Antiquiert und nicht mehr zeitgemäß – so beurteilen SPD und Grüne im Landtag unangekündigte Tests wie Exen und Abfragen an Bayerns Schulen. "Die Vorstellung, nur mit Druck könne man Kinder zu Leistung bringen, ist längst völlig überholt", sagte die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Nicole Bäumler, in der ersten Plenardebatte nach der parlamentarischen Sommerpause.
Solche unangekündigten Tests würden Schülerinnen und Schülern die Freude am Lernen nehmen und stattdessen unnötig Angst und Stress auslösen. Mit einem Dringlichkeitsantrag forderten die Sozialdemokraten deshalb, Exen, Stegreifaufgaben und Abfragen "zum Wohl der Kinder" abzuschaffen. Vielmehr sorgen angekündigte Tests laut Bäumler für weniger Stress, nachhaltigeren Lernerfolg und größere Freude am Unterricht – das sei das Ergebnis von Studien.
Söder spricht Machtwort – und zieht damit Kritik auf sich
Die Staatsregierung selbst hatte die Debatte um Exen und Abfragen erst neu ins Rollen gebracht. Zu Schuljahresbeginn hatte Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) gesagt, sie wolle die Zahl der Leistungsnachweise genau "unter die Lupe nehmen" und diskutieren, inwieweit sie angekündigt sein sollen. Dazu brauche es einen engen Austausch mit der "Schulfamilie", also mit Lehrkräften, Schulleitungen, Eltern und Schülern. Das Thema Druck sei in ihren zahlreichen Gesprächen der vergangenen Monate allgegenwärtig gewesen, so Stolz.
Noch bevor irgendein Konzept aus dem Kultusministerium vorlag, stellte CSU-Ministerpräsident Markus Söder jedoch unmissverständlich klar: "Exen und Abfragen werden natürlich bleiben." Eine Abschaffung würde "die Leistungsdichte verschlechtern", so Söder bei der CSU-Fraktionsklausur. Das Machtwort des Ministerpräsidenten zog Kritik von Lehrerverbänden und Elternvertretern nach sich.
Grüne wollen mehr intrinsisch motiviertes Lernen
"Söder, unser neuer Kultusminister" – so kommentierte Gabriele Triebel, bildungspolitische Sprecherin der Grünen, die Aussagen des Ministerpräsidenten. Unangekündigte, benotete Leistungsnachweise brächten nichts als Angst. Ministerin Stolz sei auf dem richtigen Weg. Es brauche eine Prüfungskultur, "die mehr Freiraum zum Lernen durch intrinsische Motivation gibt und damit Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit fördert", so Triebel. Söder habe den Dialog "mit einem Handstreich von Tisch gewischt", sagte SPD-Politikerin Bäumler. Es verwundere, "wie man eine konstruktiv geführte Debatte und die Expertise von Fachleuten bar jeder Kenntnis der Materie einfach übergeht".
SPD und Grüne wiesen auf die Petition einer Münchner Schülerin hin. Sie trägt den Titel: "Schluss mit Abfragen und Exen!" Bis Donnerstagabend hatte die Petition rund 20.500 Unterschriften gesammelt. Angesichts von insgesamt rund 500.000 Schülerinnen und Schülern an Gymnasien, BOS, FOS und Realschulen, an denen es unangekündigte Tests gibt, zeigte sich die CSU-Abgeordnete Ute Eiling-Hütig wenig beeindruckt von der Unterstützung: "Aus der Mitte der Schülerschaft scheint es also kein großer Wunsch zu sein."
CSU: Müssen Jugendliche auf Druck im Berufsalltag vorbereiten
Leistungskontrollen seien naturgemäß mit Druck und Stress verbunden, so Eiling-Hütig, auch wenn diese angekündigt sind. "Genau diesen Druck und diesen Stress werden die jungen Menschen aber auch später im Berufsalltag erleben – und darauf müssen wir sie vorbereiten." Außerdem stehe es Schulen bereits jetzt frei, auf unangekündigte Tests zu verzichten.
Es sei nicht sinnvoll, Schüler "in Watte zu packen", sagte Oskar Atzinger, bildungspolitischer Sprecher der AfD. "Irgendwann werden sie in der harten Lebenswirklichkeit aufschlagen." Eine Abschaffung von Stegreifaufgaben und Abfragen hätte ein "Absenken des Bildungsniveaus zur Folge", so Atzinger.
Stolz will Dialog über "zeitgemäße Prüfungskultur" starten
Zum Ende der Debatte im Landtag bat dann Kultusministerin Anna Stolz um das Wort. Die FW-Politikerin betonte die Notwendigkeit einer "zeitgemäßen Prüfungskultur", insbesondere vor dem Hintergrund digitaler Entwicklungen wie zum Beispiel KI: "Dieser Dialogprozess ist nicht abgebrochen, sondern den starten wir jetzt." Es gelte, darüber nachzudenken, "ob wir an der ein oder anderen Stelle Druck rausnehmen müssen". Immer weniger von den Kindern zu verlangen, könne jedoch nicht die alleinige Lösung sein, so die Ministerin: "Wir sind gegen generelle Verbote."
Eine Mehrheit aus CSU, Freien Wählern und AfD lehnte den Dringlichkeitsantrag der SPD ab.
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