Es klingt wie eine Szene aus einem Sonntagabendkrimi: Ein Mann verschanzt sich in seinem Haus. Durch die fast komplett heruntergelassenen Rollläden feuert er mit einem Schnellfeuergewehr auf die Polizisten vor dem Anwesen. Er trifft einen SEK-Beamten ins Bein, ein anderer Polizist wird bei dem Einsatz ebenfalls verletzt. Jetzt steht der 55-jährige Schütze wegen mehrfachen versuchten Mordes vor dem Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim.
Angeklagter schweigt zum Prozessauftakt
Zum Prozessauftakt vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart schweigt der 55-jährige Angeklagte zu den Vorwürfen. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm unter anderem mehrfachen versuchten Mord vor, außerdem soll er ein ganzes Waffenarsenal illegal im Haus gebunkert haben. Erst Ende April werde er Angaben zum Lebenslauf machen, sagt seine Anwältin.
Schüsse nach Durchsuchungsbeschluss
Die Szene geschah so im April letzten Jahres im badischen Boxberg, etwa 30 Kilometer von Würzburg direkt an der Landesgrenze zu Bayern. Der damals 54-Jährige soll auf die Beamten geschossen und zwei von ihnen verletzt haben, weil sie seine Wohnung durchsuchen wollten. Die Schüsse hatte der Angeklagte durch die fast komplett heruntergelassenen Rollläden im Wohn- und im Schlafzimmer abgegeben. Laut Anklage soll er erst nach etwa zwei Stunden aufgegeben haben. In dem Wohnhaus brach ein Feuer aus, berichtet der SWR.
Waffenerlaubnis entzogen
Das Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei hatte den Mann in seinem Haus in Boxberg aufgesucht, weil dem wegen Gewaltdelikten vorbestraften Kampfsport-Trainer eine Pistole abgenommen werden sollte. Die Waffenbehörde hatte die Erlaubnis widerrufen, der Mann gab seine Waffe aber nicht ab. Später fanden die Ermittler in dem ausgebrannten Gebäude ein begehbares Waffenlager mit Gewehren und auch Maschinenpistolen und über 5.000 Schuss Munition.
Bundesanwaltschaft übernahm Ermittlungen
Der Prozess findet im streng abgesicherten Gerichtsgebäude des Oberlandesgerichtes in Stuttgart-Stammheim statt. Wegen der besonderen Bedeutung des Falles hatte die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Es ist innerhalb kurzer Zeit das zweite Verfahren in Stuttgart, das Generalbundesanwalt Peter Frank anstrengt. Vor eineinhalb Wochen war dort bereits ein mutmaßlicher "Reichsbürger" wegen versuchten Mordes zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der 62-Jährige soll im südbadischen Efringen-Kirchen an der Grenze zur Schweiz absichtlich einen Polizisten angefahren und dabei schwer verletzt haben. Für den Prozess um den Schützen aus Boxberg sind Verhandlungstermine bis in den Herbst hinein angesetzt.
Weitere "Reichsbürger"-Prozesse nach Razzien erwartet
Auch die möglichen Anklagen nach den Razzien im Dezember und vor wenigen Wochen liegen in der Verantwortung der Bundesanwaltschaft. Dazu zählt auch das wahrscheinliche Verfahren wegen mehrfachen versuchten Mordes gegen einen mutmaßlichen Reutlinger "Reichsbürger". Der Mann hatte nach Überzeugung der Ankläger bei der jüngsten Razzia auf Polizisten geschossen. Generalbundesanwalt Frank sprach zuletzt von mehr als 60 Beschuldigten nach den Razzien. Die Ermittlungen würden einige Zeit in Anspruch nehmen.
Mit Material von dpa.
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