Noch nie haben Deutschlands Schülerinnen und Schüler schlechter abgeschnitten als bei der PISA-Studie 2023. Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) reagierte auf die Pisa-Pleite mit der sogenannten "Pisa-Offensive-Bayern". Konkret bedeutet das: mehr Mathe und Deutsch, dafür weniger Kreativunterricht. Das wird auch an der mittelfränkischen Grund- und Mittelschule Bechhofen so umgesetzt – und sehr kritisch gesehen. Deshalb geht der Appell der Schulleitung auch an die Politiker, um auf die eigentlichen Probleme hinzuweisen.
Eine Stunde mehr Mathe und Deutsch pro Woche
Das geschnürte Maßnahmenpaket sieht so aus: In Bayerns Grundschulen wird seit dem Schuljahr 2024/25 wöchentlich in den Klassenstufen eins und drei eine Stunde mehr Mathematik unterrichtet. Deutsch wird in allen vier Jahrgangsstufen um eine Stunde pro Woche aufgestockt. Im Gegenzug fallen Stunden in den Fächern Musik, Kunst, Werken und Gestalten sowie Englisch weg.
Welche Stunden die Schulen konkret streichen, bleibt ihnen selbst überlassen. Vom Kultusministerium ist allerdings vorgegeben, dass die Stundenzahl bei Religion, Sport sowie Heimat- und Sachunterricht gleich bleiben muss. Damals hatte sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gegen eine Stundenkürzung im Fach Religion ausgesprochen.
Besonderes Lehrkonzept an der Grund- und Mittelschule Bechhofen
"Ich bin der Meinung, diese eine Stunde mehr Mathe und Deutsch macht es nicht unbedingt aus. Und ich bin auch der Meinung, dass gerade Musik ein so wichtiger Transmitter ist. Genau wie alle anderen praktischen Fächer auch", bemängelt Gerhard Bräunlein, Schulleiter der Grund- und Mittelschule Bechhofen im Landkreis Ansbach, die neue Stundentafel.
Die Grund- und Mittelschule Bechhofen ist mittlerweile deutschlandweit für ihr Unterrichtskonzept bekannt. Hier heißt es: Praxisunterricht statt Frontalunterricht, Lerngruppen statt Einzelarbeit. Typische Klassenzimmer gibt es an der Schule nicht mehr, sondern nur noch offene Lernräume und Lernwerkstätten.
Schule und Verband glauben an keine Leistungssteigerungen
Schulleiter Bräunlein hat das Konzept vor knapp 15 Jahren zusammen mit seinem Kollegium ausgearbeitet. "Wir sind eine praxisnahe Schule. Und natürlich ist Mathematik und Deutsch wichtig. Aber diese Kürzungen wollen wir nicht einfach hinnehmen. Deshalb haben wir auch unseren AG-Bereich und versuchen so, die kreativen Fächer an unserer Schule weiterhin zu stärken."
Auch Markus Erlinger, Vorsitzender des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands Mittelfranken, glaubt an keine Leistungssteigerungen durch die neue Stundentafel: "Die Flexibilisierung der Stundentafel ist eine Reaktion auf das schlechte Pisa-Ergebnis. Die eine Stunde mehr Mathematik und Deutsch werden aber nicht viel bringen. Davon bin ich überzeugt."
1.000 fehlende Lehrkräfte an Bayerns Schulen
Laut der aktuellen Lehrerbedarfsprognose des Kultusministeriums fehlen an Bayerns Schulen knapp 1.000 Lehrkräfte. Erlinger sieht im akuten Lehrkräftemangel einen von vielen Gründen für die Pisa-Pleite: "Der Lehrermangel ist eine Stellschraube, auf die man großen Wert legen muss. Man muss diese Mangelerscheinung bekämpfen. Außerdem haben wir mittlerweile einen verstaubten Lernbegriff. Wir fordern seit Jahren einen innovativen Lernbegriff. Lernen und Schule muss einfach modern werden und sich den Erfordernissen der Gesellschaft anpassen und das geht leider viel zu langsam", wird Erlinger deutlich.
Bechhofens Schulleitung mit Appell an die Politik
Schule und Verband wünschen sich also Ursachenbekämpfung und sind der Meinung: Die neue Stundentafel allein wird nicht viel bringen. Bechhofens Schulleiter Bräunlein richtet in diesem Zusammenhang noch einen Appell an die Politik: "Ich hoffe, dass irgendwann das eintritt, was viele Politiker uns immer sagen: Dass die Entbürokratisierung stattfinden soll. Da warte ich immer noch drauf. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir einfach wieder mit weniger Mangelversorgung arbeiten können."
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