Bunt zusammengewürfelt - nach Zufallsprinzip - Der Bürgerrat
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Bürgerräte - gemeinsam auf einen Nenner kommen

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Beteiligung: Instrument "Bürgerrat"

ARD-Themenwoche: Bürgerbeteiligung

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Es ist ein sonniger Freitag Nachmittag. Die Berge gleich nebenan warten nur geradezu auf Wanderer, Spaziergänger und Radfahrer. Und trotzdem finden sich in Neubeuern in der sonnigen Aula der Schule vierzig Gemeindebürgerinnen und Bürger zusammen - um sich auszutauschen und zu diskutieren. Gesucht wird ein gemeinsamer Nenner in Sachen Rathausneubau.

Bürgerrat in Neubeuern einberufen

Neubeuern erwägt ein neues Rathaus zu bauen und hat sich entschieden, die Bürger mit ins Boot zu holen. Einstimmig entschied sich der Gemeinderat dafür, einen Bürgerrat einzuberufen. Und das stieß durchaus auf großes Interesse: 200 Bürger wurden angeschrieben, gestreut nach Alter und Geschlecht. Gemeldet haben sich letztendlich 40 Interessierte. Eine Zahl, die Neubeuerns Bürgermeister Christoph Schneider positiv überrascht hat.

In einer kleinen BR-Umfrage zu Beginn zeigen sich die befragten Teilnehmer erfreut, angeschrieben worden zu sein und mitreden zu können. Sonst sei man ja beim meckern immer vorn dabei, meint ein junger Mann. Aber jetzt dürfe man mal mitwirken und sehe sich dann vielleicht auch mit den Kompromissen konfrontiert, die oft eingegangen werden müssten. Vieles sei eben nicht nur schwarz oder weiß, sondern grau, so dieser Teilnehmer des Bürgerrats.

Mehr Bürgerbeteiligung - eine Chance

Als "lästig" empfinde er Bürgerbeteiligung nicht, meint Bürgermeister Schneider im Interview. Vielmehr sehe er sie als Chance. Wir würden doch in einer Zeit leben, in der Entscheidungen immer transparenter und nachvollziehbarer dargestellt werden müssten. Das Thema Rathausneubau sei schon vielen Gemeinden auf die Füße gefallen, hinsichtlich Kosten und Akzeptanz, so Schneider.

Ein Bürgerrat sei hier ein gutes Instrument, die Bürger von Anfang an mit einzubeziehen - projektbezogen. Wichtig sei es, Bürgerbeteiligungsformen zu finden, die in den Bürger hineinhören und flächendeckende Impulse liefern, findet Schneider. Gleichzeitig betont der Neubeurer Bürgermeister, dass die endgültige Entscheidung durch den Gemeinderat erfolge.

Erfahrene Österreicher leiten Diskussion

Tatsächlich diskutieren die bunt zusammengewürfelten Neubeurer intensiv miteinander. Braucht es ein neues Rathaus oder reicht doch die Sanierung? Welche Anforderungen sollte ein Neubau erfüllen? Wie sieht ein Rathaus der Zukunft aus? Alles digital oder doch Begegnungsraum? Moderiert wird die Diskussion von zwei Vorarlbergern.

Warum Vorarlberg? Weil dort die partizipative Demokratie vor rund zehn Jahren in die Landesverfassung aufgenommen und bereits viel Erfahrung damit gesammelt wurde, erzählt Projektkoordinatorin Annemarie Felder. Unterstützt wird sie von Josef Mathis, der 33 Jahre lang Bürgermeister der Vorarlberger Gemeinde Zwischenwasser war und sich nun unter anderem in Sachen Bürgerbeteiligung engagiert. Ein Bürgerrat sei mühsam, man müsse eine zusätzliche Runde drehen, aber am Ende sei es gut investierte Zeit, bilanziert Mathis. Es sei nicht erwiesen, dass der einzige Sachverstand in einer Gemeinde jeweils im Gemeinderat versammelt ist, fügt er lächelnd hinzu.

Gemeinderat setzt sich mit Ergebnis auseinander

Zu welchem Ergebnis ist der Bürgerrat gekommen? Das wird erst zur Gemeinderatssitzung bekannt. Gewählte Sprecher erläutern die gemeinsam erarbeiteten Empfehlungen. Der Bürgerrat wünscht sich einen baldigen Rathausneubau und gibt dem Gemeinderat jede Menge Wünsche und Empfehlungen mit auf den Weg. Die Gemeinderäte hören aufmerksam zu, bedanken sich im Anschluss für das Engagement, stellen aber auch detaillierte Nachfragen.

In einer Klausurtagung Ende Januar wird sich der Gemeinderat nun intensiv mit den Empfehlungen auseinandersetzen und den Bürgerrat im Anschluss informieren. Bis dahin wolle man sich weiter in der Bürgerschaft umhören, meinen einige. Im Februar soll dann ein Grundsatzbeschluss hinsichtlich Rathaus gefällt werden. Nach der Sitzung ziehen die vier gewählten Sprecher des Bürgerrates ein positives Fazit. Es habe Spaß gemacht und man sei erfreut, gefragt worden zu sein. Eine Fortführung der Bürgerbeteiligung wäre wünschenswert, so ein Sprecher.

Bürgerräte - für mehr Einbindung und mehr Ideen

Tatsächlich sind Bürgerräte auf dem Vormarsch. Laut "Mehr Demokratie e.V. " habe es in diesem Jahr bundesweit 37 lokale Bürgerräte gegeben, so viele wie noch nie. Auch auf Bundesebene sind mehr Bürgerräte geplant, bestätigt Roman Huber, Geschäftsführender Bundesvorstand von "Mehr Demokratie". Demnächst starte eine Ausschreibung zu drei noch unbekannten Themen und bis zum Ende der Legislaturperiode könnte das Instrument "Bürgerrat" institutionalisiert werden.

Ein gutes Beispiel für Bürgerräte sei Irland, hier hätten Bürgerräte bereits seit zehn Jahren Tradition, erzählt Huber. Bürgerräte würden oft pragmatische Lösungen liefern, ohne Populismus, ohne Lobbyismus. Auf lokaler Ebene sei ein Bürgerrat nicht konfrontativ zum Gemeinderat zu sehen, sondern ein Bürgerrat arbeite mit dem Gemeinderat zusammen und spreche am Ende unverbindliche Empfehlungen aus.

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