Der leere Bundestag von oben
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Übergangsphase, Vertrauensfrage, Neuwahl: Was Deutschland erwartet

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Countdown zur Neuwahl: Welche Szenarien denkbar sind

Countdown zur Neuwahl: Welche Szenarien denkbar sind

Mit dem Bruch der Ampelkoalition scheint eine Neuwahl unausweichlich. Doch bis zur tatsächlichen Abstimmung könnten Monate vergehen. Welche rechtlichen Schritte stehen bevor und wie beeinflusst die Übergangszeit die Regierungsarbeit? Ein Ausblick.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Ausgelöst durch die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner durch Bundeskanzler Olaf Scholz am gestrigen Abend, endet die Zusammenarbeit zwischen der SPD, den Grünen und der FDP nach knapp drei Jahren. Kanzler Scholz hat angekündigt die Vertrauensfrage zu stellen und so den Weg für Neuwahlen frei zu machen. Über einen möglichen Termin gibt es bereits Streit.

Wann wird es Neuwahlen geben?

Die Bundestagswahl, ursprünglich für den 28. September 2025 geplant, soll aufgrund des Zerfalls der Ampel-Koalition vorgezogen werden. Kanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte an, am 15. Januar 2025 im Deutschen Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. Die Vertrauensfrage ist ein parlamentarisches Instrument, mit der der Bundeskanzler prüft, ob ihn die Mehrheit der Abgeordneten unterstützt.

Verliert er die Abstimmung, also das Vertrauen, kann er den Bundespräsidenten bitten, den Bundestag aufzulösen. Der Bundespräsident hat dafür 21 Tage Zeit. Entsprechend müsste der Bundestag spätestens bis zum 5. Februar 2025 aufgelöst werden. Hat der Bundespräsident das Parlament aufgelöst, müssen laut Artikel 39 Grundgesetz innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen stattfinden. Somit ist Ende März 2025 als möglicher Wahltermin im Gespräch.

Welche anderen Szenarien sind möglich?

Ein anderes Instrument ist das konstruktive Misstrauensvotum. In diesem Fall entzieht die Mehrheit des Bundestags dem Kanzler das Vertrauen und bittet den Bundespräsidenten, den bisherigen Kanzler aus dem Amt zu entlassen. Allerdings reicht es nicht, den alten Kanzler abzuwählen. Die Parlamentarier müssen sich auch auf einen neuen Kanzler einigen. Der neu gewählte Kanzler und sein Kabinett wären, anders als bei der Vertrauensfrage, nach der Ernennung durch den Bundespräsidenten und der Eidesleistung im Bundestag sofort im Amt.

Bundeskanzler Scholz könnte auch versuchen, eine neue Mehrheit im jetzigen Bundestag zu finden. Auf dieser Basis könnte er ohne Neuwahlen eine neue Koalition bilden. Der Fraktionsführer der Unionsparteien, Friedrich Merz, hat allerdings bereits öffentlich klar gemacht, dass er nicht in eine Regierung mit Rot-Grün eintreten will.

Könnte Olaf Scholz die Vertrauensfrage auch schon vor Januar stellen?

Ja, das könnte er. Der Bundeskanzler entscheidet allein, ob und wann er die Vertrauensfrage stellt. Durch die Forderung der Unions-Fraktion, die Vertrauensfrage schon nächste Woche zu stellen, steigt der politische Druck auf Scholz, die Vertrauensfrage früher zu stellen.

Wer regiert nach einer verlorenen Vertrauensfrage weiter?

Wenn der Kanzler die Vertrauensfrage stellt und sie verliert, regiert er bis zur Neuwahl trotzdem weiter. Der Kanzler und die Minister müssen laut Artikel 69 Grundgesetz die Amtsgeschäfte weiterführen, bis eine neue Regierung feststeht. Da der Bundestag nach der Vertrauensfrage aber aufgelöst wird, kommt das politische Handeln zum Erliegen.

Deswegen will Kanzler Scholz vor der Vertrauensfrage nach eigenen Angaben noch wichtige Projekte wie die Rentenreform oder die Umsetzung der Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems durch Bundestag und Bundesrat bringen. Sein Problem: Er ist nun der Chef einer Minderheitsregierung und muss auf Unterstützung aus den Reihen der Opposition, also der Union, hoffen.

Was passiert bis zur Neuwahl mit den FDP-geführten Ministerien?

Nach dem Koalitionsbruch hat die FDP angekündigt, ihre Ministerämter aufzugeben. Volker Wissing, bisher Bundesverkehrsminister, wird jedoch als parteiloser Minister im Amt bleiben. Auf den Posten von Christian Lindner als Finanzminister soll Staatssekretär Jörg Kukies nachfolgen und bereits heute vereidigt werden. Die Posten des Justiz- und Bildungsministers sollen von anderen Kabinettsmitgliedern übernommen werden. Der Bundeskanzler könnte aber auch für diese Ministerien Nachfolger vorschlagen und vom Bundespräsidenten ernennen lassen.

Ist so etwas schon mal vorgekommen?

Ja, ein vergleichbarer Fall ereignete sich 2005, als Gerhard Schröder (SPD) die Vertrauensfrage stellte und diese verlor. Der damalige Bundespräsident Horst Köhler löste daraufhin den Bundestag auf und setzte Neuwahlen an. Das Verfahren der Vertrauensfrage ist umstritten, da es – entgegen der ursprünglichen Absicht des Grundgesetzes – nicht darauf abzielt, das Vertrauen zu gewinnen, sondern vielmehr darauf, die notwendige Mehrheit zu verfehlen. Daher wird es auch als „unechte Vertrauensfrage“ bezeichnet.

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