Anja Kohl, Sebastian Krumbiegel, Hans Werner Kilz, Margot Käßmann und Christian Neureuther am Sonntags-Stammtisch
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Über Waffenlieferungen diskutierten am Sonntags-Stammtisch Sänger Sebastian Krumbiegel (2. v. li.) und Margot Käßmann (2. v. re.).

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Theologin Käßmann kritisiert öffentlichen Umgang mit Pazifisten

Theologin Käßmann kritisiert öffentlichen Umgang mit Pazifisten

Die evangelische Theologin Margot Käßmann sprach sich beim BR-Sonntags-Stammtisch für Abrüstung aus. Sebastian Krumbiegel, Frontmann von "Die Prinzen", sagte dagegen: "Es gibt verschiedene Wege zum Frieden."

Über dieses Thema berichtet: Der Sonntags-Stammtisch am .

"I have a dream", predigte Martin Luther King 1963 und warb mit seiner legendären Rede für die Gleichstellung von Afroamerikanern und weißen US-Bürgern. Die junge Margot Käßmann faszinierte die Rede damals. Gefragt, wovon die 66-Jährige denn heute träume, antwortete die evangelische Theologin beim Sonntags-Stammtisch im BR Fernsehen: "Zum einen würde ich mir wünschen, dass endlich wieder Abrüstung ein Thema ist und nicht ständig Aufrüstung."

Zum anderen beschäftige sie die Armut in Deutschland, insbesondere Kinderarmut. "Wenn ich dann höre, dass 100 Milliarden an Sondervermögen da sind für Rüstungsfragen und vier Milliarden jetzt beschlossen wurden für Kitas, dann weiß man, wo die Prioritäten im Land sind."

Käßmann: Waffensegnungen seien "Blasphemie"

Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland sprach sich in der Vergangenheit häufig gegen Waffenlieferungen aus. Statt aufzurüsten, sollte die deutsche Politik eher die Zivilgesellschaft und Opposition in Ländern wie Russland oder dem Iran stärken, etwa mit Kultur- und Städtepartnerschaften.

Käßmann begründete ihre Haltung mit einem christlichen Pazifismus: "Mit Jesus kannst du keine Waffengewalt begründen". Anders sah dies Sebastian Krumbiegel. Der Frontmann der Band "Die Prinzen" warf ein, das Christentum habe auch eine blutige Geschichte und erinnerte an die Kreuzzüge. Käßmann entgegnete: "Für mich sind die Kirchen immer in die Irre gegangen, wenn sie Waffen gesegnet haben".

Die Theologin kritisierte in diesem Zusammenhang auch den Patriarch Kyrill I., mit dem sie 20 Jahre lang im Zentralausschuss des ökumenischen Rates der Kirchen gesessen habe. Nun unterstütze er Putins Krieg und segne Waffen. Käßmann sagte: "Für mich ist das Blasphemie, was er da macht."

Margot Käßmann am Sonntags-Stammtisch
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Die Theologin Margot Käßmann kritisierte am "Sonntags-Stammtisch" im BR Fernsehen den öffentlichen Umgang mit Pazifisten.

Sebastian Krumbiegel: "Es gibt verschiedene Wege zum Frieden"

Sänger Krumbiegel bezeichnete sich am Sonntags-Stammtisch zwar wie Käßmann als Pazifist, zog aus dieser Haltung jedoch andere Schlüsse als die Theologin. "Es gibt verschiedene Wege zum Frieden. Man kann nicht nur mit guten Worten und mit Verhandlungen Frieden erreichen", sagte er. Dies zeige auch die Geschichte. "Wir würden heute in einem anderen Land leben, wenn sich damals nicht die Welt gegen die Faschisten gestellt hätte", sagte er. "Wir würden heute unterm Hakenkreuz leben. Es würde heute kein einziger jüdischer Mensch mehr leben, wenn damals nicht mit Waffengewalt dem entgegengetreten worden wäre."

Sebastian Krumbiegel am Sonntags-Stammtisch
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Manchmal brauche es Waffengewalt, um Frieden zu erreichen, argumentierte Sebastian Krumbiegel am "Sonntags-Stammtisch".

Kritik am Begriff "Lumpen-Pazifismus"

Margot Käßmann kritisierte nicht nur die Waffenlieferungen an sich, sondern auch die öffentliche Debatte über das Thema. Konkret sprach sich die evangelische Theologin gegen Begriffe wie "Lumpen-Pazifismus" aus. So hatte der Publizist Sascha Lobo 2022 einen Teil der deutschen Friedensbewegung in seiner Spiegel-Kolumne (externer Link) bezeichnet. Ihre Haltung werde dadurch lächerlich gemacht, kritisierte Käßmann. Sie selbst respektiere andere Meinungen und warb für einen respektvolleren Dialog.

Die Theologin sagte zudem, sie finde es "merkwürdig", dass der Wunsch der Bevölkerungsmehrheit, keine Waffen zu liefern, so oft übergangen werde. Tatsächlich waren laut einer Ipsos-Umfrage (externer Link) aus dem September 2024 rund 51 Prozent der Befragten der Meinung, dass Deutschland keine weiteren Waffen mehr an die Ukraine liefern sollte.

Die Theologin sieht die Wahlergebnisse der Parteien BSW und AfD auch darin begründet, dass diese Parteien in der Wahrnehmung der Wählerinnen und Wähler für Frieden einstünden. Sie finde dies "fatal". Denn sie glaube nicht, "dass eine Partei, die Unfrieden im eigenen Land sät, wirklich international für Frieden eintreten kann". 2023 hatte Käßmann das "Manifest für den Frieden" von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht unterzeichnet.

Frontsänger Krumbiegel sprach sich ebenso für eine respektvolle Debatte aus. Man müsse "mehr miteinander reden und nicht gegeneinander reden". Am Stammtisch sei dies an diesem Sonntag gut gelungen. Man habe mit einer "charmanten Unkrawalligkeit" diskutiert, lobte der Sänger.

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