Landwirt Michael Schubert hat seinen Mähdrescher verkauft, er hält nur noch Angus-Rinder auf Naturschutz-Weideflächen und neuerdings auch unter Solarmodulen von Freiland-Fotovoltaikanlagen im Raum Kronach. Ungewisse Erträge auf schlechten, steinigen Böden hat er getauscht gegen sichere Einnahmen vom Solarstrom-Investor Münch-Energie.
Schubert hat in einem großen Solarpark der Firma Münch zwei Hektar auf 20 Jahre verpachtet. Mit 3.000 Euro je Hektar Solarstrom-Pacht im Jahr sieht er sich als Gewinner der Energiewende. Innerhalb des eingezäunten Solarparks lässt er Angus-Rinder grasen. Dafür erhält er zusätzlich rund 1.000 Euro mit einem 20 Jahre laufenden Pflegevertrag. Schubert ist auch Eierproduzent und will künftig sogar Legehennen in Münchs Solarparks samt mobilem Stall halten. Das Hühnervolk genießt die Solarmodule als Schutz gegen Raubvögel. Rinder schätzen im Sommer den Schatten unter den Modulen.
Milchbauer verliert Futterfläche
Als Verlierer des aktuellen Baubooms von Freiflächen-Fotovoltaikanlagen sieht sich hingegen Milchbauer Johannes Bergner im Landkreis Kronach. Seine Familie lebt von der Milchwirtschaft mit einem modernen Laufstall und Kühen mit 10.000 Liter Milchleistung pro Kuh im Jahr. Das ist Spitzenleistung. Dafür benötigt er eiweißreiches Kleegras von 40 Hektar Äckern. Fünf Hektar verliert er nun, weil der Eigentümer der Fläche an den Solarstrom-Investor Münch-Energie verpachtet. Ausgleichsflächen sind ihm versprochen. Aber er hat sie noch nicht. Investor Münch sucht noch.
Bergner will langfristig für seinen Betrieb planen, hat einen 15-jährigen Sohn, der den Betrieb übernehmen möchte. Sein Konflikt: Seine Gemeinde Tettau möchte ihren Beitrag zur Energiewende leisten und klimafreundlichen Strom auch für die Bürger anbieten. 25 Cent je Kilowattstunde Strompreis garantiert der Investor den Bürgern und sechs bis sieben Prozent Rendite für jene, die sich finanziell am Solarpark beteiligen wollen.
Wertschöpfung in der Region halten
Mario Münch, Geschäftsführer von Münch-Energie, erarbeitet mit Gemeinden und mittels Bürgerbefragungen Konzepte für große Solarparks mit Dutzenden von Hektar Fläche. Nur so würden sich teure Einspeisepunkte und Umspannwerke ins Stromnetz rechnen. Nur so könne man Bürgerproteste und Zwist in den Gemeinden vermeiden, erklärt Münch. Im Tettauer Ortsteil Langenau etwa regt sich Bürgerprotest, weil die geplante PV-Anlage in Sichtweite der Dorfbewohner entsteht. Da gibt es offenbar noch Gesprächsbedarf.
Sonnenstrom in Bauernhand
Konflikte in den Gemeinden vermeiden und die Rendite von PV-Anlagen in der Hand der Landeigentümer und der Landwirtschaft halten, darum bemüht sich aktuell der Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbandes, Ely Eibisch. Er betreibt selbst in Eigenregie seit vier Jahren eine Freiflächen-PV-Anlage auf vier Hektar Land. Sein Appell an die Landwirte: Sie sollen sich zusammentun, mit Land und Kapital und mit Bürgern. Inzwischen brauchen Solarparks mindestens zehn Megawatt Stromleistung, damit sich eine solche 7,5 Millionen-Investition auch rechnet. Aber dann, so Eibisch, bleibe die Wertschöpfung garantiert in der Region.
Sein Rat an alle, die lukrative Angebote von Investoren bekommen: Sie sollten sich an den Bayerischen Bauernverband wenden, der die Verträge auf juristische und finanzielle Fallstricke prüfe. Oft werde von Verpächtern nicht hinterfragt, was mit den Flächen nach Ablauf der 20 Jahre garantierten Verpachtung geschehe. Sind sie dann überhaupt noch Ackerland? Oder sind sie künftig Gewerbefläche mit all ihren steuerlichen und erbrechtlichen Folgen?
Nur zwei Prozent der Fläche reichen
Mario Münch, einer der großen bundesweit tätigen Betreiber von Freiflächen-Fotovoltaikanlagen, warnt auch vor Investoren, die mit gar zu traumhaften Renditen winken. Seine Strategie: Alle müssten profitieren; Landwirte, Landeigentümer, Bürger und auch die Industrie. So könne die Landwirtschaft mit preisgünstigem Sonnenstrom Arbeitsplätze sichern, Hausbesitzern zu günstigem Strom etwa für Wärmepumpen verhelfen, kurzum: Landwirtinnen und Landwirte könnten wieder zu "Versorgern" in der Region werden.
Zwei Prozent der Agrarflächen würden nach Münchs Rechnung ausreichen, um ganz Deutschland mit klimaneutralem Strom zu versorgen. Wenn man es klug anstelle, dann sei kein Streit um Flächen nötig. Münch verweist auf China. Dort baue man aktuell in drei Monaten so viel Fotovoltaik-Fläche, wie Deutschland in den vergangenen 30 Jahren errichtet hat. Ely Eibisch vom Bauernverband wirft als Argument noch ein, man solle in den Gemeinden darauf achten, dass ertragsschwache Standorte für Sonnenstrom genutzt werden und nicht die besten Böden mit den höchsten Erträgen für Nahrungsmittel.
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