Die Idee zum Start-up kam Silke Wagner im Jahr 2021 im Haushalt. Sie packte die selbstgeknüpfte Hundeleine mit den rosé-goldenen Karabinern in die Waschmaschine und hatte dann Sorge, dass die Karabiner die Waschmaschine zerstören könnten. "Es hat die ganze Zeit so gescheppert, dass mein Mann schon gesagt hat: Mach die Maschine aus." Die Waschmaschine sollte den Schleudergang überleben. Der Karabiner aber war zerbeult, die roségoldene Farbe abgeplatzt. "Da kam mir die Idee: Es muss doch irgendwas geben, dass man die Sachen in der Waschmaschine reinigen kann", erinnert sich Wagner.
Sie entwickelte einen robusten Wäschesack, nähte Prototypen aus Weichschaum, wollte sich im digitalen Gründerzentrum in Freyung beraten lassen und fand dort eine Geschäftspartnerin. Die "Drecksäcke" werden mittlerweile in einer Näherei im Landkreis Passau gefertigt, im vergangenen Jahr haben die beiden Frauen über ihren Online-Shop 2.500 Stück verkauft. "Mir hat das Gründerzentrum sehr geholfen", sagt Wagner.
Gründungsgeschehen auf historisch niedrigem Niveau
Das Digitale Gründerzentrum in Freyung (Greg) ist eines von knapp 20 in Bayern. Sie werden vom Bayerischen Wirtschaftsministerium stark gefördert und sind in den vergangenen Jahren in Städten wie Passau, Ingolstadt oder Aschaffenburg entstanden. Also in der Regel dort, wo einige Studierende Uni oder Hochschule mit einer Startup-Idee verlassen.
Gründen ist politisch gewollt – kein Wunder, zeigen doch Zahlen des Mannheimer Unternehmerpanels, dass die Deutschen deutlich weniger Firmen gründen als früher. Während es zwischen 1995 und 2004 im jährlichen Durchschnitt noch gut 240.000 Neugründungen gab, sind es in den darauffolgenden Jahren mit rund 165.000 Neugründungen deutlich weniger. Die Gründe sind vielfältig: demografischer Wandel, Fachkräftemangel, Pandemie, Energiekrise. Gründerzentren arbeiten gegen den Trend. Sie vernetzen Unternehmer in der Region und machen sie sichtbar.
Freyung setzt auf Rückkehrer
Doch kann das funktionieren in einer 7.000-Einwohner-Stadt wie Freyung? Stephanie Fichtl, Geschäftsführerin des Gründerzentrums, findet schon. Auch wenn ihr Job in Freyung sicher anders aussehe als der ihrer Kollegin in Passau. "Wir haben es in der Regel mit einer reifen Gründerszene zu tun. Mit Unternehmern, die schon ihre Firma haben oder mit Menschen, die viel Berufserfahrung mitbringen. Das sind häufig Leute, die zu ihren Familien zurückziehen wollen oder die aus Liebe zur Natur von außerhalb hierherkommen." Im Greg machen Workshops zur Buchhaltung keinen Sinn, erzählt sie. Stattdessen ist es hier wichtig, die Unternehmer schnell zu vernetzen, ihnen Kontakte zu Firmen, Kunden und Behörden zu vermitteln. "Und manchmal helfen wir auch bei der Wohnungssuche", sagt Fichtl.
Freizeitwert auch für Unternehmer wichtig
Familie und Natur sind auch für Karina Stolz die Stichworte. Sie hat ihren Job als Wirtschaftsingenieurin bei Siemens in München an den Nagel gehängt und ist mit ihrer Familie nach Grafenau gezogen. Hier macht sie "Visual Memos", das heißt: Sie fasst für Unternehmen kompakt Themen zusammen – mit anschaulichen Zeichnungen und handschriftlichem Text. "Ich habe durch mein Unternehmertum ständig so viel Dinge im Kopf. Und da brauche ich um mich herum nicht auch noch so viel Trubel. Ich kann hier in der Natur meine Nicht-Arbeitszeiten so verbringen, dass ich mich erhole." Ins Gründerzentrum kommt sie regelmäßig, um sich mit Unternehmerinnen aus der Region zu vernetzen. "Mit Frauen, die einen ähnlichen Unternehmergeist haben, denen ich aber so nicht über den Weg gelaufen wäre", sagt sie. In diesem Kreis könne sie auch Ideen ausprobieren, beispielsweise ein neues Workshop-Konzept vorstellen.
Erfolge erst in 20 Jahren messbar
Die ersten digitalen Gründerzentren wurden ab 2016 ins Leben gerufen, die jüngsten folgten ab 2019. Ob ein Zentrum Erfolg hat und wirklich zum Motor für Neugründungen wird, wisse man erst in 20 Jahren, sagt Johannes Hähnlein. Er forscht zu dem Thema an der Hochschule Ansbach. "Es braucht mehrere erfolgreiche Projekte, um auch wirklich eine Sogwirkung zu entfalten." Erste Gründungsprojekte seien aber schon um regionale Hochschulen herum entstanden. "Und dadurch gibt es einen Aha-Effekt bei vielen jungen Leuten. Aha, ich kann auch hier vor Ort im ländlichen Raum meine eigene Idee umsetzen."
Im Landkreis Freyung-Grafenau sollen auch Schulen eingebunden werden, sagt Stephanie Fichtl, Geschäftsführerin des Gründerzentrums. Damit junge Leute von der Gründerszene im Landkreis erfahren.
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