gucken, das verstellt einem möglicherweise den Blick dafür, dass wir in Zukunft große Schwierigkeiten haben werden, und die zeichnen sich bereits ab", so Lucassen im Gespräch mit BR24. Bei der IHK Schwaben wird daher erwartet, dass nahezu alle Branchen schrumpfen.
Eine "schleichende Entfremdung zwischen Wirtschaft und Politik"?
Das Hauptproblem seien laut der aktuellen Konjunkturprognose der IHK Schwaben nicht mehr die unterbrochenen Lieferketten wie noch zu Corona-Zeiten. 62 Prozent der befragten schwäbischen Unternehmen sehen die Wirtschaftspolitik als größte Herausforderung, noch vor den hohen Energiepreisen (61%), der schwachen Inlandsnachfrage (58%) und dem weiter anhaltenden Fachkräftemangel (56%).
Reinhold Braun, stellvertretender IHK-Präsident, sieht eine "schleichende Entfremdung zwischen Wirtschaft und Politik". Dabei brauche es dringend eine "Agenda 2030" um Innovationen zu fördern und Bürokratie abzubauen.
Auslandsgeschäft schwächelt
Darüber hinaus macht der schwäbischen Wirtschaft das schwächelnde Auslandsgeschäft schwer zu schaffen. Die schwäbische Industrie etwa verdient laut IHK-Hauptgeschäftsführer Lucassen jeden zweiten Euro im Ausland.
Geopolitische Verwerfungen würden dieses Geschäft stark beeinflussen: "Der Krieg in der Ukraine, der Krieg jetzt im Nahen Osten, dieser schwelende Konflikt mit Taiwan, China, das alles belastet Unternehmen, die im Ausland aktiv sind. Das kommt alles on Top zu den Strukturproblemen, die wir im Inland haben. Wir haben unsere Hausaufgaben nicht gemacht. Und wenn wir die jetzt machen, dann haben wir eine Chance, zukünftig Wohlstand zu generieren. Aber wir müssen eben jetzt gemeinsam eine Reform-Agenda angehen, die die Strukturprobleme löste." Man setze sich bei der IHK daher für "eine Vertiefung des europäischen Binnenmarktes, für eine Wiederbelebung des internationalen Handels" ein.
Wieder mehr Auszubildende
Als derzeit einzigen Lichtblick sieht man bei der IHK Schwaben die Zunahme an Ausbildenden. Sie ist in diesem Ausbildungsjahr um 6,6 Prozent auf 8.400 Auszubildende gestiegen. Diese sei ein "Bekenntnis der Unternehmen zum Standort Bayerisch-Schwaben".
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