Die Fußball-EM ist vorbei – was bleibt, ist eine Debatte darüber, wie es mit den zwischenzeitlich eingeführten Grenzkontrollen in ganz Deutschland weitergehen soll. Ginge es nach CSU-Chef Markus Söder, blieben sie überall bestehen. Und tatsächlich: Am Großteil der deutschen Grenzen tun sie das auch, auch an den bayerischen in Richtung Österreich und Tschechien.
Wo wird weiter kontrolliert und wo nicht? Welche Pläne hat die Staatsregierung mit der bayerischen Grenzpolizei? Was macht die überhaupt, wenn für Grenzsicherung doch die Bundespolizei zuständig ist? Und was sagen Bayerns Polizeigewerkschaften zum Stress für die Beamten? Fragen und Antworten.
Wo fallen Grenzkontrollen weg – und wo nicht?
Vor und während der EM gab es an allen deutschen Grenzen temporär verschärfte Kontrollen. Seit dem 19. Juli sind sie an den Grenzen zu Dänemark, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg weggefallen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte die Kontrollen dort nicht verlängert. Ihr Ministerium wies darauf hin, dass anlassbezogene vorübergehende Grenzkontrollen eine ernste Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit voraussetzten.
An knapp 75 Prozent der deutschen Auslandsgrenzen kontrolliert die Polizei aber vorläufig weiter – zum Beispiel nach Frankreich. Grund sind die Olympischen Spiele, die vom 26. Juli bis zum 11. August in Paris stattfinden. Um irreguläre Migration zu begrenzen und Schleuserkriminalität zu bekämpfen, wurden Richtung Polen, Schweiz und an der bayerischen Grenze zu Tschechien Grenzkontrollen eingeführt – und zwar schon im Oktober 2023, also nicht erst zur EM. Das Bundesinnenministerium hat die Maßnahme bereits bis zum 15. Dezember verlängert.
Noch weitaus länger gibt es verschärfte Kontrollen an der bayerisch-österreichischen Grenze, nämlich seit im Herbst 2015 viele Geflüchtete kamen. Seither werden diese Kontrollen immer wieder verlängert, aktuell bis 11. November. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will sie auch danach beibehalten.
Wozu gibt es eine bayerische Grenzpolizei – und was ist ihr Job?
Markus Söder richtete 2018 wieder eine bayerische Grenzpolizei ein – kurz nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten und als eine Reaktion auf die hohen Zuwanderungszahlen. Binnen sechs Jahren wurde die Polizeieinheit laut Innenministerium auf aktuell knapp 900 Beamte aufgestockt. Für stationäre Grenzkontrollen sind nicht sie zuständig, sondern, wie in ganz Deutschland, die Bundespolizei. In Abstimmung mit ihr übernehmen Bayerns Beamte einzelne Posten.
Die wohl wichtigste Aufgabe der bayerischen Grenzpolizei ist die Schleierfahndung – verdeckte, verdachtsunabhängige Personenkontrollen bis 30 Kilometer ins Land hinein. "Hier schließt die Grenzpolizei die Lücke zu den stationären, erkennbar uniformierten Kontrollstellen der Bundespolizei", erklärt Florian Leitner, bayerischer Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Es gehe um alle Arten grenzüberschreitender Kriminalität, "von Drogenhandel über Geldwäsche bis zur Schleusung".
"Die Kombination aus Schleierfahndung und stationären Kontrollen ist der Matchwinner", sagt Jürgen Köhnlein, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Bayern. So werde es auch praktiziert. Es gehe nicht um "24/7-Kontrollen mit Grenzübergangsstelle und Schlagbaum", so Köhnlein. "Von dem Bild muss man sich insgesamt lösen. Das ist auch nicht leistbar und auch nicht sinnvoll."
Im Video: An den deutschen Außengrenzen wird verschärft kontrolliert - ein BR24 vor Ort
Woran entzündet sich Kritik?
"Markus Söder darf diese Polizeieinheiten zwar so einfallsreich nennen, wie er will, sie haben aber trotzdem noch lange keine eigenen grenzpolizeilichen Befugnisse", sagt Florian Siekmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag. "Das bedeutet: kein unabhängiges Agieren an der Grenze, Kontrollmaßnahmen nur mit Erlaubnis des Bundes."
Die Grünen kritisieren seit Langem, es gehe dem CSU-Ministerpräsidenten bei der bayerischen Grenzpolizei mehr um Schlagzeilen und Bilder als um bestmöglichen Schutz. "Statt staufördernder stationärer Kontrollen, die leicht umfahren werden können, brauchen wir flexible mobile Kontrollen. So machen wir Schleuser gezielt dingfest und senken den Überstundenberg der Polizei", so Siekmann. Die anwachsenden Stellen werden laut Siekmann anderswo dringender gebraucht: bei der Polizei im ländlichen Raum, im IT-Bereich und bei der Schleierfahndung. "Dazu brauchen wir auch mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Polizeibereich."
Ministerpräsident Söder und Innenminister Herrmann verteidigen den Aufbau der bayerischen Grenzpolizei. Laut Herrmann hat die bayerische Grenzpolizei rund um die EM 90 Haftbefehle vollstreckt und 200 unerlaubte Einreisen festgestellt.
Wie soll es mit der bayerischen Grenzpolizei weitergehen?
Die Staatsregierung will die bayerische Grenzpolizei weiter aufstocken: auf 1.500 Beamte bis 2028. Laut DPolG-Landeschef Jürgen Köhnlein muss künftig "an verschiedenen Stellschrauben gedreht werden": Es brauche kontinuierliche Schulungen der Beamten, beispielsweise bei grenzüberschreitender Kriminalität und interkulturellen Kompetenzen, sowie moderne Technik wie Drohnen und mobile Geräte zur sofortigen Identitätsüberprüfung. Außerdem müsse die Kooperation mit den Nachbarländern Österreich und Tschechien intensiviert werden.
Der GdP-Landesvorsitzende Florian Leitner nennt die bayerische Grenzpolizei ein "Erfolgsmodell", das "Vorbildfunktion für andere Bundesländer" haben könne. Leitner weist jedoch auch darauf hin, dass man andere Teile der Landespolizei nicht vergessen dürfe: "Hier fehlt es an Personal. Es ist für uns ein No-Go, dass kleine Dienststellen schließen müssen, weil sie den Schichtdienst nicht mehr aufrechterhalten können", so Leitner.
- Zum Artikel: Bayerische Grenzpolizei: Unverzichtbar oder Rechtsbruch?
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