"Was ich ganz deutlich spüre: Wir haben den Schulterschluss mit der Gesellschaft geschafft", sagt Hermann Kästle, Sprecher des Verbands "Land schafft Verbindung Nordschwaben" (LSV). Von der Bühne aus blickt er auf die rund 700 Teilnehmer, dahinter 540 Traktoren, einige Lkw. Handwerker, Metzger, Bäcker, Lkw-Fahrer, Gastronomen und vor allem Landwirte sind zur Kundgebung in Dillingen gekommen.
Viele von ihnen sind seit Montag unterwegs. Bei Eiseskälte hören sie den Rednern zu, klatschen, pfeifen. "Das ist unser eigentliches Ergebnis, dass wir es aus dem Einzelschicksal Landwirtschaft geschafft haben, wieder in die Gesellschaft rüber zu kommen", präzisiert Kästle seine Zwischenbilanz nach fünf Tagen Bauernprotest.
Junger Landwirt: "Wir brauchen mehr Planungssicherheit"
Was sie als junge Landwirte vor wenigen Jahren in der Ausbildung gelernt hätten, sagte Steffen Berchtold von der Jungbauernschaft im Landkreis Dillingen, zähle inzwischen schon nicht mehr. Sie wüssten gar nicht mehr, wie sie ihre Betriebe ausrichten sollten. Wolle jemand einen Stall bauen, vergehe zwischen Bauantrag und Baubeginn wegen der Bürokratie oft sehr viel Zeit. Die Folge sei, dass ein Landwirt gar nicht wisse, ob er in dem Stall, den er geplant hatte, überhaupt noch Tiere halten dürfe, weil sich die Regelungen zu oft änderten. Deshalb forderte er mehr Planungssicherheit für die Zukunft der Landwirte.
Aber die Landwirte machen auch eines klar: Ändert sich nichts, werden sie weitermachen mit ihrem Protest. Es sei noch ein weiter Weg, so Berchtold, und es sei wichtig, dass die Politik jetzt die künftigen Gespräche ernst nähme, sonst, so wörtlich "kommen wir wieder".
Landrat fordert praxistaugliche Gesetze
Auch einige regionale Politiker kamen zur Demo. Oberbürgermeister Frank Kunz sagte, er und die Stadt seien dankbar für die Landwirte. "Wir sind froh, dass es Euch gibt", so Kunz. Als überzeugter Demokrat sei er der Meinung, es würde der Politik gut stehen, dort hinzugehen, wo die Menschen sind und sich mit ihnen austauschen. Die Landwirte seien als Nahrungsmittel- und Energieproduzenten eine tragende Säule für die Region.
Landrat Markus Müller (FW) betonte, es sei wichtig für eine dynamische Entwicklung des Landkreises, dass es Menschen wie sie, die bürgerliche Mitte, gebe, die investierten, die an sich glaubten. Menschen, die Ziele, Ideen und Visionen hätten und die in der Region investieren sowie Arbeitsplätze schaffen würden. "Davon lebt unsere Heimat", so der Dillinger Landrat. Die stetig wachsende Bürokratie mache auch seinen Mitarbeitern am Landratsamt zu schaffen. Deshalb forderte er praxistaugliche, einfache Gesetze, mit denen "wir alle miteinander leben können".
Gastronomen: Keine zusätzlichen Belastungen
Josef Stark vom Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA im Kreis Dillingen warnte die Politik: "Was zu viel ist, ist zu viel! Finger weg von zusätzlichen Belastungen für lebensmittelerzeugende und -verarbeitende Betriebe." Auch ein Vertreter der Metzger betonte den Zusammenhalt mit den Landwirten. "Wir stehen an der Seite von Euch Landwirten", so Lars Bubnick, der Geschäftsführer des deutschen Fleischverbands. Er kündigte an, in der nächsten Woche auch zur Demo nach Berlin zu fahren.
Protestfahrt durch Dillingen
Kreisbäuerin Annett Jung hatte das letzte Wort bei der etwa eineinhalbstündigen Kundgebung. Sie forderte eine Steuerbefreiung auch für Biodiesel und endete mit den Worten: "Zu viel ist zu viel. Jetzt ist Schluss", wofür sie viel Beifall bekam. Mit Plakaten wie "Hampelmannregierung – nein Danke" oder einem Güllefass mit der Aufschrift "Eine Lieferung politischer Versprechen" machten sich die Teilnehmer dann mit den über 500 Traktoren auf den Weg zu einer Protestfahrt durch die Stadt Dillingen. Die Veranstaltung verlief friedlich.
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