Mehr als ein Drittel der diesjährigen FSME-Fälle in Bayern wurde in Niederbayern und der Oberpfalz gemeldet. Das hat das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) auf BR24-Anfrage mitgeteilt. Demnach waren in Niederbayern bis zum Stichtag 17. Juni zehn Menschen betroffen, in der Oberpfalz zwölf – zusammengerechnet acht Fälle mehr als im gleichen Zeitraum 2023.
Niederbayern ist zudem der absolute Lyme-Borreliose-Hotspot. Hier wurden von bayernweit insgesamt mehr als 1.000 Fällen dieser Erkrankung mehr als 300 festgestellt – 80 mehr als im Vorjahr. Niederbayern und die Oberpfalz sind schon seit vielen Jahren die Regierungsbezirke mit den höchsten Inzidenzen sowohl für FSME als auch für Lyme-Borreliose. FSME verursacht Hirnhautentzündungen, die unter Umständen zum Tod führen können. Todesfälle gab es im laufenden Jahr bayernweit aber noch nicht.
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Klimawandel verlängert Zecken-Saison
Da der Juni erfahrungsgemäß der Monat mit den meisten FSME- oder Borreliose-Erkrankungen ist, sind die Fallzahlen bis Freitag, 28. Juni, allerdings noch mal gestiegen. Eine offizielle Aktualisierung vom LGL gibt es zwar nicht. BR24 hat jedoch mehrere Gesundheitsämter aus der Region um aktuelle Zahlen gebeten. Allein in der Oberpfalz dürfte die Zahl der FSME-Erkrankungen demnach mittlerweile im mittleren zweistelligen Bereich liegen. So wurden zum Beispiel im Landkreis Schwandorf bis Freitag bereits zehn FSME-Fälle gemeldet.
Neu war in diesem Jahr zudem: Bis Ende Juni wurden bayernweit bereits 37 FSME-Fälle gemeldet – so viele Hirnhautentzündungen wie noch nie in diesem Zeitraum seit Beginn der Meldepflicht 2001. Das habe mehrere Gründe, sagt André Gessner, Mikrobiologe vom Universitätsklinikum Regensburg (UKR). Zum einen spiele der Klimawandel dabei eine Rolle: "Mildere Winter, wärmere Sommer: Das sind günstige Bedingungen für Zecken, die dadurch über einen längeren Zeitraum aktiv sind."
Mediziner: "Rechne mit steigenden Erkrankungszahlen"
Außerdem verändere sich das gesamte Ökosystem, immer mehr Menschen hielten sich in der Natur auf – und das Bewusstsein sowie das Meldeaufkommen für die Zecken-Krankheiten steige generell: "Dieses Zusammenspiel führt dazu, dass wir tatsächlich über die Jahre weiter ein Ansteigen dieser von Zecken übertragenen Erkrankungen sehen werden", so Gessner zu BR24. Auch die Gesundheitsämter aus den Oberpfälzer Landkreisen Cham und Schwandorf sowie aus dem niederbayerischen Landkreis Regen rechnen mit weiter steigenden Fallzahlen.
Dass Niederbayern und die Oberpfalz seit Jahren mit die höchsten Inzidenzen für FSME- und Borreliose-Erkrankungen aufweisen, führt Mediziner Gessner darauf zurück, dass viele Menschen in ländlichen Regionen leben und zudem vergleichsweise häufig in der Natur unterwegs sind. Viele Landstriche seien dünn besiedelt und es gebe viel Wiese und Wald. Erst gestern hat Gessner mit seinen Kollegen am UKR-Institut für Mikrobiologie und Hygiene wieder einen schweren FSME-Fall bei einem Kind aus Ostbayern diagnostiziert.
Nur 20 Prozent der Erwachsenen in Bayern gegen FSME geimpft
Um sich vor Zecken zu schützen, helfen altbekannte Rezepte. Wer in der Natur unterwegs ist, sollte – auch wenn es lästig ist - möglichst lange Kleidung tragen, mit der viele Hautstellen bedeckt werden. Wirksam sind auch sogenannte Repellentien - also Sprays, die Zecken auf Abstand halten. Wenn eine Zecke bereits angebissen hat, sollte sie möglichst schnell entfernt werden. Während Borreliose durchschnittlich nach einem Tag übertragen wird, geht das bei FSME viel schneller. Die Viren sitzen nämlich in der Speicheldrüse.
Aus diesem Grund sollte man sich unbedingt gegen FSME impfen lassen, betont André Gessner. Mittlerweile sind 94 der 96 bayerischen Landkreise und Städte ausgewiesene Risikogebiete für FSME. Laut dem Robert Koch-Institut (RKI) waren in Bayern Stand 2020 allerdings weniger als ein Fünftel aller Erwachsenen vollständig geimpft. "Die Impfquote muss ansteigen – gerade bei den Menschen, die oft in der Natur unterwegs sind", fordert Gessner. Unter Schulanfängern ist die Impfquote etwas höher. Daten der Schuleingangsuntersuchungen 2016/2017 zufolge liegt sie bei etwas mehr als einem Drittel.
Borreliose-Impfstoff ab 2026?
Gegen Borreliose gibt es bisher keinen Impfstoff. Allerdings steht die Forschung möglicherweise vor einem Durchbruch. Die Pharmaunternehmen "Valneva" und "Pfizer" arbeiten schon seit Längerem an dem Lyme-Borreliose-Impfstoff VLA15. Sollten auch die weiteren Studienergebnisse positiv ausfallen, wollen die beiden Konzerne 2026 eine Zulassung bei den zuständigen Behörden beantragen.
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