Innenminister Joachim Herrmann (CSU) plant, mehr Geld für Integration auszugeben. Das hat er in der "Münchner Runde" im BR-Fernsehen angekündigt: "Im Bundeshaushalt werden aktuell die Mittel für Integration gekürzt, wir haben sie im bayerischen Staatshaushalt erhöht." Dies werde "jetzt dem Landtag vorgelegt".
Insgesamt seien die Flüchtlingszahlen aber immer noch zu hoch: "Gleichzeitig müssen wir auch den Neuzugang deutlich reduzieren, weil so viel, wie es im letzten Jahr war, Deutschland auf Dauer nicht verträgt", sagte Herrmann.
Geplante Sammelunterkunft: Bürgerin will kein "Dorf im Dorf" haben
Die Unterbringung der Geflüchteten bringt Kommunen ans Limit, es werden wieder Turnhallen belegt und es sind Sammelunterkünfte geplant – bis zu 500 Menschen sollen dort untergebracht werden. So auch in Warngau im Landkreis Miesbach. Dort wehren sich viele der 3.800 Einwohner gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft. Bei einer Bürgerversammlung, an der etwa 400 Menschen teilnahmen, kam es Anfang Februar zu heftigen und lautstarken Protesten.
Auch Melanie Schlager hat die Versammlung besucht. Sie kommt aus einem Nachbarort von Warngau und ist eine Gegnerin der geplanten Unterkunft, wie sie in der "Münchner Runde" erklärt: "Am meisten regt mich auf, dass das einfach eine Massenunterkunft ist, wo 500 Leute reingepfercht werden – neben einer Mülldeponie." Ihre Befürchtung: Der Ort werde überfordert: "Wir schaffen das nicht, ein Dorf im Dorf zu haben."
Landrat warnt vor Instrumentalisierung der Proteste durch Rechte
Der Landrat von Miesbach, Olaf von Löwis (CSU) hat die Wut der Bürger von Warngau bei der Bürgerversammlung selbst zu spüren bekommen. Dort sei von Löwis als Gast geladen gewesen, um zu informieren. Es sei jedoch schwer für ihn gewesen, sich Gehör zu verschaffen, "mit Buhrufen" sei er empfangen worden. Am Ende, berichtet der Landrat, stürmten Menschen auf ihn zu, die Polizei habe einen Korridor bilden müssen, um ihn aus dem Saal zu führen.
Er verweist außerdem darauf, dass dort auch Vertreter der AfD und Werteunion anwesend gewesen seien, die "nicht aus dem Warngauer Bürgertum" stammten. Damit deutete er eine Unterwanderung der Proteste von Rechts an. Melanie Schlager entgegnete ihrem Landrat, sie und ihre Mitstreiter wollten "aus der rechten Ecke raus", damit könne sich keiner von ihnen identifizieren.
Nicht in eine Ecke gestellt werden wollte auch Korbinian Hein aus Rott am Inn im Landkreis Rosenheim. Aber auch er fürchtet eine Überforderung seines Dorfes – und engagiert sich gegen eine dort geplante Erstaufnahmeeinrichtung. Die Unterbringung scheitert seiner Meinung nach schon "an ganz banalen Dingen" wie der Abwasserentsorgung.
In seiner Gemeinde seien bereits 100 Geflüchtete integriert. Er macht sich Sorgen, dass die Integration weiterer Geflüchteter in einer Sammelunterkunft nicht gelinge. So seien auch die beengten Raumverhältnisse ein Problem. In Rott am Inn sollen 500 Geflüchtete in einer ehemaligen Gewerbehalle untergebracht werden.
Joachim Herrmann über Flüchtlingszahlen: "Es sind zu viele"
Innenminister Joachim Herrmann betont, dass er den Ärger vor Ort "sehr gut nachvollziehen" könne. Aber auch wenn er Verständnis für den Unmut über die Sammelunterkünfte äußert, erklärt er, dass es eben auch Widerstand gegen die geplante Verteilung von Geflüchteten auf mehrere Gemeinden gebe: "Wenn ich nachfrage, gibt es bei euch zehn Orte, die jeweils 50 aufnehmen wollen, wird mir gesagt: Gibt’s auch nicht."
Auch Landrat Olaf von Löwis berichtet, man habe sich in seinem Landkreis "intensiv" um eine Alternative zur Großunterkunft in Warngau bemüht, aber keine gefunden. Der Innenminister weist in der Sendung aber auch darauf hin, dass immer noch zu viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen: "Es sind zu viele, es sind zu hohe Flüchtlingszahlen." Dieses Problem müsse "auf Bundesebene" gelöst werden, so Herrmann.
Gülseren Demirel: "Geflüchtete brauchen nicht nur Bett und Dach"
Gülseren Demirel, die Sprecherin für Integration und Asyl der Grünen im bayerischen Landtag, kritisiert hingegen die Flüchtlingspolitik der Staatsregierung. Mit der Bereitstellung von Unterkünften sei es noch nicht getan. Für eine erfolgreiche Integration brauche es eben "nicht nur Bett und Dach".
Sie fordert, dass die "absurden Arbeitsverbote" aufgehoben werden müssten. Als Positivbeispiel nennt sie das benachbarte Baden-Württemberg: "Wenn man dort Arbeit hat, bekommt man auch eine Arbeitserlaubnis und eine Duldung." Die Bürgerinnen und Bürger würden nicht verstehen, "warum die Menschen nicht arbeiten, aber drei Jahre in einer Unterkunft leben."
Dass so viele Geflüchtete jetzt in Sammelunterkünften untergebracht werden, führt Demirel auch darauf zurück, dass viele der 2015 aufgebauten Unterbringungskapazitäten zu schnell abgebaut worden seien: "Diese hätten wir halten müssen, weil der Weltfrieden doch nicht ausbricht."
Auch sie spricht sich für "eher kleine Einheiten" aus, in denen Geflüchtete untergebracht werden sollten. Große Unterkünfte seien eine "Belastung für Geflüchtete und auch für die Anwohner." Sie sei sich sicher, dass es mehr Akzeptanz seitens der Bevölkerung geben würde, wenn die Unterbringung der Geflüchteten mit einem schlüssigen "Integrationskonzept" verbunden werden würde.
Bürger aus Rott am Inn appelliert an Solidarität unter den Gemeinden
Melanie Schlager aus Warngau bestätigt diese Einschätzung: "Wenn die Leute sich einbringen könnten, Arbeit finden könnten, dann schaut es wieder anders aus". Korbinian Hein aus Rott am Inn fordert eine Verteilung der Geflüchteten auf möglichst viele Gemeinden: "Wenn jeder einen Schritt wagt, wird weder Warngau noch Rott überfordert."
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