Manch ein Fotograf oder eine Fotografin fühlt sich vom morbiden Charme von Lost Places magisch angezogen. In Arzberg im oberfränkischen Landkreis Wunsiedel kommen sie auf ihre Kosten. In einer ehemaligen Lebkuchenfabrik hat ein kreativer Arzberger originale Dinge aus der Vergangenheit der Stadt aufgebaut: Maschinen, Geschirr und Schreibtische aus der Porzellanfabrik Arzberg, die im Jahr 2000 den Betrieb einstellte. Franz Häusler ist ein "Lost-Place-Macher".
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Die Porzellanfabrik in der Lebkuchenfabrikhülle
Vor rund zehn Jahren kaufte Häusler die stillgelegte Lebkuchenfabrik und packte alles hinein, was er aus der insolventen Fabrik Arzberg hinaustragen konnte – es wäre sonst im Müll gelandet. Die Lebkuchenfabrik wurde damit zur Hülle für die verlorene Porzellanfabrik, die nun wieder so wirkt, als wäre noch im vergangenen Jahr das "weiße Gold" darin hergestellt worden. "Wir haben zum Beispiel das weltweit letzte original Gießkarussell von Arzberg hier stehen", sagt der große Mann mit dem grauen Bart und deutet auf ein krakenähnliches Gestell.
Staub ist erwünscht
Jedes Jahr pilgern etwa 500 Fotografen und Fotografinnen nach Arzberg, um eine Zeitreise ins vergangene Jahrhundert zu unternehmen. Der Lost Place ist nicht nur authentisch, er ist einer der wenigen, die Fotografen betreten dürfen. Damit diese wirklich in die 1980er Jahre gebeamt werden, hat Franz Häusler das Drumherum mit viel Liebe zum Detail gestaltet: "Hier liegen Zeitungen und andere Dinge aus dieser Zeit rum, Getränkeflaschen ohne Pfand oder Wählscheibentelefone." Eine Staubschicht bedeckt Bürostühle, die Fenster sind schmutzig – das alles ist gewollt und von Franz Häusler drapiert. Der 59-Jährige hat auch an Details wie kitschige Postkarten, Zigarettenkippen oder Dreh-Lichtschalter gedacht. Funktionieren tun diese nicht, auch nicht die Waschbecken – sie sind Kulisse.
Verschrobene Idee als Wirtschaftsfaktor
Ein häufiger Gast ist Melissa Hutzler aus dem oberpfälzischen Waldsassen. Die Fotografin nimmt weder Models noch Scheinwerfer mit. Ihr Star ist der Lost Place selbst. "Man kann wunderbar spielen, auch, weil man so viel Raum hat und so viele verschiedene Sachen zum Fotografieren", schwärmt sie. "Jeder sieht etwas anders." Wer im Lost Place eincheckt, zahlt pro Stunde zehn Euro. Weil viele Lost-Place-Fotografen eine lange Anfahrt auf sich nehmen, bleiben sie auch eine Weile in Arzberg. Franz Häusler ist froh, dass seine etwas verschrobene Idee auf die Stadt ausstrahlt: "Sie gehen hier einkaufen, übernachten, besuchen die Werksverkäufe und lassen pro Jahr etwa 50.000 Euro hier."
Lost Place Nummer zwei: Die "Fotowerft"
Weil Franz Häusler vor Ideen nur so strotzt, hat er Anfang 2024 einen weiteren Foto-Spot eröffnet: die "Fotowerft". Ein betagtes Ärztehaus, wenige Minuten vom Lost Place entfernt. Häusler hat darin kleine Fotokulissen arrangiert: Baustelle, Scheune, Weißgeschirrlager mit Arzberger Porzellan sind die harmlosen. Bei den anderen kann es einen gruseln: Ein alter Operationssaal mit Liege mit Handfesseln gehört dazu. Einen Stock tiefer steht Häuslers Lieblingssammelstück: "Ich nenn es "Der vergessene Zahnarztstuhl im Keller". Der ist aus den 1960er Jahren und hat noch Seilantrieb."
Gänsehautfeeling im Schummerlicht
Im Keller herrscht wieder Lost-Place-Stimmung. Ob Zahnarztstuhl oder Schaufensterpuppen – jedes Stück ist echt, alt und spooky. Franz Häusler hat die Antiquitäten irgendwo in Deutschland gekauft und im Dunkeln zwischen Spinnweben arrangiert.
Reinhard Frank verabredet sich mit seinen Models gerne hier zum Shooting, denn anders als in der Porzellanfabrik gibt es in der "Fotowerft" eine Heizung. Die nackten, glatzköpfigen Schaufensterpuppen findet der Fotograf als Kulisse besonders spannend: "Ich hab dazwischen mal ein Model reingestellt, Gesicht an Gesicht. Wenn man den Models dann die Fotos zeigt – sie erschrecken."
Ob im "Lost Place Porzellanfabrik" oder in der "Fotowerft": Zahllose hier geknipste Fotos bannen ein Stück Arzberger Geschichte auf Papier oder in Pixel. Das reiche Erbe der Stadt ist dadurch eben nicht "lost", nicht verloren. Früher nahmen die Gäste aus Arzberg Porzellan mit – heute sind es Aufnahmen aus der Vergangenheit.
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