Die Bundesregierung hat eine nationale Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt verabschiedet. Trotz des Endes der Ampel-Koalition und anstehenden Neuwahlen bringt der Bund damit Ziele und Maßnahmen auf den Weg, die den Verlust der Artenvielfalt bis zum Jahr 2030 stoppen sollen - und setzt damit internationale Verpflichtungen wie den Globalen Biodiversitätsrahmen von Kunming-Montreal sowie die EU-Biodiversitätsstrategie um.
"Halb gemachte" Hausaufgaben bei UN-Konferenz
Im Oktober hatten Naturschützer Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Die Grünen) noch "halb gemachte" Hausaufgaben vorgeworfen: Bei der UN-Biodiversitätskonferenz (COP16) in Cali, Kolumbien hatte sie den Entwurf für eine nationale Biodiversitätsstrategie vorgestellt. Lemke hatte sich 2022 beim UN-Weltnaturgipfel in Montreal für ambitionierte Ziele für den Schutz der Biodiversität weltweit bis zum Jahr 2030 eingesetzt.
Die dortigen Beschlüsse forderten auch von allen Staaten binnen zwei Jahren eine nationale Strategie mit Maßnahmenplan vorzulegen. Für Lemkes Entwurf gab es von Umweltschützern inhaltlich sogar Lob, doch hatte sie ihn noch nicht - wie eigentlich notwendig - mit den anderen Ressorts in der Bundesregierung abgestimmt und beschlossen.
Opposition kritisiert Vorgehen
Umweltverbände hatten daraufhin befürchtet, von der Strategie könnte nach der Ressortabstimmung nicht mehr viel übrigbleiben. Die Abstimmung innerhalb der Ampel-Koalition galt als schwierig. Jetzt hat das Bundeskabinett die Strategie verabschiedet. Ein einfacher Kabinettsbeschluss reichte dafür aus.
Die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Anja Weisgerber, kritisiert gegenüber BR24 jedoch, dass die Strategie nicht Teil eines parlamentarischen Verfahrens war. Sie fordert einen "ausgewogenen Handlungsmodus", um beispielsweise Landwirten bei der Renaturierung von Mooren wirtschaftliche Perspektiven aufzuzeigen.
Julian Grünke Berichterstatter der FDP-Fraktion für Biodiversität, wirft dem Bundesumweltministerium sogar "ideologische Ignoranz" und "Schaufensterpolitik" vor. Die Strategie beinhalte zahlreiche nicht bestimmte Begriffe und Ziele, Landnutzer wie Forstwirte oder Jäger seien nicht mit einbezogen. Chancen neuer Technologien würden kleingeredet. Die FDP sehe zum Beispiel in der Nutzung neuer Züchtungsmethoden zum Schutz von Vielfalt und Biodiversität eine große Chancen. Grünke kritisiert Lemke dafür, die Strategie unabgestimmt auf der COP16 in Cali eingebracht zu haben. Sie habe gewusst, dass der Entwurf zahlreiche "No-Gos" für die FDP als Koalitionspartner enthielt. "Die Strategie jetzt zu beschließen, ist ein Signal an die NGOs für den Wahlkampf", sagt Grünke.
Renaturierung und Schutzgebiete im Fokus
Bundesumweltministerin Lemke sagte gegenüber BR24, die Strategie sei ein Meilenstein für den Naturschutz: "Wir haben damit den Fahrplan, intakte Natur in unserem Land zu erhalten und dort, wo sie zerstört wurde, auch zu reparieren." Die jetzt beschlossene Strategie soll unter anderem dafür sorgen, dass Deutschland das in Montreal beschlossene Ziel von 30 Prozent Schutzgebieten an Land und in den Meeren einhält.
Aber auch der Zustand von Schutzgebieten soll sich laut Lemke verbessern. Ihre Strategie setzt außerdem Schwerpunkte bei der Renaturierung von Mooren und Flussauen. Die Natur soll zudem schonender bewirtschaftet werden. Dabei soll es der Ministerin zufolge auch darum gehen, die schädlichen Auswirkungen von Pestiziden auf die biologische Vielfalt zu verringern.
Zur Strategie gehört auch mehr Grün für die Städte: Gesetzliche Regelungen sollen bestehende Bäume schützen und Neupflanzungen fordern. Insgesamt formuliert die Strategie 64 Ziele und Indikatoren, um diese zu überprüfen. Dazu gehört auch ein erster Aktionsplan mit 250 Maßnahmen, die die Bundesregierung bereits bis 2027 umsetzen soll.
Umweltverbände fordern ambitionierte Umsetzung
Naturschützer begrüßen die neue Strategie, mahnen aber auch, dass die Zeit dränge: Matthias Meißner, Bereichsleiter Politik und Biodiversität des "WWF", spricht von einer guten Nachricht für die Artenvielfalt in Deutschland. Die Strategie hätte aus Sicht des WWF zwar kraftvoller ausfallen können, trotzdem sei der Beschluss ein wichtiges Signal zum Schutz und zur Wiederherstellung der Natur. Die nächste Bundesregierung müsse aber "den Turbo anwerfen", denn eigentlich hätte die Umsetzung des ersten Aktionsplans der neuen Biodiversitätsstrategie bereits 2024 beginnen sollen.
Ähnlich äußert sich auch Johann Rathke vom Naturschutzbund NABU. Ein Problem sieht er darüber hinaus in der mangelnden Verbindlichkeit. Hier könne ein Biodiversitätsgesetz helfen, das Bundes- und Landesregierungen und vielleicht sogar die einzelnen Ministerien verpflichte, Maßnahmen umsetzen, so Rathke. Beide Verbände fordern außerdem von der kommenden Bundesregierung, die Finanzierung des Natur- und Artenschutzes zu sichern und auszubauen.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!