Eine Gruppe von Schülern, die sich im Unterricht melden.
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Der Alltag in zahlreichen Hofer Schulen wird Stück für Stück verändert. Das Ziel: Die überdurchschnittlich hohe Schulabbrecherquote soll sinken.

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Nach "Weckruf": Hohe Schulabbrecherquote in Hof sinkt

Höchste Schulabbrecher-Quote bundesweit: Damit sorgte Hof 2023 für Schlagzeilen. Die Politik hat inzwischen reagiert. Nun schaffen dank mehr Förderung mehr Jugendliche ihren Abschluss. Aber: Einige Eltern verweigern den Kontakt zur Schule.

Über dieses Thema berichtet: Stadt Land Leute am .

Der Alltag in zahlreichen Hofer Schulen wird gerade Stück für Stück verändert. Auslöser waren erschreckende Zahlen einer Studie der Bertelsmann-Stiftung: Mehr als 27 Prozent der Kinder in Hof haben 2021 die Schule ohne Abschluss verlassen.

Das Hofer Schulamt hatte etwas niedrigere Zahlen – dort werden zum Beispiel Kinder, die vom Gymnasium an die Mittelschule wechseln, nicht als Schulabbrecher gezählt. Schulamtsleiter Stefan Stadelmann spricht von "17 bis 19 Prozent für die Jahre nach Corona" – das ist aber immer noch deutlich mehr als der Bundesdurchschnitt von sechs Prozent.

Abbrecher-Quote liegt aktuell bei zwölf Prozent

Nun zeichnen sich erste Verbesserungen ab: "Für die Mittelschulen in der Stadt Hof liegen wir bei zehn bis zwölf Prozent. Das ist zwar immer noch zu hoch, aber wir sind auf einem guten Weg", sagt der Schulamtsleiter. Zu verdanken sei dies einem Bündel von Maßnahmen.

"Die Studie war ein Weckruf", sagt Michaela Neumann. Die Rektorin der Christian-Wolfrum-Mittelschule lobt, dass Oberbürgermeisterin Eva Döhla (SPD) als Reaktion auf die Zahlen schnell einen Runden Tisch installiert habe. Dort tauschen sich die Schulen nun regelmäßig mit Jugendamt, Verbänden wie Diakonie, Caritas und VHS aus – und auch mit den Amtsärzten.

Gemeinsam gegen "Ärztehopping" von Schulschwänzern

Denn mit ein, zwei Tagen Schulschwänzen beginne oft ein Teufelskreis. Der versäumte Unterrichtsstoff werde von den Kindern meist nicht nachgeholt, einige Eltern betrieben regelrechtes "Ärztehopping", um mit immer neuen Attesten ihre Kinder vom Unterricht zu befreien, so Schulleiterin Neumann.

Nun schalten die Schulen schneller den Amtsarzt ein, lassen die Kinder auch schon mal von der Polizei in die Schule holen. Und solche drastischen Maßnahmen könnten durchaus was bewirken: Rektorin Neumann erzählt von einem Jungen, der nach diesem "Warnschuss" wieder regelmäßig gekommen ist. Jetzt habe er mit einem guten Quali die Schule verlassen.

Mehr Lehrerstunden für Hof

Und auch die Staatsregierung hat auf die alarmierenden Hofer Zahlen reagiert. Nach intensiven Gesprächen hat der damaligen Kultusminister Michael Piazolo (FW) Hof seit September 2023 ähnlich wie Großstädten bei den Lehrerstunden einen sogenannten "Integrationszuschlag" zugebilligt, weil in der Stadt überdurchschnittlich viele Familien mit Migrationshintergrund leben.

Zusätzlich zu mehr Lehrerstunden – die laut Schulamt allerdings nicht jeden krankheitsbedingten Engpass ausgleichen könnten – hat Hof auch mehr Geld für berufsfördernde Maßnahmen bekommen – etwa für Bewerbungstrainings und Kurse, um schwächere Schülerinnen und Schüler auf die Abschluss-Prüfungen vorzubereiten.

20 Milliarden Euro im Startchancen-Programm

Und ab kommendem Schuljahr gibt es weitere massive Unterstützung: Hof wurde in das Startchancen-Programm aufgenommen. Bund und Länder investieren über dieses Programm in den nächsten zehn Jahren insgesamt 20 Milliarden Euro für ein besseres Lernumfeld an insgesamt 4.000 Schulen in ganz Deutschland. Das Geld verteilt sich laut bayerischem Kultusministerium auf drei Säulen. Diese Gelder sind für jede einzelne Schule im Programm vorgesehen:

  1. Maximal 830.000 Euro für zehn Jahre für Gebäudesanierungen
  2. Bis zu 82.000 Euro pro Jahr für technische Ausstattung
  3. Bis zu 82.000 Euro für Sozialpädagogen

Viele Details des Förderprogramms werden erst in Ferien geklärt

In Bayern sollen insgesamt 580 Schulen von dem Programm profitieren. Die ersten 100 starten im September – davon sieben Hofer Grund- und Mittelschulen. Eine ist die Christian-Wolfrum-Mittelschule. Auch wenn viele Details zur Umsetzung kurzfristig jetzt in den Ferien geklärt und dann erst Stück für Stück umgesetzt werden, ist Rektorin Michaela Neumann zuversichtlich: "Jede Unterstützung hilft, vor allem beim Personal." Sie hofft, dass sie nach den Weihnachtsferien einen zusätzlichen Sozialpädagogen an der Schule einsetzen kann.

Gibt es genügend Personal?

Die Personalsuche kann durchaus schwierig werden, räumt Schulamtsleiter Stadelmann ein – aber auch bei ihm überwiegt die Freude. "Wir werden es schon hinkriegen." Während beim Startchancen-Programm noch vieles unklar ist, steht für ein kleineres Projekt das Personal bereits bereit: In Trägerschaft der Diakonie Hochfranken gibt es in Hof ab September an zwei Schulen zusätzlich zwei spezielle Ganztags-Klassen.

Der Name "extra-Chancen-nutzen" (eCn) steht für drei Tage Unterricht in Kleingruppen plus zwei Tage Betriebspraktikum. Insgesamt sind es 30 Jugendliche, die am Ende dieses Wiederholungsjahrs durch die intensive Unterstützung von Lehrer, Sozialpädagogin und Erzieherin doch noch einen Schulabschluss schaffen sollen, erklärt Rektorin Michaela Neumann. In Coburg werde dieses Angebot bereits seit 2006 erfolgreich durchgeführt.

Eltern ohne Interesse an ihren Kindern

Bei all ihrer Begeisterung über die verschiedene Förderprogramme – an einer wichtigen Stellschraube im System scheitert auch die erfahrene Lehrerin immer wieder: An Eltern, die kein Interesse am Schulalltag zeigten, ihre Kinder nicht unterstützten. "Bei der Abschlussfeier hat ein Junge sich bei seiner Lehrerin bedankt – er habe sie öfter gesehen als seine Mutter", erzählt Neumann. Solche Fälle gebe es bei Familien mit Migrationshintergrund genauso wie bei deutschen Familien. "Das sind vielleicht fünf Prozent von unseren 350 Kindern, aber sie sorgen für 95 Prozent Mehrarbeit."

"FiSch"-Projekt bringt Eltern gezielt in die Schule

Die Eltern gezielt einzubinden in den Schulalltag, das ist bei einem kleinen Projekt in Hof seit Januar gelungen – der "FiSch-Klasse". Die Abkürzung steht für "Familie in der Schule". Die Hofer Förderlehrerin Heike Pürner ist von diesem Konzept aus Schleswig-Holstein begeistert, das die Hospitalstiftung in Hof für zwei Jahre finanziert. "Ohne Eltern können wir wenig ausrichten. Oft wissen sie aber gar nicht, wie wichtig auch ihr Kontakt zur Schule ist, damit wir gemeinsam Probleme lösen. In einem guten Klima lernen Kinder einfach besser."

Für die Eltern war es eine Herausforderung: Jeden Mittwoch haben sie gemeinsam mit Kindern, Lehrern und der Familientherapeutin Lisa Griesbach vom Hofer Trägerverein Systep in der Schule zusammengearbeitet. Fünf Stunden lang – ein Opa kam oft direkt nach der Nachtschicht. Doch es war ihm wichtig, seinen Enkel zu unterstützen, dessen Versetzung gefährdet war.

Kleine Schritte gemeinsam gehen

In kleinen Schritten ging es Woche für Woche um Erfolgserlebnisse – immer gemeinsam: Wenn sich die Kinder zum Beispiel verpflichtet haben, sich dreimal in der Mathestunde zu melden oder weniger zu stören, ging es bei den Eltern darum, sich Zeit zu nehmen – zum gemeinsamen Spiel, für die Hausaufgaben und regelmäßiges Loben der Kinder. Hört sich einfach an – aber es seien intensive Erfahrungen für alle gewesen, so Familientherapeutin Griesbach.

Und so wurde das große Ziel erreicht: Nicht nur der Enkel, sondern alle zehn Kinder des "FiSch-Projekts" werden versetzt und können nun die Ferien genießen. Und weil auch weitere Hofer Schulen die intensive Anbindung von Eltern an die Schule umsetzen würden, werden nun Geldgeber gesucht.

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