Während der Corona-Pandemie: Schild mit der Aufschrift "Coronavirus - Spielplatz betreten verboten" (Archivbild vom 11.01.2021)
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Während der Corona-Pandemie wurden auch Spielplätze gesperrt.

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Lehren aus Corona – Experten für eine unabhängige Aufarbeitung

Lehren aus Corona – Experten für eine unabhängige Aufarbeitung

Schulschließungen, Lockdowns, Ausgangssperren und Besuchsverbote – in Bayern waren die Corona-Maßnahmen teils härter und länger als in anderen Bundesländern. Mediziner, Psychiater, Juristen und Politiker würden eine unabhängige Aufarbeitung begrüßen.

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Es ist der 27. Januar 2020, als alles beginnt, jedenfalls in Bayern. Der erste positive Coronatest, es ist gleichzeitig der erste Fall deutschlandweit: Ein Mitarbeiter eines Autozulieferers im Landkreis Starnberg hat sich bei einer Kollegin aus China angesteckt, weitere Fälle folgen. Über 200 Menschen kommen in Quarantäne, müssen zu Hause bleiben. Noch glauben die Behörden, dass es sich um einen begrenzten Ausbruch handelt, glauben, das Virus eingedämmt zu haben.

Aber es wird nicht einmal zwei Monate dauern, bis die Bayerische Staatsregierung Kindergärten und Schulen schließt, Gottesdienste streicht. Geschäfte und Gastronomie müssen zusperren, die ersten Ausgangsbeschränkungen folgen: Raus darf man nur noch zum Arzt, zum Einkaufen oder zur Arbeit – und zum Spazierengehen, aber nur mit Menschen aus dem eigenen Haushalt. Dass die Polizei streng kontrolliert, das hat Ann-Kristin Schmidt aus München noch heute vor Augen:

"Ich kann mich erinnern, dass ich einmal im Westpark in München spazieren war und mich dann da auf eine Wiese setzen wollte und einfach da lesen oder sitzen. Dann wurde ich tatsächlich von einem Polizisten angesprochen und gebeten, aufzustehen." Ann-Kristin Schmidt aus München

Ausgangssperren und Schulschließungen schlugen auf Psyche

Dass Draußensitzen auf einer Parkbank verboten war, twitterte die Münchner Polizei damals auch – viele Menschen regten sich über die Regelung auf. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) stellte damals klar: "Natürlich dürfen Sie einen Spaziergang machen, auf einer Parkbank die Sonne genießen oder ein Buch lesen."

Für Ann-Kristin Schmidt zeigt der Vorfall damals, wie überfordert alle mit der Situation waren. Wenn sie heute an die Corona-Jahre zurückdenkt, an die Ausgangsbeschränkungen, Lockerungen, neuen Schließungen, fällt ihr auf: "Am verständlichsten waren tatsächlich diese ersten Wochen, wo das auch irgendwie noch ein bisschen aufregend war. Danach geht das Ganze irgendwie in so einer Art Schleier oder Nebel über: Dann wurde die Zeit für mich irgendwie sehr zäh und auch nicht mehr so gut fassbar. Man hat gemerkt, dass es doch auf die Psyche schlägt, diese Isolation."

Im Video: Gespräch mit dem Philosophen Nida-Rümelin (6. 4. 2024)

Julian Nida-Rümelin im BR Fernsehen am 6. 4. 2024)
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Julian Nida-Rümelin im BR Fernsehen am 6. 4. 2024)

Kinder- und Jugendpsychiater plädieren für Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen

Ein Besuch bei einer, die sich um die Psyche kümmert: Kinderpsychiaterin Gudrun Rogler-Franken empfängt in ihrer Praxis mitten in München, sie sagt: Diese Isolation habe besonders schlimm die Kinder und Jugendlichen getroffen. Sie und ihre Kollegen wurden während der Pandemie mit immer mehr zum Teil schwer psychisch kranken Kindern und Jugendlichen konfrontiert. "Das merken wir auch jetzt noch, drei Jahre nach der Corona-Pandemie, wie schwer beeinträchtigt die Kinder und Jugendlichen dadurch geworden sind", sagt Rogler-Franken. Grund sei vor allem das Social Distancing. Durch die Schulschließungen und die wenigen Kontakte fehle den Kindern und Jugendlichen einfach etwas.

Virologin Protzer: "Keiner hatte einen Notfallplan in der Hand"

Mit dem Wissen von heute würde man bei der Frage nach Schulschließungen wohl anders entscheiden, sagt CSU-Gesundheitsminister Klaus Holetschek. Das sagt auch Virologin Ulrike Protzer, sie war im bayerischen Expertenrat zur Coronakrise. Protzer weist auch auf etwas anderes hin. Damals hatte keiner einen Notfallplan für eine solche Pandemie an der Hand:

"Es war für alle unerwartet. Und wenn man ganz ehrlich ist, auch für uns Virologen, in dem Ausmaß und in der Geschwindigkeit, in der es ging, schon sehr erstaunlich. Und so hatten wir das auch nicht erwartet." Virologin Ulrike Protzer

Oberarzt: Todesfälle in "Masse und Heftigkeit noch nie erlebt"

Auf der Intensivstation der Wertach-Klinik in Schwabmünchen wird gerade ein Patient mit Nierenversagen abtransportiert. Die Ärzte und Pflegekräfte haben hier immer viel zu tun. Aber die Corona-Zeit war schon besonders, sagt der leitende Oberarzt Gerhard von Dreden. Dass Patienten auf einer Intensivstation versterben, sei zunächst nicht ungewöhnlich. "Aber in dieser Masse und in der Heftigkeit habe ich es noch nie vorher gesehen", sagt von Dreden. "Und dass praktisch alle Häuser rundum, auch die Intensivstationen, einfach voll belegt sind mit diesen Patienten, das habe ich so früher noch nie erlebt." Jeder dritte Corona-Patient, der auf der Intensivstation in Bobingen beatmet werden musste, verstarb.

Manche Mediziner halten im Rückblick mehrere Corona-Maßnahmen für überzogen

Im Nachhinein, sagt Gerhard von Dreden, habe man vielleicht in manchen Fällen überreagiert mit den Maßnahmen. Etwa die strikten Isolationsmaßnahmen. Andererseits habe man einfach damals vieles noch nicht gewusst. Viele von denen, die damals die Entscheidungen getroffen haben, sehen es ähnlich wie der Oberarzt auf der Intensivstation: Nicht alle Entscheidungen waren richtig, aber man habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Nur: Wie geht man jetzt damit um?

Noch lange nach der Hochphase der Corona-Pandemie haben Menschen mit den vergangenen Corona-Maßnahmen gehadert. Sie berichteten BR24 über Familien, die das Thema gespalten habe, oder von Freundschaften, die daran kaputtgegangen sind. Alleinerziehende, die in der Not waren wegen der angeordneten Maßnahmen. Es wird deutlich: Bei manchen sitzt das Thema noch in den Knochen.

Auch Ulrike Protzer aus dem Corona-Expertenrat ist für eine Aufarbeitung. "Ich glaube schon, dass Corona die Spaltung in unserer Gesellschaft vorangetrieben hat", sagt die Virologin. "Gerade, weil man versucht hat, die Maßnahmen doch sehr reglementiert durchzusetzen und nicht alle dann auch wirklich gut begründet waren, hat es natürlich zur Skepsis geführt." Man müsse die Diskussion jetzt wieder aufgreifen, um beim nächsten Mal "gesellschaftspolitisch sauberer rauszukommen".

Kinderpsychiaterin: Jungen Leuten gegenüber die Fehler zugeben

Auch Kinderpsychiaterin Gudrun Rogler-Franken, die viele junge Menschen durch die Pandemie begleitet hat, findet, dass die politisch Verantwortlichen ruhig Fehler zugeben könnten – das wäre auch im Sinne der Kinder und Jugendlichen. Die Landesvorsitzende des Berufsverbands der Fachärzte für Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie sagt: "Die jungen Leute würden sich gesehen fühlen, sie würden ernst genommen. Es würde wirklich deren Leiden, auch noch mal in den Fokus gerückt werden."

Das mache die Situation der Betroffenen nicht unbedingt besser, so Rogler-Franken, aber: "Es würde zu einer Entlastung führen, zu sagen: Ja, wir erkennen das an, wir haben euch da etwas angetan."

Ex-Gesundheitsminister Holetschek: "Es geht nicht um die Frage einer Entschuldigung"

Was war richtig, was falsch? Politiker von SPD, Grünen, FDP und AfD hielten einen unabhängigen Blick zurück für sinnvoll. Staatsregierung und CSU dagegen finden: Schlussfolgerungen aus der Corona-Zeit ja, aber keine Extra-Aufarbeitung. "Ich glaube, es geht nicht um die Frage einer Entschuldigung", sagt der frühere bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek. "Natürlich sind in der Pandemie auch Fehler gemacht wurden, in einer Zeit, die besonders herausfordernd war, für die es auch keine Blaupause gab, da haben wir natürlich entscheiden müssen und Verantwortung übernehmen müssen." Dazu stehe er auch. In der Replik würden sie heute manche Dinge anders machen, aber dann mit dem Wissen von heute.

Braucht es eine unabhängige Aufarbeitung in Bayern, wo die Corona-Regeln besonders streng und lange anhielten? Etwa in Form einer Enquete-Kommission, wie sie manche skandinavische Länder einsetzen? Der Intensivmediziner von Dreden aus Bobingen ist in der Frage hin- und hergerissen: Eine unabhängige Aufarbeitung könnte nutzen, aber auch zu Schuldzuweisungen führen.

Fazit: Nicht alle Entscheidungen waren richtig. Die Staatsregierung beteuert, sie habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Vielleicht wäre das eine Möglichkeit: Aufarbeitung ja, Entschuldigung nein – das könnten sich viele Experten jedenfalls vorstellen.

Im Video: Langzeitfolgen der Corona-Pandemie

Allein in Bayern gab es zwischen März 2020 und 2023 mehr als 100 verschiedene Fassungen der Corona-Verordnungen.
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Allein in Bayern gab es zwischen März 2020 und 2023 mehr als 100 verschiedene Fassungen der Corona-Verordnungen.

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