Julia Baumann möchte etwas Neues wagen. Worum es geht, erklärt sie in einem Video, in dem sie mit einer Kollegin durch das sonnige Lindau am Bodensee spaziert. "Gut gemachter Journalismus, das ist unsere Mission", verkündet sie. Dabei geht es um Kolumna. So heißt das Projekt, das Julia Baumann mitgegründet hat. Ein digitales Nachrichtenangebot für Lindau und die Region. Lange hat Julia Baumann hier für eine Lokalzeitung gearbeitet. Jetzt der Neuanfang, erklärt sie im Interview. "Wir glauben, dass die Region ein Nachrichtenmagazin braucht, das es schafft, Lokaljournalismus wieder auch ein bisschen cool zu machen und in die digitale Welt zu heben."
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Lösungen sind gefragt
Gerade im Digitalen gehe es oft um reißerische Überschriften oder negative Meldungen, zum Beispiel aus dem Polizeibericht, sagt Julia Baumann. Dem möchte Kolumna etwas entgegensetzen. Und zwar soll es einen täglichen Newsletter geben. Ein Thema hat sie schon im Kopf. Es geht um ein Bauprojekt hinter der Lindauer Therme. Ein Investor und Schrebergartenbesitzer würden sich da gegenüberstehen. Zusätzlich gebe es noch Pläne von anderen Vereinen, erklärt die Gründerin von Kolumna. "Ein ganz klassisches lokales Thema." Kolumna könnte versuchen, alle Parteien ins Gespräch zu bringen und daran mitzuwirken, eine Lösung zu finden.
Ein Beispiel für konstruktiven Journalismus nennt das Julia Baumann. Damit möchte Kolumna sich von anderen Lokalmedien unterscheiden. Außerdem möchte man Leserinnen und Leser aktiv mit einbeziehen in die redaktionelle Arbeit. Sie sollen Themen einbringen können und immer wieder nach ihrer Meinung gefragt werden. Statt passiver Abonnenten soll eine Community entstehen.
Ähnliche Ideen in Bayern
In ganz Deutschland gibt es inzwischen ähnliche Lokaljournalismus-Initiativen wie in Lindau. In Bayern existiert zum Beispiel seit längerem Regensburg-Digital und vor vier Jahren wurden in Nürnberg die Relevanzreporter gegründet. Die Idee hatte Alexandra Haderlein. Sie erklärt das Motto beim Start: "Lass dort anfangen, wo die Menschen sind und wo wirklich die Themen sind, die ihre tatsächliche direkte Lebenswirklichkeit betreffen." Und das sei nun mal das Lokale. Alexandra Haderlein geht es darum, "Lokaljournalismus neu zu denken".
Klaus Meier, Journalistik-Professor an der Uni Eichstätt-Ingolstadt, beobachtet diese lokalen Initiativen mit großem Interesse, denn für ihn steht fest, dass gerade die lokale Ebene extrem wichtig für unser Zusammenleben ist. "Und da muss man gerade im Lokalen genau hinschauen und nachvollziehbar, aber auch kritisch berichten", betont Meier. Es gibt Untersuchungen aus den USA, die zeigen, dass dort, wo lokale Berichterstattung weniger wird, die Korruption zunimmt.
Klaus Meier macht sich auch hierzulande große Sorgen, "weil kleine Regionen zwar noch eine Zeitung haben, aber auch kaum mehr bedient werden von Journalistinnen und Journalisten." Es gebe noch Berichte über die Stadtrats- oder Gemeinderatssitzung, erklärt der Medienwissenschaftler von der Uni Eichstätt-Ingolstadt. "Aber das war's dann."
Wichtige Impulse - aber wie lange können Projekte überleben?
Digitale Initiativen könnten Lokaljournalismus neu beleben, hofft Journalistik-Professor Meier. Weniger reißerisch, lösungsorientiert und mehr Mitsprache der Leser. Und das alles fokussiert auf sehr kleine Gebiete, also hyperlokal. Die Finanzierung bleibt allerdings ein Thema, sagt Alexandra Haderlein von den Relevanzreportern in Nürnberg. Nach vier Jahren sei die Anfangseuphorie, oder wie sie sagt, die "rosarote Brille" weg. Inzwischen setzt man nicht mehr nur auf Mitgliedschaften oder Stiftungsgelder, sondern hat auch Veranstaltungen zur Finanzierung entwickelt, erklärt Haderlein. Die Relevanzreporter organisieren unter anderem auch Workshops zur Medienbildung für Volkshochschulen. Aber auch andere Probleme kann es für lokale Initiativen geben. In Oberbayern musste mit der Tegernseer Stimme ein solches Projekt vor kurzem erstmal schließen. Es fehlt das Personal.
Trotz dieser Hürden ist Julia Baumann, die Gründerin von Kolumna in Lindau, im Moment noch sehr optimistisch. Die Resonanz sei gut bisher. Über 400 Abos sind aktuell schon verkauft. Laut Finanzplan braucht das Kolumna-Team 700, um starten zu können. Spätestens Mitte Januar soll es soweit sein.
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