Symbolbild: An einer Tafel in einem Klassenzimmer ist ein Hinweis zu lesen. Laut diesem entfallen die ersten beiden Stunden. Zu Unterrichtsausfällen aufgrund fehlender Lehrer kam es auch in diesem Schuljahr, wenn auch auf niedrigem Niveau, wie das Kultusministerium mitteilt.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Caroline Seidel

Das Schuljahr endet. Ist es dem Kultusministerium gelungen, ausreichend neue Lehrkräfte anzuwerben? Es hatte eine Kampagne gestartet.

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Lehrermangel: Wie lief das Schuljahr in Bayern?

Der Start dieses Schuljahres war begleitet von heftigen Debatten zum Lehrermangel – und den Versuchen des Kultusministeriums, Lücken zu stopfen. "Der Mangelzustand wird zum Normalzustand", sagt ein Elternvertreter. Eine erste Bilanz.

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

Man habe dieses Schuljahr hinbekommen, aber auf Kosten der Qualität, lautet das Fazit von Florian Eschstruth vom Bayerischen Elternverband Erlangen. Er berichtet aus Mittelfranken von Unterrichtsausfall, Doppelführung von zwei Klassen und dem Wegfall von Differenzierungsstunden. Wenn es nicht genügend Lehrer im System gibt, leide die Qualität zwangsläufig, erklärt er. "Der Mangelzustand wird zum Normalzustand", sagt Eschstruth.

Aushilfen an Münchner Gymnasien

Die Gymnasien seien noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen, berichtet der Bayerische Philologenverband. In München sind an den 15 städtischen Gymnasien momentan fast 160 Aushilfen beschäftigt, wie das Bildungsreferat mitteilt. Für die Fächerkombination Physik/Mathe gab es eine einzige Bewerbung, für Informatik gar keine. Die Liste ließe sich beliebig fortführen. Besonders dramatisch ist der Lehrermangel an den Mittelschulen.

Kultusministerium: Unterrichtsausfall auf niedrigem Niveau

Aus dem Kultusministerium heißt es: Zwar liege eine aktuelle Bilanz zum vergangenen Schuljahr noch nicht vor, aber nach Rückmeldungen aus den Regierungsbezirken sei es gelungen, den Unterrichtsausfall auf einem niedrigen Wert zu halten. Das Kultusministerium betont aber: "Wir benötigen mehr Lehrkräfte, und zwar an jeder Schulart."

BLLV: Folgen des Lehrermangels schlagen durch

Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands BLLV, fasst es in ihrer Schuljahresbilanz so zusammen: "Wir sehen, dass die Defizite aufgrund des Lehrermangels durchschlagen." Nicht nur in den Pisa-Studien sei festgestellt worden, dass einem Viertel der Kinder in der vierten Klasse die Basiskompetenzen im Lesen, Rechnen und Schreiben fehlen.

Die Lehrervertreterin bezieht sich auch auf die Ergebnisse der aktuellen Studie des Instituts zu Qualitätsentwicklung im Bildungswesen IQB, das an der Berliner Humboldt-Universität angesiedelt ist. Demnach erreichen in Bayern auch rund 27 Prozent der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler im Lesen nicht die Mindestanforderungen für den mittleren Schulabschluss. Zuwanderung und die Aufnahme geflüchteter Kinder und Jugendlicher aus der Ukraine spielen hierbei auch eine Rolle, aber der Negativtrend setzt sich insgesamt seit mehr als zehn Jahren fort.

Für BLLV-Präsidentin Fleischmann ist das Problem hausgemacht. Die Staatsregierung habe versäumt, den Lehrerberuf attraktiv zu machen, kritisiert sie.

Komplizierte Einstellungsverfahren?

Laut einer Studie der Universität Bamberg nehmen gut 20 Prozent der jungen Erwachsenen nach ihrem Lehramtsstudium kein Referendariat auf. Angehende Lehrerinnen und Lehrer klagen über die bürokratischen Einstellungsverfahren.

Es gebe keinerlei Flexibilität, man fühle sich dem Kultusministerium gegenüber nach wie vor als Bittsteller, erzählt eine junge Lehrerin aus Niederbayern, die anonym bleiben möchte. Für sie ist es nicht nachvollziehbar, dass sich nichts am Einstellungsverfahren ändere.

Werbekampagnen und Quereinsteiger

Derweil versucht das Kultusministerium weiter für den Lehrerberuf zu trommeln. Im vergangenen Jahr wurde eigens eine Werbekampagne mit sogenannten "Lehramtsbotschaftern" gestartet, um mehr junge Menschen für ein Lehramtsstudium und den Lehrerberuf zu begeistern. Außerdem sind zum Schuljahr 2023/24 knapp 500 Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger schulartübergreifend in den Vorbereitungsdienst eingetreten – die Hälfte davon im Lehramt Mittelschule, wo die Lage besonders dramatisch ist.

1,5 Millionen Euro wurden als Regionalprämie ausgegeben, um Lehrkräfte für Orte zu gewinnen, an denen besonders hoher Bedarf besteht. Trotzdem kommt der Bayerische Philologenverband insgesamt zum Schluss, dass die bisher eingeführten Maßnahmen nicht den gewünschten Effekt erzielt hätten. Der Verband hat daher einen eigenen Maßnahmenkatalog vorgelegt, um dem Lehrermangel entgegenzuwirken. Er reicht vom Zurückholen von Lehrern, die in andere Bundesländer oder Berufe abgewandert sind, bis zu Ballungsraumzulagen und flexibleren Arbeitsbedingungen.

Kultusministerium: 9.000 neue Stellen in fünf Jahren

Aus dem Kultusministerium heißt es, dass in den nächsten fünf Jahren 9.000 neue Stellen im Schulbereich geschaffen werden sollen. Zwei Drittel davon für Lehrerinnen und Lehrer und ein Drittel für sogenannte "multiprofessionelle Unterstützungskräfte", die von der Verwaltung bis zur Sozialpädagogik die Lehrkräfte entlasten sollen, damit die sich besser auf ihren eigentlichen Unterricht konzentrieren können.

Nun müssen die Leute gefunden werden, um diese Stellen auch tatsächlich besetzen zu können.

Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in der Sendung "Der Funkstreifzug" am 24.7. um 12:17 Uhr im Radioprogramm von BR24. Den Funkstreifzug gibt es auch als Podcast.

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