Die bayerische Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) will im neuen Schuljahr zwei heiße Eisen anfassen: zum einen die Lehrpläne, zum anderen die Prüfungen und Leistungsnachweise. "Wir werden die Lehrpläne an allen Schularten deutlich modernisieren", sagte sie in München. "Wir werden die Lehrpläne entschlacken." Auf diese Weise sollten auch die pädagogischen Freiräume erweitert werden, "insbesondere durch eine eindeutige Unterscheidung zwischen Pflicht und Kür".
Lehrpläne: "Auch schnell reagieren können"
Die Ministerin kündigte an, überaltete Inhalte "rauszunehmen". Zugleich müssten neue, wie Künstliche Intelligenz und die Verfassungsviertelstunde, eingearbeitet werden. Schon im Schuljahr 2024/2025 werde es eine erste Überarbeitung der Lehrpläne geben.
Wichtig sei ihr auch, dass die Lehrpläne generell flexibler gestaltet werden. "Die Lehrpläne sind ja zum Teil zehn Jahre alt und noch älter." In Zeiten, in denen sich durch die künstliche Intelligenz alles schnell wandle, "müssen wir auch schnell reagieren können".
Zahl der Tests soll auf den Prüfstand
Damit hängt für Stolz auch das Thema Prüfungen zusammen, das sie ebenfalls "grundlegend angehen" will. Es gehe darum, was geprüft werde, auf welche Weise und wie viel. Schule müsse jene Kompetenzen vermitteln und prüfen, die Kinder und Jugendliche "für Ausbildung, Studium, Beruf" benötigten. "Es ist doch auch klar, dass wir in Zeiten von KI mit Wissen ganz anders umgehen müssen, als es noch vor ein paar Jahren der Fall war." Die Ministerin will dabei auch die Zahl der Leistungsnachweise genau "unter die Lupe nehmen" und diskutieren, inwieweit sie angekündigt sein sollen.
In ihren zahlreichen Gesprächen der vergangenen Monate sei das Thema Druck allgegenwärtig gewesen, erläuterte Stolz. Sie wolle daher zum einen prüfen, wo sich Druck herausnehmen lasse. Zum anderen aber sei ihr Ziel, Kinder für das Leben und die Arbeitswelt starkzumachen. Sie müssten auch auf die Leistungsgesellschaft vorbereitet werden und lernen, mit Druck adäquat umzugehen.
Der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbands, Michael Schwägerl, forderte in einer ersten Reaktion, eine Weiterentwicklung der Prüfungskultur müsse im Sinne eines positiven Leistungsbegriffs erfolgen: "Es darf nicht zu einem weiteren Leistungsverfall führen!"
Lehrermangel bleibt Herausforderung
Am Dienstag beginnt in Bayern für 1,72 Millionen Schülerinnen und Schüler wieder der Unterricht – die Zahl steigt laut Ministerium im Vergleich zum vorigen Schuljahr um etwa 31.000. Ihren ersten Schultag haben etwa 134.000 Erstklässlerinnen und Erstklässler.
Größte Herausforderung bleibt der Mangel an Lehrkräften. "Wir haben zu wenig Personal", räumte Stolz ein. Am größten ist der Bedarf an den Grund- und Mittelschulen. Dort fehlen rund 850 Vollzeitkräfte, wie Stolz sagte. Dennoch könne sie beruhigen: Der Kernunterricht sei abgedeckt. Auch die "mobile Reserve" und ein Teil des Wahl- und Förderunterrichts seien sichergestellt.
An den Förderschulen sind Stolz zufolge noch etwa 100 Stellen offen. Bei den Realschulen, Gymnasien und beruflichen Schulen sei die Unterrichtsversorgung "insgesamt solide". Aber auch dort werde es zunehmend schwieriger. "Die Situation ist herausfordernd, sie ist angespannt, aber sie ist derzeit beherrschbar." Insgesamt stellt der Freistaat zum neuen Schuljahr rund 3.800 Lehrkräfte ein, 1.600 von ihnen kommen auf neu geschaffene Stellen. Hinzu kommen 600 Stellen für "multiprofessionelle Kräfte", beispielsweise pädagogische Unterstützungskräfte und Verwaltungspersonal.
Wovor Lehrerverbände warnen
Der Landesvorsitzende des Bayerischen Realschullehrerverbands, Ulrich Babl, sagte BR24, die Personalsituation an den Schulen habe sich zwar "nicht so schlimm entwickelt wie befürchtet". Trotzdem sei die Lage problematisch. "Die Lehrkräfte werden schnell unter Druck geraten, da sie neben dem regulären Unterricht immer zusätzlich mehr Aufgaben übernehmen müssen." Babl verwies auf die neu eingeführte Verfassungsviertelstunde und die Digitalisierung.
Auch die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), Simone Fleischmann, mahnte: Für neue Aufgaben – wie zum Beispiel Integration und Digitalisierung – brauche es zusätzliches Personal. Diese könnten die Lehrkräfte nicht "wieder einfach so nebenbei und 'on the top'" bewältigen. Der BLLV pocht darauf, dass es Bildungsqualität brauche, statt "nur" Unterrichtsversorgung.
Im Video: Das BR24live zum Beginn des Schuljahrs
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!