Seit dem Mittelalter führen rot-weiße Gestalten, die sogenannten Schembartläufer, den Nürnberger Faschingszug an. Die rot-weiß Kostümierten leiten am Sonntag, den 11. Februar 2024 ab 13 Uhr den Gaudiwurm mit rund 50 teilnehmenden Gruppen durch die Innenstadt, vom Stadtpark über den Obstmarkt bis zum Weißen Turm.
Proben für den großen Auftritt
Ein Trommler und zwei Sackpfeifer - ähnlich Dudelsackspielern - bieten den musikalischen Rahmen für die Tanzproben in der Nürnberger Villa Leon. Im kleinen Ballsaal haben sich acht Tänzer eingefunden. Einmal die Woche wird hier geprobt. Links hopp, rechts hopp geht es hüpfend im Kreis, in Schlangenlinien oder Schneckenform. Beim Faschingsumzug laufen die Schembartläufer in Formation vorne weg, necken aber auch mal Passanten. An verschiedenen Punkten in der Stadt halten sie kurz an, um ihre Tänze zu zeigen.
Handgefertigte Kostüme und Holzmasken
Die Tänzer tragen selbstgeschneiderte rot-weiße Kostüme nach historischem Vorbild, dekoriert mit goldfarbenen Schellen. Sie sind um Füße und Hüften gebunden. Dazu gehören ein Filzhut mit Federpuschel und eine Holzmaske für das Gesicht. Eine stumpfe Lanze in der Hand komplettiert den Auftritt. Laut Tanzleiterin Agnes Graf-Then war diese Aufmachung für das Mittelalter durchaus aufwändig. Die schlichten handgeschnitzten Holzmasken haben den Schembartläufern auch den Namen gegeben. Schembart stehe für Scheme und Bart, erläutert sie.
"Scheme" für Maske - und "Bart" sagen wir, weil Männer drunter waren. Zu unseren modernen Zeiten dürfen natürlich auch Frauen mittanzen. Damals, als der aufgeführt wurde, waren es ausschließlich Männer. - Oder weil die Maske einen Bart hatte. Je nachdem, wie man es interpretiert." Agnes, Graf-Then-Tanzleiterin
Die Maske war einst ein Privileg
Für die Augen bieten die einfachen Masken lediglich zwei kleine Löcher. Das Blickfeld der Schembartläufer ist entsprechend eingeschränkt. Tanzleiterin Agnes Graf-Then probt deshalb mit dem Team die Schrittfolgen sehr genau. "Man sieht nicht besonders viel. Also man muss diesen Tanz, den wir dann ausführen zum Faschingssonntag, wirklich gut wissen... die Abfolge wissen, damit man sich nicht verläuft." Bei ungeübten Tänzern wäre ein Towhubahohu zu fürchten. Die Teilnehmer des Faschingsumzugs würden bei den Tanzeinlagen ständig gegeneinander stoßen.
Schembartlauf: eine Nürnberger Besonderheit
Seit dem Mittelalter führen Schembartläufer den Nürnberger Faschingszug an. Es heißt, die Metzger hätten dieses Privileg vom Nürnberger Rat erhalten, weil sie bei einem Handwerkeraufstand nicht mitmachten. Zudem erhielten sie die Erlaubnis, beim Umzug Masken zu tragen. So konnte im streng reglementierten Mittelalter in der Faschingszeit auch mal etwas gesagt oder getan werden, das nicht gleich auf die Person zurückfiel. Die Schembartläufer waren, nimmt man an, ursprünglich so eine Art begleitende Schutztruppe für die tanzenden Metzger - und wurden dann immer populärer. Die mitgeführte stumpfe Lanze verweist noch immer auf diesen Ursprung. Für 1449 ist der erste Schembartlauf belegt, also vor 575 Jahren.
Ein Verein lebt das Brauchtum seit 50 Jahren
Vor genau 50 Jahren gründete sich die Nürnberger Schembart-Gesellschaft, die seitdem das Brauchtum lebt. Tanzleiterin Agnes Graf-Then ist studierte Historikerin und hat ein Faible für Renaissance-Tänze. Sie tanzt selbst und probt mit den Vereinsmitgliedern auch andere Schrittfolgen, die dann zum Beispiel für das Winteraustreiben im März oder die Hofkonzerte im Juli gebraucht werden. Der Verein mit seinen 45 Mitgliedern bemüht sich um historische Korrektheit, kann das laut Agnes Graf-Then aber nicht durchgängig leisten. Die Quellenlage reicht für komplette Tänze demnach nicht aus. Belegt sind lediglich einzelne Tanzfiguren aus alten Büchern, die unter anderem im Germanischen Nationalmuseum verwahrt werden.
Neue bereichern den Jubiläums-Schembartlauf
Neben den traditionellen Schembarttänzern werden beim Faschingsumzug 2024 auch neue Mitstreiter dabei sein. Zur Dienstagsprobe sind unter anderem Xiaochun Peng, 46 Jahre und Horst Kling, 54 Jahre gekommen. Die beiden tanzbegeisterten Nürnberger würden den Faschingsumzug gerne mitmachen. Ob sie die Tanzschritte noch rechtzeitig lernen, ist fraglich. Sie können aber laut Agnes Graf-Then, die zugleich 1.Vorsitzende des Vereins ist, im Kostüm mitlaufen und Bonbons verteilen oder sich als Sonderfiguren verkleiden. So gibt es zum Beispiel auch das Kostüm des Wilden Mannes. Der 9-jährige Karl Rotter ist mit seinem Papa gekommen. Der Schüler hat die Schembartläufer beim letzten Faschingsumzug bewundert und würde nun gern mitmachen, sagt er. "Ich würde das cool finden", so Karl.
Agnes Graf-Then freut sich immer über neue Vereinsmitglieder. Wer Interesse hat, kann sich bei der Schembart-Gesellschaft Nürnberg e.V. [externer Link ] melden.
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