Die bundesweite Segensaktion für Paare in katholischen Kirchen geht in die zweite Runde: Alle Menschen, die sich lieben, sind eingeladen, sich segnen zu lassen – auch und gerade homosexuelle Paare. "Wir feiern die Vielfalt der verschiedenen Lebensentwürfe und Liebesgeschichten von Menschen und bitten um Gottes Segen", heißt es dazu auf der Homepage der Aktion, die in den Sozialen Medien unter dem Hashtag #liebegewinnt firmiert.
Zweite Segnungsaktion fällt kleiner aus als im ersten Jahr
Auf der Homepage der Initiative waren im Vorfeld rund 80 Gottesdienste im gesamten Bundesgebiet angemeldet. In Bayern waren jedoch nur Segnungen in Schweinfurt, Würzburg und Nürnberg angekündigt, keine mehr in München und Augsburg wie noch im vergangenen, ersten Jahr. Überhaupt fällt die Aktion in der zweiten Auflage kleiner aus als im Vorjahr mit damals 110 angebotenen Gottesdiensten.
Damals reagierten Seelsorgende im gesamten Bundesgebiet auf eine Klarstellung des Vatikans zur Segnung homosexueller Paare. Im März 2021 hatte die Glaubenskongregation erneut erklärt, die Kirche habe keine Vollmacht, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu segnen. Praktizierte Homosexualität ist nach der Lehre der katholischen Kirche Sünde. Diese könne nicht gesegnet werden, wohl aber der einzelne Sünder.
Erstmals Segnungsfeier mit Bischof und in Bischofskirche
Nach diesen neuerlichen Einlassungen aus dem Vatikan, der darauf erfolgten ersten "Liebe gewinnt"-Protestaktion und zuletzt auch der bundesweiten Coming-Out-Aktion "Out in Church" halten auch immer mehr Vertreter der katholischen Hierarchie die katholische Lehre in Sachen Homosexualität für diskriminierend. Zuletzt solidarisierten sich etwa auch deutsche Bischöfe mit den homosexuellen Angestellten, die sich bei "Out in Church" geoutet hatten, und zogen keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Laut kirchlichem Arbeitsrecht stellen homosexuelle Verbindungen einen Loyalitätsverstoß dar, der eine Kündigung zur Folge haben kann.
An der diesjährigen "Liebe gewinnt"-Aktion beteiligt sich nun erstmals auch ein Bischof mit einem Segnungsgottesdienst, nämlich der Essener Weihbischof Ludger Schepers, der zugleich der Beauftragte der deutschen Bischöfe für den Kontakt zur Pastoral queerer Menschen ist.
München: "Keine Kirche für Segnungsfeiern gefunden"
Gleichzeitig kritisiert der in München tätige Priester Wolfgang Rothe, der im vergangenen Jahr mit einem Segnungsgottesdienst in der Landeshauptstadt teilgenommen hat, dass ihm heuer keine Kirche im Erzbistum München und Freising zur Verfügung gestellt worden sei. "Alle diesbezüglichen Anfragen blieben entweder unbeantwortet oder wurden abgelehnt", so Rothe in einer Mitteilung.
Diözesanen Rückhalt hätte sich auch die Reformbewegung "Maria 2.0" erhofft. Renate Spannig, die sich seitens der katholischen Frauen-Reforminitiative im vergangenen Jahr bei "Liebe gewinnt" beteiligt hatte, ist frustriert – angesichts der Beteuerungen vieler Oberhirten, auch lehrmäßigen Reformbedarf beim Thema Homosexualität zu sehen. "Da wäre es jetzt eigentlich die logische Konsequenz, zu segnen. Aber wenn es dann darum geht, dieses mündliche Zugeständnis liturgisch einzubetten, findet sich niemand."
Würzburg mit zwei Gottesdiensten vertreten
In Würzburg feiern dagegen gleich zwei Kirchengemeinden Segensgottesdienste: im Stadtteil Heidingsfeld und in der Augustinerkirche in der Innenstadt. Den Segen können alle bekommen, "gleich ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität". Mit dabei ist Burkhard Hose, der die Aktion im März vergangenen Jahres mit ins Rollen gebracht hatte: "Gottesdienste gehören niemandem, sie können nicht instrumentalisiert werden. Außerdem stehen sie ohnehin immer in einem kirchenpolitischen und gesellschaftlichen Kontext und können nicht im luftleeren Raum stattfinden", so der Würzburger Hochschulpfarrer.
Kirchenpolitischen Aufwind bekam die Segnungsaktion zuletzt auch durch die Äußerungen von Papst Franziskus. Nach Meinung des Oberhaupts der katholischen Kirche werden homosexuelle Menschen nicht "von der Kirche", sondern von "Menschen in der Kirche" abgelehnt.
Franziskus äußerte sich auf Nachfrage des amerikanischen Jesuiten James Martin für das Portal "Outreach". Auf Martins schriftlich übermittelte Frage, was er "einem LGBT-Katholiken, der sich von der Kirche abgelehnt fühlt", sagen wolle, schrieb Franziskus: "Die Kirche ist eine Mutter und ruft alle ihre Kinder zusammen"; eine "'selektive' Kirche, eine 'reinblütige', ist nicht die Heilige Mutter Kirche, sondern eine Sekte". Das Wichtigste, das man von Gott wissen müsse, sei, dass dieser Vater sei und "keines seiner Kinder verleugnet". Gottes Stil, so der Papst, seien "Nähe, Barmherzigkeit und Zärtlichkeit".
Gefahr, dass sich Kirchenobere "gelassen zurücklehnen"
Ob den pastoralen Worten des Papstes auch lehramtliche Änderungen folgen werden, steht indessen noch aus. Auf dem Reformprozess "Synodaler Weg" der katholischen Kirche in Deutschland zeichnet sich eben dafür eine Mehrheit von Klerus und Laien ab. Das fordert auch der Münchner Priester Wolfgang Rothe, obwohl – oder gerade weil er heuer keinen Segnungsgottesdienst anbieten kann. Bei allem Wohlwollen für die Aktion befürchtet er nämlich auch eine gewisse Routine.
"Im vergangenen Jahr war die Aktion ein starkes Zeichen gegen das vom Vatikan erlassene Verbot solcher Segensfeiern. Sie war ein Aufbegehren, ein 'Trotzdem', ein 'Jetzt erst recht'. Durch ihre (alljährliche?) Wiederholung würde ihr genau dieser Charakter genommen." Wolfgang Rothe, Priester
Denn dann könnten sich die Kirchenoberen, so Rothe, "gelassen zurücklehnen", nach dem Motto: "Warum etwas grundsätzlich ändern, wenn es auch so geht? Das vatikanische Segensverbot könnte bestehen bleiben, die homophoben Passagen im Katechismus der katholischen Kirche müssten nicht umgeschrieben werden." Eben das sollten sie aber unbedingt, da sind sich die "Liebe gewinnt"-Initiatoren, "Maria 2.0" und auch Wolfgang Rothe einig.
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