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Neuer Ärger um die GBW

Beirat empört, Mieter in Sorge: Die einst staatlich kontrollierte Wohnungsbaugesellschaft GBW will in Pasing 75 Wohnungen verkaufen. Das wirft einen Schatten auf die einst von Finanzminister Söder gepriesene "Sozialcharta XXL". Von Florian Haas

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Morgen am .

Matthias Jörg findet in all seinem Ärger deutliche Worte. In einer Presseerklärung, die dem BR vorliegt, schreibt der Vorsitzende des Münchner Mieterbeirats von "unsäglichen Vorgängen". Wieder einmal zeige sich, dass die einst von Bayerns Finanzminister Markus Söder so gelobte Sozialcharta XXL zum Schutz der GBW-Mieter "nicht das Papier wert ist", auf dem es gedruckt worden sei. Und weiter erklärt Jörg: "Unsoziale Spekulanten" hätten nun die Kontrolle über Wohnungen und würden für "drei Millionen extra" die Entmietung der Bewohner in Kauf nehmen.

Kurzum: Es gibt mal wieder Ärger um die Gemeinnützige Bayerische Wohnungsgesellschaft (GBW). Erneut sind zahlreiche Mieter in Sorge. Und nicht zum ersten Mal stellt sich die Frage, zu wessen Nachteil private Investoren aus einstigen staatlich konrollierten Wohnungen kräftig Profit schlagen wollen.

Sorge bei Pasinger Mietern

Aber der Reihe nach. Um die etwas komplexe Sachlage schnell zu verstehen, ist ein kurzer Blick in die Vergangenheit notwendig - genauer gesagt ins Jahr 2013: Der Freistaat Bayern mit BayernLB und Finanzminister Söder (CSU) an vorderster Front privatisiert auf großen Druck der EU mehr als 30.000 bisher staatlich kontrollierte GBW-Wohnungen, indem er diese an ein Konsortium um den international agierenden und in Augsburg ansässigen Immobilienkonzern Patrizia verkauft. Es ist ein milliardenschwerer Deal, den viele loben und zugleich viele andere kritisieren. Söder verspricht: Die GBW bleibt bayerisch! Und die Mieter der betroffenen Wohnungen würden bestens geschützt, durch eine sogenannte Sozialcharta. Söder spricht sogar von einer "Sozialcharta XXL".

Doch statt XXL-Schutz dürften sich die Mieter in 75 GBW-Wohnungen an der Nimmerfallstraße im Münchner Stadtteil Pasing nun eher XXL-Sorgen machen.

Die Münchner Abendzeitung hat jetzt ausführlich als erstes dargelegt, wieso. Demnach versucht die GBW, die erwähnten Wohnungen zu verkaufen. Doch sie hat dabei keine freie Hand. Weil sie vertraglich verpflichtet ist, bei einem geplanten Verkauf als erstes die zuständige Kommune nach deren Kaufinteresse zu befragen, klopfte sie vor knapp einem Monat laut AZ-Informationen bei der Stadt München an.

Deal mit der Stadt vorerst geplatzt

Für 25 Millionen Euro könne die Stadt die Wohnungen kaufen, hieß es offenbar seitens der GBW. Der Stadt wiederum legte demnach als Maximalgebot 18 Millionen Euro auf den Verhandlungstisch. Woraufhin die GBW einen Kompromiss ins Spiel brachte: Für 22 Millionen Euro könne die Stadt die Wohnungen kaufen und später weitere drei Millionen zahlen, wenn alle Wohnungen "frei seien". Frei sein - das heißt in dem Fall frei übersetzt: Wenn die alten Mieter draußen sind. Um diese Entmietung wolle sich die GBW binnen zwei Jahren selbst kümmern, so lautete der AZ zufolge der Plan der Verkäufer; derweil könne sich die Stadt ja behilflich zeigen, indem sie die Mieter der Nimmerfallstraße in ihren städtischen Wohnungsgesellschaften wohnen lasse.

Womöglich hätte sich die Stadt sogar darauf eingelassen, hätte an der Nimmerfallstraße auf kurz oder lang neu gebaut, hätte die Mieter anschließend in diesen Neubau wieder einziehen lassen.

Hätte.

Zu alledem wird es unter Umständen nicht kommen. Die GBW hat zwar den geplanten fragwürdigen Deal der Abendzeitung nicht bestätigt - sie erklärte aber, die Verhandlungen mit der Stadt jetzt beendet zu haben und nun einen privaten Investor zu suchen.

Mieterbeirat: "Kein gutes Vorzeichen"

Die Mieter und die Stadt München dürfte das kaum beruhigen. Matthias Jörg vom Mieterbeirat der Landeshauptstadt ist entsetzt. Er sagt: "Jetzt lesen zu müssen, dass die GBW nun anscheinend das Interesse an den Gebäuden verloren hat und sie verkaufen möchte, ist kein gutes Vorzeichen."

Die Sorge scheint nachvollziehbar. Findet die GBW für mehr als 25 Millionen Euro einen privaten Käufer - was nicht unwahrscheinlich ist mit Blick auf den sehr angespannten Münchner Wohnungsmarkt mit seinen hohen Rendite-Aussichten für Investoren -, muss sie die 75 Wohnungen noch einmal der Stadt anbieten. Die kann dann entweder doch zuschlagen, würde aber nicht darum herumkommen, die fast 70 Jahre alten Wohnungen für viel Geld zu renovieren. Oder aber sie lehnt ab und überlässt die Mieter ihrem Schicksal. Kommunalreferent Axel Markwardt (SPD) sagte der AZ: "Dieses Vorgehen der GBW zielt darauf ab, der Stadt letztlich auf jeden Fall die politische Verantwortung für die Kündigung der Mieterinnen und Mieter zuzuschieben."

Sozialcharta in der Kritik

Die Stadtkämmerei hat auch das aus Mieter-Perspektive schlimmste Szenario durchgespielt und ist sich sicher: Kauft die Stadt die Wohnungen nicht, werden private Investoren dankend zugreifen, die bisherigen Mieter vertreiben, neu bauen - und schließlich die neuen Wohnungen verkaufen, dabei einen Preis von etwa 9.000 Euro pro Quadratmeter verlangen. So einen Kauf dürfte sich kaum einer der jetzigen Mieter leisten können, vermutlich gar keiner. Der aktuelle Mietpreis liegt bei nicht einmal sieben Euro pro Quadratmeter. In manchen Wohnungen wird laut Kommunalreferent Markwardt noch via Kohle-Öfen geheizt. Es sind also sicher nicht die Reichsten der Reichen, die ein Verkauf hart träfe.

Für Matthias Jörg vom Münchner Mieterbeirat trägt Finanzminister Söder eine gewaltige Mitschuld an der Situation. Das hier so "unsäglichen Vorgänge" mit dem Wohnungsbestand der ehemaligen staatlichen Wohnungsgesellschaft GBW getrieben werden, sei nur möglich, weil Söder im Jahr 2013 ohne Not an den Höchstbietenden und nicht an die Kommunen in Bayern verkauft habe. Außerdem zeige der jetzige Fall, dass sich die GBW-Mieter nicht auf die von Söder so gelobte Sozialcharta verlassen können.

Streit um die Sozialcharta

Die Sozialcharta ist schon öfters Zankapfel gewesen. Eigentlich garantiert sie den GBW-Mietern, bei Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen über das gesetzliche Maß hinaus geschützt zu werden; die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte hat die Einhaltung seitdem jedes Jahr geprüft und jedes Mal bestätigt. Der Münchner Mieterverein und der Deutsche Mieterbund haben die Charta in der Vergangenheit allerdings kritisiert - unter anderem, weil die Mieten in zahlreichen GBW-Wohnungen seit 2013 eben doch gestiegen sind und viele Mieter nach Ansicht etwa des Münchner Mietervereins aus Wohnungen gedrängt wurden.

Was also ist die Sozialcharta wirklich wert? Diese Frage könnte auch durch die weitere Entwicklung in der Nimmerfallstraße in Pasing beantwortet werden.