Das Sanierungskonzept ist angenommen, damit ist auch das Ende von Galeria-Kaufhof in Kempten besiegelt. Das Aus für das große Kaufhaus am nördlichen Ende der Fußgängerzone bedeutet erst mal eine Lücke für den Handel in der Innenstadt - aber auch eine Chance für Neues.
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Angst vor langem Leerstand
Buchhändler Christoph Schöll ist ein direkter Nachbar von Galeria-Kaufhof in Kempten. Seine große Befürchtung ist ein langer Leerstand. "Das würde das Gebäude sehr schnell zu einem Geisterhaus werden lassen", sagt er. Ihn macht deshalb nicht nur betroffen, dass rund 60 Galeria-Mitarbeitende ihren Arbeitsplatz verlieren werden, er hat auch Angst um sein Geschäft. Bis dato sei das Warenhaus ein Magnet gewesen, das auch ihm Laufkundschaft eingebracht habe. Wenn das Kaufhaus Ende Januar 2024 schließt, rechnet Schöll damit, dass auch ihm Kunden fehlen werden.
Gegenpol zum Einkaufszentrum
Bisher bildet Galeria-Kaufhof im Norden der Kemptener Innenstadt einen wichtigen Gegenpol zum Einkaufszentrum im Süden. Denn die Fußgängerzone ist mit 1,3 Kilometern außergewöhnlich lang. Damit Kunden und Kundinnen sie auch komplett ablaufen, muss sie durchgängig attraktiv sein, sagt Niklas Ringeisen, Geschäftsführer des Kemptener City-Managements. Dazu gehören auch starke Enden.
Er ist sich aber auch sicher, dass das Galeria-Gebäude nicht wie bisher von einem Händler genutzt werden kann. "Das sind fast 10.000 Quadratmeter Verkaufsfläche, das klappt nicht mehr. Es muss ein neuer Mix geschaffen werden", sagt er.
Mehr als nur Einkaufen
Statt nur Shopping kann er sich eine Mischung aus Einkaufen, Erlebnis, Arbeiten, Dienstleistung, Kultur und sogar Wohnen vorstellen. Es wäre ein Umbruch für den nördlichsten Punkt der Kemptener Einkaufs-Innenstadt, der allerdings weiter südlich schon sichtbar ist. In immer mehr ehemalige Läden ziehen zum Beispiel Gastro-Betriebe ein oder es lassen sich Dienstleister nieder. Ringeisen ist es darüber hinaus wichtig, die Stadt auch als Lebensraum nicht zu vernachlässigen. "Es kommen nicht nur Leute, die konsumieren wollen. Es leben auch Menschen hier. Wir müssen Räume für Jugendliche schaffen, für ältere Menschen oder Ärmere. Es muss auch kostenfreie Angebote geben."
Geänderte Bedürfnisse - mehr Aufenthaltsqualität
Mit dieser Offenheit und dieser Kreativität stößt das City-Management Kempten bei Stadtplanern wie Christian Hörmann von Cima, einem Unternehmen, das viele Kommunen bei der Stadtentwicklung berät, auf offene Ohren. Verschiedene Studien zeigten, dass immer weniger Menschen in die Innenstädte fahren, um zu shoppen. Die Einkaufsgewohnheiten haben sich durch den Onlinehandel und nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie verändert, erklärt Hörmann. War Einkaufen 2015 noch für 75 Prozent der Verbraucher ein Grund, in die Stadt zu fahren, lag der Wert laut Cima-Innenstadt-Studie 2022 bei 56 Prozent.
Das bedeute, die Städte müssten sich verändern, um weiter attraktiv zu bleiben und zum Beispiel mehr Aufenthaltsqualität, mehr Grün bieten; immer abhängig davon, was auch für das jeweilige Quartier passe oder nötig sei.
Einzelhändler müssen Mehrwert bieten
Dass sich die Kunden und Kundinnen geändert haben, bemerken auch die Einzelhändler. Dietmar Wolz ist Chef der Kemptener Bahnhofapotheke und Vorsitzender des City-Managements. Für ihn ist klar: "Wir Einzelhändler müssen uns anstrengen. Der Kunde kommt nicht automatisch, er ist nicht drauf angewiesen, dass er bei uns was kaufen kann."
Wer ein gutes Geschäft machen wolle, müsse deshalb mit Fachwissen und Service überzeugen. "Die Gäste in unserer Stadt müssen spüren, dass sie hier willkommen sind, egal, ob sie nur durchschlendern wollen, einen Kaffee trinken oder etwas kaufen möchten." Außerdem tragen laut Wolz auch Sauberkeit und Sicherheit dazu bei, die Aufenthaltsqualität in der Stadt zu verbessern.
Kempten steht gut da
Im deutschlandweiten Vergleich steht Kempten gut da und gilt als "starkes Zentrum", sagt Richard Schießl, Wirtschaftsreferent der Stadt Kempten. Einerseits natürlich aufgrund der Lage mitten im Allgäu, andererseits haben die Stadtverantwortlichen auch schon viel getan und zum Beispiel in Sitzmöglichkeiten investiert oder den Stadtpark unweit der Fußgängerzone umgestaltet. Darüber hinaus seien etwa 25 leerstehende Verkaufsflächen in der Einkaufs-Innenstadt sogar weniger als vor der Corona-Zeit. Vor vier Jahren seien es etwa 30 gewesen. Doch darauf dürfe man sich nicht ausruhen, sagt Schießl. Er drängt darauf, den Umbruch weiter aktiv mitzugestalten und neue Nutzungen in die Innenstadt zu bringen.
Aufbruch statt Umbruch
Die Stadt habe zwar keine Mitspracherecht, wem ein Eigentümer seine Immobile vermietet, könne aber vermittelnd auftreten. Niklas Ringeisen vom City-Management kann sich zum Beispiel vorstellen, einen Runden Tisch zu organisieren, um kreative Ideen für die Leerstände zu entwickeln und dabei jetzt erst mal vorrangig die Fläche von Galeria-Kaufhof ins Visier zu nehmen. Er klingt dabei ganz optimistisch: "Ich würde es nicht als Umbruch sehen, sondern eher als Aufbruch, und das ist auch immer eine Chance." Deshalb sehe er das Galeria-Aus in Kempten zwar als Herausforderung, aber eine, die man lösen könne.
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