Ein heißer Tag in Regensburg geht zu Ende. Ein warmer Abend bricht an. Wie viele junge Menschen zieht es Anna Sauerbeck und Anna Meister zur Jahninsel, auf der kurz vor Sonnenuntergang viele Gruppen zusammensitzen, etwas trinken, feiern. Im Auftrag der Stadt sollen die beiden Frauen mit den Gruppen über Probleme sprechen, welche die Stadt in den letzten Jahren ausgemacht hat. Vor allem über Müll oder Lärm.
Gespräche auf Augenhöhe
"Hallo dürfen wir euch ein paar Fragen stellen?" Auf ihren schwarzen T-Shirts prangt auf Brusthöhe das Wappen der Stadt. "Nachtschicht" steht auf dem Rücken geschrieben. Der Projektname ist Programm. Zwischen 20 Uhr und Mitternacht sind junge Menschen wie Anna Sauerbeck und Anna Meister auf den öffentlichen Plätzen der Stadt unterwegs, wo sie mit dem gleichaltrigen Partypublikum sprechen sollen. "Und zwar ohne ordnungsrechtlichen Hintergrundauftrag", sagt Jakob Pfreimer vom Regensburger Amt für kommunale Jugendarbeit. Er verantwortet das Projekt.
"Das heißt, sie sind nicht dafür da, um zu schimpfen oder zu bestrafen. Sondern um mit den feiernden, meist jungen Menschen auf Augenhöhe zu reden. Also: Wie geht es euch? Was macht ihr hier?" Nach zwei Jahren Pandemie wollen viele hier vor allem eins: wieder das normale Leben genießen, ohne Einschränkungen.
Corona-Sommer: Mehr Lärm, mehr Müll
In, auf und um die Mülleimer auf der Jahninsel stapelt sich nun der Müll, stehen und liegen Bierflaschen über die Wiese verteilt. Im Donauwasser schwimmen aufgequollene Pizzaschachteln und weiße Plastiktüten. In den vergangenen Corona-Sommern war es hier wegen geschlossener Clubs auch wesentlich lauter als zuvor. Die Jahninsel musste deswegen sogar gesperrt werden.
Ähnlich laut war es auch auf anderen Plätzen der Stadt: 2020 und 2021 hat die Regensburger Polizei einen deutlichen Anstieg an Ruhestörungen festgestellt. Vor Corona waren es rund ein Viertel weniger.
Themen der Jugend oft vernachlässigt
Auch an diesem Abend wird auf der Jahninsel gesungen oder hallt Musik aus den mitgebrachten Boxen. Anna Meister und Anna Sauerbeck sprechen die Gruppen darauf an, ohne zu belehren. Sie fragen und hören dann zu. Auf mehreren Seiten Papier notieren sie sich die Sorgen, die die Befragten haben. Dann geht es um Toiletten, die im Dunklen liegen oder um Nachtbusse, die nicht fahren. Oder Jugendgewalt, die 2022 wieder angestiegen ist. Die Themen sind vielfältig. Genauso wie die Sichtweisen.
"Ich bin selber ein junger Mensch. Und ich, wenn ich dasitzen würde und angesprochen werden würde, würde genauso mit uns reden, wie die jetzt mit uns reden." Anna Sauerbeck, Nachtschicht Regensburg
Für Anna Meister ist das Projekt eine gute Chance, den meist jungen Leuten eine Stimme zu geben. Wie in den Generationen zuvor sei die Jugend schnell als Schuldige ausgemacht, stimmt Pfreimer ihr zu. Die Umstände werden dagegen gerne außer Acht gelassen.
Stadt: Nachbesserungen dank Hinweisen
"Auch wir können einiges verbessern", sagt Astrid Freudenstein, zweite Bürgermeisterin von Regensburg und Initiatorin des Projekts. Nach rund 500 Gesprächen gibt es schon erste Erkenntnisse. Es brauche mehr Mülleimer und Schilder, auf denen schnell zu erkennen ist, was auf den Plätzen erlaubt ist und was nicht. Weitere Hinweise müssen noch ausgewertet werden
"Am Ende erhoffen wir uns, dass sich die Situation entspannt - zwischen denen, die feiern und denen, die hier auch mal schlafen wollen." Tatsächlich haben die Ruhestörungen im Vergleich zum Vorjahr schon abgenommen, so die Polizei. Die meisten Probleme machen derzeit tendenziell Jugendliche, die sich Bars und Clubs nicht leisten können. Für sie bleibt nur der öffentliche Raum.
Gespräche sollen Konflikte vorbeugen
Inzwischen hat sich die Partystimmung auf den Regensburger Bismarckplatz verlagert. Der Alkoholpegel ist jetzt schon höher, wie unschwer an den vielen Bierflaschen zu erkennen ist. Anna Sauerbeck und Anna Meister nehmen sich trotzdem viel Zeit. Was nicht geklärt werden kann, kann in einem Fragebogen auf dem Smartphone nachträglich beantwortet werden. Gesprächsbedarf gibt es viel.
Dass jemand nicht mit den beiden Frauen reden will, kommt kaum vor. Auch ernste Konflikte bei der "Nachtschicht" sind bisher ausgeblieben. "Wir wurden kein einziges Mal irgendwie abgewiesen oder blöd angeredet oder so. Es war nur wirklich konstruktive Kritik an der Stadt", stellt Anna Sauerbeck am Ende ihrer ersten Nachtschicht fest.
Für Anna Meister ist das Gespräch weiterhin der richtige Weg. "Was auf jeden Fall rauskommt, ist, dass Jugendliche oder junge Menschen nicht nur störende, lärmende Wesen sind. Sondern halt zum öffentlichen Raum gehören und hier genauso leben."
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