Ein Wohnhaus in München.
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Knapp 300.000 leere Wohnungen gibt es in Bayern – einige davon auch im Münchner Stadtzentrum.

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Leerstand in Bayern trotz Wohnungsnot – wie passt das zusammen?

Knapp 300.000 leere Wohnungen gibt es in Bayern und einige davon sogar im Münchner Stadtzentrum. Warum Leerstand nicht grundsätzlich schlecht ist – und wo Spekulanten am Werk sein könnten. Eine Datenanalyse.

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1,9 Millionen Wohnungen stehen in Deutschland zum 15. Mai 2022 – dem Stichtag des Zensus – leer. In Bayern sind es knapp 300.000. Damit liegt die offizielle Leerstandsquote, also der Anteil an leerstehenden Wohnungen, mit 4,2 Prozent unter dem Wert für Deutschland. Den höchsten Anteil an leerstehenden Wohnungen haben Sachsen-Anhalt (8,9 Prozent) und Sachsen (8,5 Prozent).

Leerstand sogar notwendig

"Drei Prozent verfügbare Wohnungen als Leerstand sind notwendig, damit die Menschen überhaupt umziehen können und damit auch grundlegende Modernisierungen durchgeführt werden können", erklärt Matthias Günther, Geschäftsführer des Pestel Instituts, das Wohnungsmarkt-Analysen für Kommunen erstellt. "Leerstände über drei Prozent werden von uns als Überhang eingeordnet." Damit müsste Bayern gut aufgestellt sein. Aber: Die Werte unterscheiden sich je nach Region stark.

Das sei wenig überraschend und zeige einen klaren Urbanisierungsprozess im Freistaat, erklärt Gabriel Lee, Professor für Immobilienökonomie an der International Real Estate Business School (IREBS) der Universität Regensburg. "Das ist vor allem in der Region des Bayerischen Waldes sichtbar, wo viele Haushalte vom Land in die Stadt ziehen – besonders jüngere Leute." Dadurch, dass sich nach Corona vermehrt das Arbeiten von zu Hause durchgesetzt hat, sei dieser Prozess allerdings verlangsamt, beziehungsweise teilweise umgekehrt worden. Das könne aber nur von temporärer Natur sein, schreibt Lee auf BR24-Anfrage.

Höchste Leerstandsquote in Schirnding

Der Markt Schirnding im Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge hat die höchste Leerstandsquote in Bayern. Sie beträgt 16 Prozent. 2022 standen hier 118 Wohnungen leer – 101 davon seit mehr als 12 Monaten. Anders sieht es in Oberbayern aus. In Kirchheim bei München, Aschheim, Anzing, Unterhaching, Eitting, Seefeld, Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Pähl, Hallbergmoos, Garching und Rosenheim liegt die Quote unter zwei Prozent.

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In der Landeshauptstadt standen zum Zeitpunkt des Zensus 22.403 Wohnungen leer – eine Quote von 2,4 Prozent. Diese Zahl mag aufgrund des hart umkämpften Wohnungsmarkts in München auf den ersten Blick verwundern. "Allerdings ist es so, dass eine Stadt immer eine sogenannte 'natürliche' Leerstandsquote aufweist", erklärt Gabriel Lee. Gründe hierfür seien vielzählig: Die erwartete Mietentwicklung, politische Regulierungen, Transaktionskosten wie Kaufnebenkosten oder, wenn es nicht sofort passende Kauf- oder Mietinteressierte gibt.

Dennoch: "Jede Wohnung, die leer steht, ist eine zu viel", meint Monika Schmid-Balzert, Geschäftsführerin beim Bayerischen Landesverband des Deutschen Mieterbunds. Sie habe in letzter Zeit immer mal wieder das Argument gehört, das Vermieten sei zu aufwendig oder lohne sich nicht.

Neben einzelnen Vermietern, die schlechte Erfahrungen gemacht haben, gibt es auch wirtschaftliche Gründe für Leerstand. Gabriel Lee von der IREBS erklärt das so: "In einem boomenden Immobilienmarkt spielen nicht nur die aktuellen Mieten eine Rolle, sondern auch die erwartete Mietentwicklung". Je drastischer die erwartete Mietsteigerung ist, desto sinnvoller sei es, als Vermieter, eine Wohnung leerstehend zu halten, um diese in Zukunft teurer vermieten zu können.

"Der Zensus 2022 zeigt auch für Regionen mit stark angespannten Wohnungsmärkten teils deutlich über drei Prozent Leerstand. Daraus kann nur geschlossen werden, dass ein kleiner, aber offensichtlich wachsender Teil der Eigentümer nicht bereit ist, leerstehende Wohnungen zu vermieten", sagt auch Matthias Günther vom Pestel Institut.

München: Zweckentfremdungsverbot hat Grenzen

Um das zu verhindern, gibt es in der Stadt München bereits seit 1972 ein Zweckentfremdungsverbot. Die Stadt geht grundsätzlich von einer Zweckentfremdung aus, wenn Wohnraum ohne zulässigen Grund länger als drei Monate lang leer steht, beziehungsweise gewerblich oder für mehr als acht Wochen im Kalenderjahr als Ferienwohnung genutzt wird. Zulässige Gründe sind wiederum: wenn der Wohnraum verkauft oder saniert werden soll, wenn "eine Instandsetzung der Räume wirtschaftlich unzumutbar ist" oder Eigentumsverhältnisse nicht zweifelsfrei geklärt sind.

Nach Angaben des Sozialreferats in München konnten 2023 insgesamt 465 Wohneinheiten "vor einer illegalen Zweckentfremdung bewahrt und wieder dem allgemeinen Wohnungsmarkt zugeführt werden". Dieser Wert stelle einen neuen Höchststand dar. 235 Wohneinheiten standen zuvor leer, 164 wurden als Ferienwohnung und 66 für gewerbliche Zwecke genutzt.

Langwierige Sanierungen sind ein Problem

"Wir haben natürlich Gebäude, die dringend sanierungsbedürftig sind", sagt Schmid-Balzert. Das Vorgehen kann dann so aussehen: Die Wohnungen im Gebäude werden bei Auszug nicht mehr nachbesetzt oder den Mietern wird gekündigt. Bis das Gebäude dann letztendlich leer ist, könne das sehr lange dauern. "Ich würde mir wünschen, dass mehr Sanierungen so verlaufen, dass den Mietern zeitweise eine Ersatzwohnung zur Verfügung gestellt wird, oder das Haus so saniert wird, dass sie in der Wohnung bleiben können."

Gründe für langwierige Umbauten oder Renovierungsarbeiten können auch der Mangel und die erhöhten Kosten von Baumaterialien und Personal sein, erklärt Immobilienökonom Gabriel Lee, aber beispielsweise auch die Umgehung einer Mietpreisbremse. "Leerstand und danach umfassende Modernisierung führen nach Fertigstellung oft zu hohen Mieten, die die Mietpreisbremse dann legal überschreiten", bestätigt Monika Schmid-Balzert vom Mieterbund. Und: "Die wiederholt eingereichten geänderten Bauanträge führen zur Aushebelung des Zweckentfremdungsverbots, weil Sanierung ja kein bußgeldpflichtiger Grund für Leerstand ist."

Grafik: Aus diesem Grund stehen Wohnungen leer

Gut die Hälfte der Wohnungen in München, die länger als drei Monate leer stehen, sind aufgrund von Baumaßnahmen unbewohnt.

Generell ist die Dauer des Leerstands in München aber deutlich geringer als in ganz Bayern. Zum Stichtag des Zensus waren zwei Drittel der leerstehenden Wohnungen im Freistaat länger als 12 Monate unbewohnt – in München nur ein Drittel.

Grafik: So lange stehen Wohnungen leer

Auch innerhalb der Städte gibt es Unterschiede. Die Ergebnisse des Zensus 2022 machen es möglich, sich die Anzahl der unbewohnten Wohnungen je 100 Quadratmeter anzusehen. In den Städten München, Augsburg und Nürnberg liegen die meisten leerstehenden Wohnungen im Stadtzentrum – denn dort gibt es natürlich auch die meisten Wohnungen. Und, zumindest in München, auch mehr mit Sanierungsbedarf, wie Monika Schmid-Balzert vom Mieterbund erklärt.

Grafik: So verteilt sich der Leerstand innerhalb von München, Nürnberg und Augsburg

Experten beobachten außerdem den sogenannten Donut-Effekt: Am Ortsrand entstehen neue Wohngebiete, während innerstädtische Lagen verfallen. Die Gründe dafür sind laut Matthias Waltersbacher vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung neben alter Bausubstanz auch kleinere Wohnungsgrößen, der geringere Abstand zu Nachbarn oder schlechte Parkmöglichkeiten.

Mit Informationen von dpa

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