Die oberbayerische Europa-Abgeordnete Maria Noichl führt die Bayern-SPD nächstes Jahr im Juni erneut in die Europawahl. Beim kleinen Parteitag der bayerischen Genossen in der Meistersingerhalle in Nürnberg stimmten 94,2 Prozent der Delegierten für die Landwirtschaftsexpertin und Bundesvorsitzende der SPD-Frauen. Sie steht nun ganz oben in der Europawahl-Reihung der SPD in Bayern.
- Zum Artikel: Was Sie zur Europawahl 2024 wissen müssen
Noichl warnt vor Rechtsruck im Europäischen Rat
Die anstehende Europawahl bezeichnete die frisch gekürte Spitzenkandidatin als "Schicksalswahl für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte". Sorgen bereite ihr, dass der Europäische Rat der Mitgliedsstaaten nach rechts kippe. Mit Auswirkungen auch auf die Migrationspolitik, so die oberbayerische Europa-Abgeordnete.
Das EU-Parlament etwa sei bislang mehrheitlich für eine Flüchtlingsverteilung – "nach Kraft der Mitgliedsstaaten". Der Rat aber habe sich dagegen ausgesprochen. Die Folge sei, wer auf die EU warte, könne hier, wegen der Mehrheitsverhältnisse "ewig warten". Und Noichl weiter: "Wir haben auch bei uns eine Verantwortung, der wir nachkommen müssen".
Landtagswahl: SPD will Ergebnis mit Kommission aufarbeiten
Auf dem Parteitag diskutierte die Bayern-SPD auch das für sie desaströse Ergebnis bei der Landtagswahl. Die Genossen hatten mit 8,4 Prozent historisch schlecht abgeschnitten.
Florian von Brunn, der die SPD als Spitzenkandidat in die Landtagswahl geführt hatte, betonte, er übernehme die Verantwortung dafür, dass die SPD mit ihren Themen offenbar "nicht durchgedrungen" sei. Gleichzeitig habe der politische Gegner einen "rechten Kulturkampf" geführt. Gegen den "Populismus" habe die SPD kein wirksames Gegenmittel gefunden.
Die tiefgreifende Analyse soll nun eine Kommission übernehmen und im ersten Quartal 2024 einen Bericht vorlegen. Über deren Zusammensetzung stritten die Delegierten heftig. Vor allem die Jusos kritisierten, dass dieser Kommission zu viele Parteivorstandsmitglieder und Mandatsträger und zu wenige Kommunalpolitiker angehören sollten.
Kritik an personenzentriertem Wahlkampf
Alex Roth, der in Vertretung der Juso-Landesvorsitzenden Reka Molnar sprach, kritisierte einen zu personenzentrierten Wahlkampf. Eine Analyse, die die Mehrheit der SPD-Delegierten teilte und die deshalb in den Antrag des Landesvorstands zu den Konsequenzen aus der Landtagswahl Eingang fand. Von der stellvertretenden Parteivorsitzenden Eva-Maria Weimann aus Unterfranken kam der Impuls, die Bayern-SPD müsse wieder mehr über "Umverteilung" sprechen. Gerade die Jusos würden die Partei in Bayern gerne weiter nach links rücken.
Mehreren Delegierten fehlten klare Botschaften im Wahlkampf. Zum Beispiel Sebastian Koch, Bürgermeister von Wenzenbach in der Oberpfalz. Er ist einer der Leidtragenden des schwachen SPD-Wahlergebnisses, war mit 450 fehlenden Stimmen knapp am Landtagsmandat vorbeigeschrammt. Koch ist der Überzeugung: "Wir brauchen wieder inhaltliche Forderungen, die die Leute vom Hocker reißen, völlig egal, ob das in erboster oder freudiger Erregung ist. Hauptsache, wir gehen den Leuten nicht am Allerwertesten vorbei", so Koch.
"Kriegen wir den Arsch hoch, bitte"
Ähnlich äußerte sich Anna Rasehorn, Neu-Landtagsabgeordnete aus Augsburg. Sie beendete ihren Redebeitrag mit den Worten "Kriegen wir den Arsch hoch, bitte". Ihren Appell, gemeinsam für die Partei zu kämpfen, teilte auch Josef Parzinger aus Traunstein. Er forderte, "Grabenkämpfe" innerhalb der Partei zwischen "Team A und Team B" zu beenden.
In der Landtagsfraktion sei das gelungen, berichtete Rasehorn. Die Fraktion hatte sich nach mehrtägigen Beratungen zusammengerauft und erneut Florian von Brunn zum Fraktionschef gewählt. Zwischenzeitlich hatte der Unterfranke Volkmar Halbleib eine Kampfkandidatur erwogen.
Forderung nach "unzweideutiger Unterstützung Israels"
Für den emotionalsten Moment des Parteitags sorgte gleich zu Beginn eine Rede des Vorsitzenden der israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg, Jo-Achim Hamburger. Dieser berichtete teilweise unter Tränen von den Gräueltaten der Hamas-Terroristen in Israel, von dem ihm seine Familienmitglieder in Israel immer wieder erzählt hätten. Er sei voller Sorge "jeden Abend und jeden Morgen" auch wegen Drohungen hierzulande gegen Jüdinnen und Juden. Besonders eindrücklich: Als Hamburger von einem als Morddrohung zu interpretierenden Bild berichtet, das im Schulranzen eines jüdischen Mädchens entdeckt wurde – "an einer Schule mitten in Nürnberg".
Es sei ein "Kampf der Narrative" der aktuell in Deutschland stattfinde, erklärte Hamburger, vor allem mit Blick auf pro-palästinensische Demonstrationen. Diesen könnten Jüdinnen und Juden "nur verlieren, ohne Unterstützung der sogenannten Mehrheitsgesellschaft". Der Vorsitzende der Nürnberger Israelitischen Kultusgemeinde forderte deshalb unter anderem "die unzweideutige Unterstützung der Bundesregierung für Israel, mit langem Atem, vorbehaltlos auch beim im Moment stattfindenden Krieg gegen die Hamas."
SPD-Resolution: "Nie wieder ist jetzt"
Die Bayern-SPD zeigte sich solidarisch: Einstimmig verabschiedeten die Delegierten eine Resolution mit dem Titel: "Nie wieder ist jetzt". Darin fordern sie von den Kommunen, jegliche "menschenverachtenden Demonstrationen von Hamas-Anhängern" zu verbieten. Zur Bekämpfung antisemitischer und israelfeindlicher Straftaten müsse der Rechtsrahmen ausgeschöpft werden.
In der Resolution fordert die Bayern-SPD auch einen Ausbau der Recherche- und Informationsstelle gegen Antisemitismus (RIAS) sowie eine Antisemitismus-Prävention in der Lehrerausbildung.
Aktuell zwei Vertreter der Bayern-SPD im EU-Parlament
Mit Blick auf die Europawahl stellten die Genossen weitere Weichen. Neben Noichl hat der Oberpfälzer EU-Abgeordnete Thomas Rudner noch Chancen ins EU-Parlament einzuziehen. Ihn wählten die Delegierten auf Platz 2. Rudner hatte bereits im Vorfeld des Parteitags auf Bezirksebene die Co-Landeschefin Ronja Endres ausgestochen, die selbst gerne fürs EU-Parlament kandidiert hätte.
Aktuell sind zwei Vertreter der Bayern-SPD Mitglied im EU-Parlament. Auf den weiteren Plätzen für die Europawahl stehen neben Noichl ausnahmslos Männer. Auch auf den Plätzen vier bis neun kandidieren Männer. Da sei, was Parität angehe, schon noch "Luft nach oben" wie einige Genossen bemerkten.
Barley führt Bundes-SPD in den Wahlkampf
Die bundesweite Spitzenkandidatin der SPD bei der Europawahl ist erneut Katarina Barley. Die ehemalige Bundesjustizministerin und derzeitige Vizepräsidentin des EU-Parlaments muss nun noch bei einer Europadelegiertenkonferenz der SPD Ende Januar auf Listenplatz eins bestätigt werden.
2019 trat Barley als Spitzenkandidatin bei der Europawahl an und zog ins EU-Parlament ein. Allerdings erzielten die Sozialdemokraten bei der Wahl mit 15,8 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten. 2019 stand Maria Noichl auf Platz 3 der Bundesliste.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!