Für Erika Sauer aus Moosbach in der nördlichen Oberpfalz ist es die schönste Art, Landwirtschaft zu betreiben: draußen sein auf der Weide mit Kühen und Kälbern, die Tiere streicheln, den Stier kraulen. Was nach klischeehafter Idylle klingt, hat seinen Sinn. Streicheln und Kraulen sorgt dafür, dass ihr rotes Höhenvieh menschenbezogen ist und im Winter bei der Stallarbeit keine Gefahr von den Tieren ausgeht. Doch zur Mutterkuhhaltung gehört viel mehr, als nur Kälbchen zu streicheln. Es ist ein mühsames und langwieriges Geschäft.
Hohe Arbeitsbelastung von Mutterkuhhaltern
Das bestätigt Erika Sauers Kollege Karl Obermeier aus Freudenberg im Landkreis Amberg-Sulzbach. Er gehört mit seinen 135 Angus-Rindern zu den größeren Mutterkuhhaltern in Bayern. Die Tiere stehen auf zehn Weiden rund um seinen Hof und jetzt im Sommer ist er täglich drei Stunden allein damit beschäftigt, die Stromzäune zu überprüfen und zu kontrollieren, ob alle Tiere genügend Wasser zur Verfügung haben.
Dazu kommen Sommerarbeiten wie Wiesen-Mähen, um genügend Heu für den Winter zu gewinnen oder das Ausmähen der Stromzäune. Das ist besonders bei den Anti-Wolfszäunen wichtig, die eine Stromlitze nah am Boden haben, damit der Wolf nicht darunter durchkriechen kann. Wenn allerdings das Gras die Litze überwuchert, führt sie keinen Strom mehr und wird unwirksam.
Petra Obermeier kümmert sich täglich mindestens zwei Stunden um Bürotätigkeiten. Und richtig rund geht es, wenn sie gemeinsam im eigenen Schlachthaus die Tiere schlachten und zerlegen, zu Wurst oder Burger-Patties verarbeiten und direkt an Kunden verkaufen. Nicht zu vergessen die Stallarbeit im Winter, die Sorge während der Abkalbezeiten um die Kühe und Kälber. Trotzdem geht Karl Obermeier noch zweimal die Woche sechs Stunden außerhalb des Hofs in die Arbeit. Denn ganz würde es sonst nicht reichen für die vierköpfige Familie.
Nur kleinere Herden
Die Vorsitzende des Fleischrinderverbandes Bayern, Erika Sauer, bestätigt, dass Mutterkuhhaltung allein nicht reicht, um eine Familie zu ernähren. Denn Mutterkuhhaltung bedeutet ja nur, dass eine Kuh ein Kalb bekommt, das sie innerhalb einer Saison aufzieht und das dann im Alter von etwa zehn Monaten verkauft wird. Alle weiteren Tätigkeiten vieler Mutterkuhhalter gehören eigentlich zu anderen Feldern in der Landwirtschaft, sagt Sauer. Das Mästen der Kälber noch zwei weitere Sommer zu Rindern etwa oder die Direktvermarktung gehören streng genommen nicht zur Mutterkuhhaltung.
Am einzelnen Tier verdiene sie sehr wohl, so Sauer, doch angesichts geringerer Herdengrößen könnten die Mutterkuhhalter in Bayern im Schnitt nur etwa zehn bis 15 Tiere pro Jahr vermarkten. Deshalb betreiben fast alle Mutterkuhhalter in Bayern diese Art der Tierhaltung im Nebenerwerb.
Ein weiteres Problem ist, dass die landwirtschaftlichen Flächen begrenzt und die Pachtpreise hoch sind. Mit nur einem Kalb pro Kuh im Jahr und den geringen Vermarktungszahlen können die Mutterkuhhalter nicht konkurrieren mit Milcherzeugern oder Biogasanlagenbetreibern. Erika Sauer sagt: "Ich verpachte die Fläche an einen Energieerzeuger oder lasse eine Photovoltaik-Anlage draufstellen und dann habe ich mehr davon verdient."
Schwierige Vermarktung in ländlicher Region
Dabei zahlen ihre Kunden im Hofladen ohnehin schon mehr als beim örtlichen Metzger. Aber der Kreis derer, die dazu bereit sind, ist hier in der nördlichen Oberpfalz begrenzt. Doch einen Laden in der Großstadt, in München oder Regensburg, zu eröffnen, ist für eine Nebenerwerbslandwirtin wie Erika Sauer unmöglich. Auch ihr Tag habe nur 24 Stunden, erklärt sie. Ihr fehle die Logistik, um einen Laden in der Stadt zu betreiben. Und eine Genossenschaft sei auch schwierig bei 30 verschiedenen Rassen, die unterschiedliches Fleisch liefern. Der Verbraucher wolle jede Woche das gleiche Fleisch in gleicher Qualität.
Um von der Mutterkuhhaltung leben zu können, reichen auch die verschiedenen staatlichen Förderungen nicht aus, wie etwa die Förderung aus dem Kulturlandschaftsprogramm, wenn das Weidevieh Naturschutzflächen pflegt.
Nur in Ausnahmefällen rentabel
Mutterkuhhaltung ist nur dann lukrativ, so Erika Sauer, wenn sie in ein Gesamtkonzept passt, also zum Beispiel, wenn Landwirte eine Gastwirtschaft betreiben und das Fleisch dort vermarkten. Oder wenn ein Erlebnisbauernhof das Hauptstandbein und die Mutterkuhherde eine der Attraktionen auf dem Hof ist. Oder wenn die Mutterkuhhalter die Tiere selbst schlachten, in der Hofmetzgerei verarbeiten und direkt vermarkten.
So wie Familie Obermeier in Freudenberg. Ihre Tiere müssen den Hof von der Geburt bis zur Schlachtung nicht verlassen. Die Obermeiers verkaufen das Fleisch ihrer dreijährigen Rinder direkt an drei Kantinen in der Region, an einen Metzger in Möhrendorf und an Hotels im Bayerischen Wald. Sie wünschen sich, dass vor allem Gastronomie und Kantinen stärker auf Regionalität achten.
Doch trotz des Spagats zwischen naturnah erzeugtem Lebensmittel und ausreichendem Ertrag für den Bauern bleibt es für Karl der schönste Beruf der Welt und seine absolute Leidenschaft.
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