Mehr als 30 Jahre lang war er politisch aktiv – für die CSU. Theo Waigel, der Kämpfer für Europa. Und das bis heute: "Ich bin Optimist, und ich bin auch überzeugt, dass dieses Europa Bestand haben wird. Wir brauchen allerdings eine Elite junger Menschen, die sich für Europa einsetzen. Nichts ist selbstverständlich, nichts bleibt für ewig gewährleistet."
Warum Frieden für Waigel so wichtig war
Für Waigel war besonders wichtig: Europa sorgt nicht nur für Wohlstand, sondern auch für Frieden. Er selbst musste früh erleben, was Krieg bedeutet. Geboren 1939 bekommt er das ganze Leid und Elend des Zweiten Weltkriegs zu spüren. Sein einziger Bruder muss an der Front in Frankreich kämpfen und schickt immer wieder Feldpostbriefe nach Hause. Theo Waigel erinnert sich: "Er schreibt an einer Stelle an die Eltern: 'Was denkt ihr über den scheiß Krieg?' Ich habe mich gewundert, dass das durch die Zensur gegangen ist. Und dann schreibt er - wenige Tage vor seinem Tod: 'Manchmal wäre ich froh, wenn alles vorbei ist. Aber man lebt doch gern'. Drei Tage später war er tot." Da war der Bruder erst 18 Jahre alt.
Waigel: Vermittler zwischen zwei Machtmenschen
Theo Waigel wächst in Oberrohr im Landkreis Günzburg auf. 1972 wird er Bundestagsabgeordneter. Nach der Regierungsübernahme von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) wurde er 1982 CSU-Landesgruppenchef im Bundestag. Immer wieder muss Waigel zwischen zwei Machtmenschen in der Union vermitteln – zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß.
Zu Kohl pflegt er ein freundschaftliches Verhältnis. Den Respekt von Strauß muss Waigel sich erst verdienen: "Viele Politiker sind nicht bereit, auch mal Fehler einzugestehen. Bei Strauß habe ich erlebt, als ich ihm widersprach und er wütend war, dass er nach einer Stunde zu mir herkam und sagte: 'Sie haben eigentlich recht'. Das findet man ganz selten. Das ist Größe, zu eigenen Fehlern zu stehen und daraus zu lernen."
Theo Waigel: Namensgeber für den Euro
1988, nach Strauß' Tod, wird Waigel CSU-Parteichef, ein Jahr später Bundesfinanzminister. Bei der deutschen Wiedervereinigung spielt er an Kohls Seite eine Schlüsselrolle. Noch bekannter wird er ein paar Jahre später – als Namensgeber für den Euro. Denn wie die neue gemeinsame Währung heißen soll, darauf konnten sich die Länder zunächst nicht einigen. Bis Waigel den Begriff Euro vorschlägt: "Und dann kam Jean-Claude Juncker und sagt noch: 'Aber das klinge nicht sehr erotisch'. Da habe ich gesagt, Jean-Claude, du bist auch nicht mehr der Jüngste. Hauptsache, es klingt eurotisch, und darauf haben wir uns dann geeinigt." Seither trägt Waigel den Spitznamen "Mister Euro".
Den Euro muss er damals gegen viele Kritiker - sogar aus der eigenen Partei CSU - verteidigen, sieht sich aber bestätigt: "Wir wären in einer katastrophalen Situation, wenn wir jetzt in Europa 30 oder 35 verschiedene Währungen hätten, jeden Tag Ab- und Aufwertungen. Wir wären ein Spielball des Dollars und der Chinesen und anderer Dominanten im Weltwährungssystem."
Waigel verliert gegen Stoiber
Zum bayerischen Ministerpräsidenten, dem angeblich schönsten Amt der Welt, hat es für Waigel allerdings nicht gereicht. In einem erbitterten Machtkampf unterliegt er 1993 dem jüngeren Rivalen Edmund Stoiber. Waigel beklagte damals ein schmutziges Spiel, das Stoibers Leute mit gestreuten Gerüchten über seine zerrüttete erste Ehe und die Liaison mit Irene Epple gespielt hätten. In den starken Stoiber-Jahren zog sich Waigel weitgehend zurück.
2002 beendet Waigel recht überraschend seine politische Karriere. 2009 wurde er zum CSU-Ehrenvorsitzenden ernannt. Er lebt mit seiner zweiten Frau, der Skirennläuferin Irene Epple, in Seeg im Allgäu. Er gilt als Politiker mit Bodenhaftung und Humor.
BR24 Retro: "Theo Waigel wird 85"
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