Wegen Trockenheit und hoher Temperaturen breiten sich Borkenkäfer weiter aus. In den heimischen Wäldern wollen sich Försterinnen und Förster sowie Waldbesitzer nicht so einfach geschlagen geben. Sie kämpfen gegen das Waldsterben.
Der Borkenkäfer taucht heuer zu früh auf
"Ich möchte am liebsten wieder normale Aufforstungen machen", klagt Peter Pscherer. Der Forstunternehmer sitzt oben in seinem Harvester und steuert einen Baum an, der vom Borkenkäfer befallen ist. Setzt den Greifer an und keine zwei Minuten später ist die Fichte gefällt, entastet, abgelängt, sind die einzelnen Stammteile auf einen Haufen geschlichtet.
Pscherer ist einer von etwa zehn Unternehmern, die im Fichtelgebirge Bäume im großen Stil fällen. Vier Harvester hat er im Einsatz, beschäftigt sieben Mitarbeiter. Käferbäume fällen und aus dem Wald holen. Jeden Tag sterbende oder tote Bäume anschauen müssen. Immer dem Käfer hinterher. Das schlage schon ein wenig aufs Gemüt, meint Pscherer. Hier im Ahornberger Forstrevier arbeitet er im Auftrag des Forstbetriebes Fichtelberg.
Borkenkäfer vermehren sich schlagartig
Revierförsterin Miriam Lang findet es gruselig, durch den Wald zu laufen und plötzlich Käferbefall zu finden, wo noch zwei Tage vorher nichts zu sehen war. Sie kontrolliert derzeit andauernd ihr Revier, denn die Käfer schwärmen aus – drei Wochen früher als üblich. Es war einfach zu früh zu warm, das mag das Insekt.
Langs Kollege Martin Hertel öffnet eine Borkenkäferfalle. 1.000 kleine schwarz-braune Insekten wimmeln darin herum. "Letzte Woche waren hier noch keine drin", meint Hertel. Es sind Borkenkäfer der Sorte Buchdrucker. Die sind etwa so groß wie ein Streichholzkopf und bohren sich in die Rinde der Fichtenstämme. In der zweiten Falle tummeln sich etwa genauso viele Kupferstecher. Sie erreichen nur die halbe Größe wie die Buchdrucker und gehen in die jungen Bäumchen oder in die Äste. Die Försterinnen und Förster sowie ihre Mitarbeitenden müssen jetzt schauen, wo sie auftreten, wo sie hinfliegen. Die Käfer aus den Fallen werden vernichtet.
Wettlauf gegen die Zeit
Am braunen Bohrmehl in der Rinde und an den Baumstämmen erkennen die Förster, ob der Borkenkäfer in einem Baum tätig ist. Der bohrt unter der Rinde Gänge und legt Kammern an, in die er seine Eier legt. In normalen Jahren mit genug Niederschlag wehrt sich der Baum, indem er Harz produziert und den Käfer damit in den Gängen festklebt. Doch seit 2018 gab es - mit Ausnahme von 2021 - nur Jahre, die zu trocken und zu warm waren.
Das frühe Auftreten der Borkenkäfer in diesem Jahr lässt Martin Hertel Schlimmes ahnen: "Bleibt es zu warm und vor allem trocken, dann können die Tiere vielleicht sogar viermal brüten." Ein Weibchen kann so bis zu 100.000 Nachkommen haben. Dann könnten Millionen von Borkenkäfer schlüpfen. Folglich müssen die befallenen Bäume binnen fünf Wochen aus dem Wald und weit weg zwischengelagert werden. Damit der frisch geschlüpfte Nachwuchs nicht wieder zurück in den Wald fliegt. Es dauert etwa sechs Wochen, bis sich aus einem Ei ein fertiger Borkenkäfer entwickelt.
Es kommt auf die Lage der Bäume an
Miriam Lang trägt die betroffenen Bäume in ihrem Revier in eine App ein – mit GPS Daten. Jeder Käferbaum ein roter Punkt auf der Landkarte. Der Harvester kann dann den Baum punktgenau ansteuern und fällen. Manchmal sind es ganze Schulen mit betroffenen Bäumen, dann wieder nur einzelne Fichten.
Vor allem in den sonnigen Südlagen werden die Bäume von Trockenheit und Wärme gestresst. Dabei haben das Fichtelgebirge wie auch der benachbarte Steinwald noch einige Vorteile. Der Untergrund aus Granit hält nach Niederschlägen das Wasser länger im Boden. Die Lage im Mittelgebirge ist allgemein höher und damit kühler. Vor allem ist der meiste Wald im Staatsbesitz, ein Forstbetrieb, wie der in Fichtelberg mit seinen 17.000 Hektar aufgeteilt in neun Reviere, kann meist anders wirtschaften als ein privater Waldbesitzer.
Kahle Hänge in den Hochlagen
Im Frankenwald fährt Ralf Kremer seinen Rückezug zum Holzladeplatz. Dort liegen schon unzählige Fichtenstämme, über drei Meter hoch aufgeschichtet. Kremer ist Waldbesitzer und Forstunternehmer, seine Leute haben kurz vorher eine Fläche bei Gottsmannsgrün oberhalb der B173 abgeholzt. Jetzt fährt er die Reste ab. Die Stämme werden in Sägewerke oder zum Bahnhof gebracht, der Kronenschnitt wird gehäckselt. Der zwei Jahre alte Rückezug hat bereits 7.000 Arbeitsstunden auf dem Zähler.
"Ich habe seit sechs Jahren keinen Urlaub mehr gemacht. Unter der Woche fällen wir Bäume. Am Wochenende bin ich mit den Waldbesitzern unterwegs und wir legen fest, was wo gefällt werden muss", erklärt er, "es ist dramatisch!" Der Frankenwald hat deutlich über zehn Prozent seines Fichtenbestandes verloren. Ganze Hänge entlang der B173, die quer durch die Region führt, sind nahezu kahl. In den Hochlagen an der Grenze zu Thüringen sieht es ganz schlimm aus.
Es braucht konstante Niederschläge
Dabei war der nasse, regenreiche Winter eigentlich gut für den Wald, meint Kremer. Nässe möge der Käfer nicht. Es bilden sich Pilze, die das Insekt angreifen, die Bestände dezimieren. Doch die Zukunft steht und fällt mit den Niederschlägen, erklärt der Forstwirt. Bleibe es so warm und regne es nicht, sei die Feuchtigkeit im Boden bald aufgebraucht. Dann kommen die Käfer wieder in Mengen, greifen die geschwächten Bäume an.
Im Moment sei er noch mit der Aufarbeitung der Holzreste vom letzten Jahr beschäftigt. Dazu noch Schnee- und Windbruch. Der Frankenwald hat einen Schieferuntergrund, durch den fließt Regenwasser schneller ab. Dazu ist viel Wald in Privatbesitz. Die Eigentümer kommen, trotz Fördergelder, mit der Aufarbeitung oft nicht hinterher. Manche seien wohl auch vom Ausmaß überfordert, meint Kremer. Zum Vergleich: im Frankenwald sind etwa 30 Unternehmer bei der Arbeit. "Die kommen von überall her – auch aus dem Ausland. Die einheimischen Kapazitäten reichen nicht aus", erklärt Ralf Kremer. Er selbst beschäftigt derzeit fünf Subunternehmer.
Der Wald in 100 Jahren sieht anders aus
Im Frankenwald, im Fichtelgebirge und im Steinwald machen sie sich Gedanken über die Zukunft. Die Fichte könnte sich anpassen, aber das müsse man sehen. Der Baum sei für die Wirtschaft nach wie vor wichtig: wächst schnell und gerade. Ideal als Bauholz. Doch ob sie dem Klimawandel trotzen kann, ist offen.
Neue Sorten werden in Arboreten und Klimawäldern angepflanzt. Einheimische und ausländische Baumarten, in unterschiedlichen Höhenstufen. Miriam Lang führt durch einen Klimawald in ihrem Revier, nahe dem oberpfälzischen Ebnath. 5.000 Traubeneichen und 2.000 Linden hat sie hier anpflanzen lassen, überschattet von Kiefern und Lärchen, dazwischen Birken, Buchen und Fichten, die sich selbst hier angesiedelt haben. Jedes Jahr wird in jedem der neun Fichtelberger Forstreviere, die zum Teil auch in den Landkreis Tirschenreuth reichen, ein weiterer Hektar Klimawald angepflanzt.
In 100 Jahren wird der Fichtenbestand von jetzt 80 auf dann 50 Prozent gesunken sein, schätzt die Försterin. Wie die anderen Bäume sich entwickeln und welche davon sich durchsetzen, müsse sie beobachten. Auch im Frankenwald gibt es zahlreiche Anpflanzungen mit jungen Buchen, dazu Bergahorn und Atlaszedern.
Ralf Kremer setzt wie andere Waldbesitzer auch auf den Waldumbau. Neue Sorten und einheimische Baumarten, die sich von selbst ansiedeln, wie die Fichte, die sich vielleicht an das veränderte Klima gewöhnt. Das nenne sich Naturverjüngung. So könnten die Mittelgebirge eine Zukunft haben.
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