Mitten in München, in der Rumfordstraße, liegt eine grüne Oase: der denkmalgeschützte Handwerkerhof. Hier leben und arbeiten seit Jahrzehnten Handwerker, Künstler und ihre Familien – eine Mischung unweit der Isar, die so möglicherweise nicht mehr lange existiert. Die Eigentümer des Handwerkerhofs planen den Verkauf. "Es war fast nicht glaubhaft, als wir Leute mit Karten und Plänen herumlaufen sahen", berichtet Schreinermeister Klaus Mildenberger, der seit 20 Jahren hier arbeitet. "Auf Nachfrage teilte uns der Vermieter mit, dass verkauft werden soll."
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Schreinerwerkstatt vor dem Aus
Mildenberger steht in seiner kleinen Werkstatt, umgeben von Sägespänen, Werkzeugen und selbstgebauten Möbeln. Der Duft von Holz liegt in der Luft. Er macht sich Sorgen: "Als Gewerbemieter kann man mich sofort kündigen. Innerhalb von ein paar Monaten muss ich gehen. Diese schweren Maschinen zu verkaufen oder anderswo eine neue Werkstatt aufzubauen, schaffe ich nicht mehr." Eigentlich wollte er seine Werkstatt an einen jüngeren Kollegen übergeben. Doch dieser Traum droht zu platzen. Gemeinsam mit den anderen Mietern hat er eine Interessensgemeinschaft gegründet, um den Verkauf zu verhindern.
"Das ist wie Lottospielen"
Keramikerin Suzanne Bühler kennt die Sorgen nur zu gut. Mit geübten Händen formt sie eine Schale auf ihrer Töpferscheibe. "Ich habe das schon einmal erlebt. Vor 20 Jahren musste ich meine Werkstatt wegen eines Immobilienverkaufs räumen. Jetzt droht mir das Gleiche." Die Starkstromanschlüsse für ihre Öfen und der Raum für ihr Equipment – solche Bedingungen sind schwer zu finden. "Einen passenden neuen Ort zu finden, ist wie Lottospielen. Umzüge sind unglaublich teuer und aufwändig."
Ein Zuhause für Familien
Doch der Handwerkerhof ist nicht nur ein Arbeitsort - sondern für viele auch ein Zuhause. Peter Schmitz sitzt mit seinem Hund in der Werkstatt von Klaus Mildenberger, während Kinder im Hof spielen. "Wir wollen, dass unser Kind hier aufwächst, zur Schule geht und wir weiterhin mit den Handwerkern und Künstlern zusammenleben können. So einen Ort gibt es in ganz München kein zweites Mal. Der Gedanke, dass das alles verschwinden könnte, ist kein schönes Gefühl."
Chancen auf Erhalt
Die 14 Kunstschaffenden des Handwerkerhofs wollen gemeinsam mit Benoît Blaser (Bündnis 90/die Grünen), dem Vorsitzenden des Bezirksausschusses Perspektiven für den Hof schaffen. Blaser zeigt sich besorgt. "In unserem Bezirk vertreiben Investoren häufig Mieter. Leider hat die Stadt München wenig Möglichkeiten, Gewerberäume wie diese zu schützen." Doch er sieht auch Hoffnung: "Die Mieter haben durch ihre Öffentlichkeitsarbeit bereits einiges erreicht. Es gibt positive Beispiele, bei denen Investoren umgedacht haben."
Keine Seltenheit in Bayern
Was genau statt des Künstlerquartiers angesiedelt werden soll, ist unklar. In Protokollen des Bezirksausschusses ist von Tiefgaragen die Rede. Die Eigentümer haben auf eine Anfrage von BR24 bislang nicht reagiert. Blaser sagt, man versuche, den Hof durch Denkmalschutz zu retten. Doch auch in anderen Städten Bayerns, wie zum Beispiel in Nürnberg, mussten Kunstschaffende ihr Quartier wegen Luxussanierungen räumen. Die Chancen, das Künstlerquartier in der Rumfordstraße zu erhalten, stünden 50:50, meint Blaser.
Ein kreatives Erbe bewahren
Für Bildhauerin Angelika Binegger-Hörl und ihren Mann Ulrich ist der Hof ein inspirierender Ort. Während sie an einer Skulptur arbeitet, sagt sie: "Unsere Gemeinschaft hier ist einzigartig. Dieser Ort inspiriert uns. Es geht nicht nur um einzelne Werkstätten, sondern um ein Stück kulturelles Erbe." Gemeinsam hoffen sie, den Hof retten zu können. "Vielleicht können wir den Hof als Denkmal sichern. Es hat sich über die Jahre eine so tolle Gemeinschaft entwickelt, die es in der Innenstadt sonst nirgendwo gibt."
Die Zukunft des Handwerkerhofs bleibt ungewiss. In den nächsten sechs Monaten könnte sich entscheiden, ob er als kreativer Ort erhalten bleibt.
Immobilienverwaltung meldet sich zu Wort
Inzwischen (Stand 18.12.24, 13:30) hat sich die Ackermann-Gruppe schriftlich zu Wort gemeldet. Sie ist die zuständige Haus- und Immobilienverwaltung der Liegenschaft an der Rumfordstraße 36. In einem Schreiben an Mieter Klaus Mildenberger teilt Ackermann-Geschäftsführer Thomas Schwarzenböck mit, in Zusammenhang mit dem Verkauf der Immobilie samt Handwerkerhof würden nur noch zwei Optionen verfolgt, die sich "als beste für alle Beteiligten herausgestellt haben". Wörtlich heißt es in dem Schreiben, das dem BR vorliegt: "Dies sind der Verkauf an eine gemeinnützige Stiftung oder aber eine Ablöse einiger Bruchteilseigentümer durch bestehende." Mit Bruchteilseigentümer sind die verschiedenen Eigentümer der Immobilie gemeint. Laut Mitteilung des Haus- und Immobilienverwalters soll die Liegenschaft "nachhaltig und behutsam" entwickelt werden. Die finalen Kaufinteressenten hätten "einen lokalen Bezug zur Adresse." Demnach sind aus dem Bieterverfahren jene Investoren ausgeschieden, die einen Abriss der Hinterhof-Bebauung geplant hatten.
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