Die Schmids aus der Oberpfalz betreiben einen Hof mit 580 Milchkühen.
Bildrechte: BR/Tobias Hildebrandt

Im Melkkarussell der Schmids können pro Stunde 200 Kühe gemolken werden.

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Wie sich ein Stall für 600 Kühe rechnet

Die Schmids aus der Oberpfalz haben einen Stall für knapp 600 Kühe gebaut – vor zehn Jahren. Das war damals für bayerische Verhältnisse sehr groß und ist es auch heute noch. Trotz aller Krisen scheint das Geschäftsmodell aufzugehen.

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"Man sieht schon, dass wir älter geworden sind, ein bisschen grauer", sagt Milchbauer Jürgen Schmid und lacht, als er sich das zehn Jahre alte Videomaterial ansieht. 2014 hat der BR erstmals über die Schmids aus Breitenbrunn in der Oberpfalz berichtet und ist dran geblieben: Aus dem Stall-Bau für 580 Kühe ist die Serie "Stallgeschichten" geworden. Die drei Bauern – Senior Chef Heinrich und seine beiden Söhne Stefan und Jürgen – wurden in der Szene bekannt. Manche feierten sie als mutig, andere sahen ihr Projekt als industrielle Tierhaltung eher kritisch.

150 Fußballfelder Gras als Futtervorrat

Zehn Jahre nach den ersten Dreharbeiten war der BR wieder vor Ort in der Oberpfalz. Der zweite Grasschnitt steht an. Mehrere Traktoren fahren das Gras auf den Hof ins Fahrsilo. Dort soll es später, abgedeckt unter einer Plane, von Milchsäurebakterien haltbar gemacht werden. Dann nennt man es Silage. "Das läuft bei uns eigentlich genauso ab wie bei allen anderen auch", sagt Stefan Schmid, der gerade auf einem Traktor sitzt und über das Gras vor- und zurückfährt, um die Ernte im Silo zu verdichten. Der Unterschied sind die Dimensionen: Der Grashaufen ist schon am Morgen mehrere Meter hoch. Der Schnitt von einer Fläche ungefähr so groß wie 150 Fußballfelder kommt ins Silo.

Hof 13-mal größer als der bayerische Durchschnittshof

Denn die Kühe haben Hunger. Eine Milchkuh kann bis zu 50 Kilo pro Tag fressen. Entsprechend groß sind die Vorräte. Mit ihren 580 Kühen sind die Schmids 13-mal größer als der bayerische Durchschnitt. Auf den Höfen in Bayern stehen im Schnitt 44 Kühe. Der Laufstall für die Tiere der Schmids ist 130 Meter lang und damit größer als ein Festzelt auf dem Münchner Oktoberfest.

Statt zweimal dreimal pro Tag melken

Die Arbeit können die drei Milchbauern allein natürlich nicht bewältigen. Es gibt Angestellte für die Außenwirtschaft, also das Bestellen der Felder, den Stall und im Melkhaus. Dort ist fast rund um die Uhr etwas los, denn die Schmids melken nicht wie die meisten zweimal, sondern dreimal pro Tag: Morgens um 4 Uhr, mittags um 12 Uhr und abends um 20 Uhr. Dadurch geben die Kühe mehr Milch – bis zu 14 Prozent, schätzen die Schmids.

Gelernte Floristin melkt jetzt Kühe

Im Melkhaus hat gerade Daniela Dienst. Sie ist wie alle hier eine Quereinsteigerin: "Ich bin eigentlich gelernte Floristin, habe aber immer schon gedacht, das Melken würde mir auch mal gut gefallen und irgendwann war es dann so weit und da habe ich dann hier angefangen!" An die körperlich anstrengende Arbeit habe sie sich gewöhnt, das frühe Aufstehen mache ihr nichts aus.

Beim Melken fahren die Kühe Karussell

Auch das ist eine Besonderheit auf dem Hof der Schmids: Im Melkhaus dreht sich ganz langsam ein Karussell. Die Kühe steigen selbstständig ein und 13 Minuten später – nach einer Runde – wieder aus. Währenddessen wird ihnen das Melkgeschirr angelegt und sie geben ihre Milch. 200 Kühe können so pro Stunde gemolken werden.

20.000 Schaulustige beim Tag der offenen Tür

Ist der Hof der Schmids nun Familienbetrieb oder industrielle Landwirtschaft? Stefan Schmid selbst denkt ungern in solchen Kategorien und will auch seinen Berufskollegen keine Ratschläge erteilen: "Wir haben nie gesagt, das ist der Weg für alle, sondern wir haben immer gesagt: Das ist unser Weg, den wir gehen wollen."

Rückblickend findet er aber schon, dass die Dreharbeiten und die Aufmerksamkeit im Fernsehen und Internet einen Effekt hatten: "Das war schon interessant zu zeigen, dass Landwirtschaft in Bayern auch größer geht", sagt Stefan Schmid. Als das Stallbauprojekt im Fernsehen zu sehen war, war die Aufmerksamkeit groß. Vor allem sonntags fuhren Dutzende Schaulustige zur Baustelle in Breitenbrunn. Und als die Schmids 2015 kurz vor dem Einzug der Kühe einen Tag der offenen Tür im fertigen Stall veranstalteten, kamen an einem Wochenende mehr als 20.000 Besucherinnen und Besucher.

Früher nie Urlaub, heute jedes Jahr

Gerade die Betriebsgröße hat bei den Schmids sogar Effekte, die man auf den ersten Blick nicht erwarten würde. So erinnert sich Jürgen Schmid daran, dass er als Kind nie mit seiner Familie in den Urlaub gefahren sei. Damals war der Hof noch kleiner und es wurde – wie heute noch auf vielen Höfen – 365 Tage im Jahr gearbeitet.

Das sei heute anders: "Jetzt mit der Betriebsgröße und der ganzen Zahl an Mitarbeitern – an guten Mitarbeitern – ist es möglich, dass wir uns auch mal eine Woche rausnehmen." Es bleibe aber dabei: Nur einer der drei Chefs fahre mit seiner Familie in den Urlaub, während die anderen beiden die Stellung halten.

Hälfte des Kredits fast abbezahlt

Vor zehn Jahren hat der Stall 3,5 Millionen Euro gekostet. Um den Kredit abzahlen zu können, haben die Schmids mit einem Milchpreis von mindestens 30 Cent pro Liter kalkuliert. Das war zwischenzeitlich knapp, heute steht der Milchpreis bei 47 Cent.

Gleichzeitig sind aber auch die Ausgaben gestiegen, sagt Stefan Schmid: "Gerade in der Corona-Phase, in der die Preise explodiert sind für die ganzen Rohstoffe. Soja hat sich verdoppelt in der Zeit, jetzt ist der Preis wieder ein bisschen rückläufig. Die Milchpreise waren auch mal besser, sind jetzt auch wieder ein bisschen rückläufig, aber unterm Strich läuft es ganz gut." Nächstes Jahr sei wie geplant die Hälfte des Kredits abbezahlt.

Kühe geben im Schnitt 13.000 Liter Milch pro Jahr

Das funktioniert auch, weil die Herde eine hohe Leistung bringt. Im Schnitt gibt jede Kuh der Milchrasse Holstein Friesian im Stall der Schmids pro Jahr 13.000 Liter Milch – das ist auch bundesweit ein Spitzenwert. Pro Tag kommen 24 Tonnen Milch zusammen.

580 Hochleistungskühe und ein Gnadenbrot für Ochse Manni

Der Hof der Schmids in der Oberpfalz scheint einen Spagat zu schaffen: einerseits Familienbetrieb, andererseits Großbauernhof. Trotz aller Krisen in der Landwirtschaft war das Geschäftsmodell über die vergangen zehn Jahre rentabel.

Und trotz Hochleistungskühen im Stall gibt es eine kleine Weide. Auf der lebt Manni, ein Ochse. Er war eine schwere Geburt. Herdenmanagerin Maria musste ihn wiederbeleben. Danach brachten es die Schmids nicht übers Herz, das männliche Kalb – wie sonst üblich – zu verkaufen. Stattdessen bekommt Manni bis an sein Lebensende sein Gnadenbrot auf dem Hof. "Auf ein Tier mehr oder weniger kommt es bei uns auch nicht mehr an", sagt Stefan Schmid.

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