"Rote Gebiete" – für viele Landwirte ist der Begriff ein rotes Tuch. Denn sie bringen strenge Auflagen mit sich: Unter anderem darf weniger gedüngt werden. Viele landwirtschaftlich genutzte Flächen in Unterfranken, vor allem in den Landkreisen Schweinfurt und Haßberge, zählen seit der im Dezember 2022 erfolgten Neuausweisung aber zu den sogenannten "Roten Gebieten" – zu Unrecht, finden der Bayerische Bauernverband (BBV) und Landwirte. Bei Geldersheim im Landkreis Schweinfurt haben sie jetzt erneut die Politik kritisiert.
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Bauernverband fordert mehr Grundwasser-Messstellen
"Die neuen Roten Gebiete stellen für uns keine fachliche fundierte Grundlage dar, sondern beeinträchtigen viele ordnungsgemäß wirtschaftende Betriebe mit unnötigen zusätzlichen Auflagen", sagt Schweinfurts Kreisobmann Michael Reck. Nach wie vor gebe es zu wenige Grundwasser-Messstellen – vor allem im Landkreis Schweinfurt.
Nicht nur der Bayerische Bauernverband, sondern auch die Wasserversorger und die EU fordern von Bayern, das Messstellennetz zu erweitern. Während im Jahr 2012 nur ganze 34 Nitrat-Messpunkte für ganz Bayern ausreichen sollten, gibt es inzwischen immerhin 685 offizielle Nitrat-Messstellen. Das Ziel des bayerischen Umweltministeriums lautet 1.500 Messstellen, bis Ende 2024 soll es erreicht sein. Laut Bayerischem Landesamt für Umwelt (LfU) befinde man sich bei der sogenannten Messnetznachverdichtung im Zeitplan. Dass neue Messungen zu weiteren Korrekturen bei den Roten Gebieten führen werden, ist nicht unwahrscheinlich.
Neue Messstellen wegen Fehlbohrung ungeeignet
Auch in Geldersheim wurde im Rahmen der Messnetznachverdichtung bereits 2020 eine neue Messstelle gebohrt. Allerdings hat sich diese inzwischen als ungeeignet herausgestellt, wie das zuständige Wasserwirtschaftsamt (WWA) Bad Kissingen gegenüber BR24 bestätigt hat. Es sei zu einer Fehlbohrung gekommen: Anstelle des oberflächennahen Grundwassers, dessen Nitratgehalt als Grundlage für die Ausweisung der Roten Gebiete dient, wurde Tiefengrundwasser erschlossen. Es wurde quasi zu tief gebohrt. Auch bei zwei weiteren Messstellen in der Region sei das der Fall.
Eine Anfrage an das Bayerische Umweltministerium und das LfU, wie viele neue Messstellen in Bayern wegen solcher oder ähnlicher Fehlbohrungen nicht für die Ausweisung der Roten Gebiete genutzt werden können, blieb bislang unbeantwortet
Insgesamt wurden 2020 im Bereich des WWA Bad Kissingen sechs neue Messstellen gebohrt, die Hälfte davon ist für die Nitratmessung ungeeignet. Das Wasserwirtschaftsamt verweist auf die komplexe Geologie der Region: Im Keuper bestehe aufgrund schwer vorhersehbarer Fließwege im Untergrund oder gespannter Verhältnisse etc. immer die Möglichkeit einer Fehlbohrung. Um das zu vermeiden, würden die Bohrarbeiten künftig strenger überwacht und sogenannte Zwischenpumptests durchgeführt.
Mathematische Verfahren statt hydrogeologischer Kriterien
Fakt ist: Liegen nicht genügend Messstellen vor, werden die Roten Gebiete anhand von mathematischen Verfahren ausgewiesen anstelle von hydrogeologischen Kriterien. Dazu werden die Werte vorhandener Messstellen genutzt. Allerdings liegen diese dann oft weit entfernt von den am Ende von den Auflagen betroffenen Feldern. So kann etwa eine Messstelle mit überhöhten Nitratwerten, das heißt mehr als 50 Milligramm pro Liter, Auswirkungen auf einen bis zu acht Kilometer weit entfernten Acker haben.
Je nach Gebiet strengere Auflagen bei Düngung
Für viele Landwirte ist das nicht nachvollziehbar. Noch dazu hat sich die Rote Gebietskulisse in den vergangenen knapp fünf Jahren dreimal geändert: Einst rote Gebiete wurden grün und umgekehrt. Liegen Felder in einem roten Gebiet, hat das für die Bauern enorme Auswirkungen: So dürfen sie ihre Felder nur 20 Prozent unter Bedarf düngen. Das bedeutet, dass die Pflanze 20 Prozent weniger Nährstoffe erhält, als von den landwirtschaftlichen Institutionen empfohlen. Auch für die Gülleausbringung gelten strengere Auflagen. Die Betriebe müssten daher teilweise mehrere hunderttausend Euro in neue Güllegrüben investieren, um die anfallende Gülle lagern zu können, so der BBV.
Der unterfränkische Bauernverband fordert, dass künftig wieder die aktuellen Düngedaten der einzelnen Landwirte berücksichtigt werden – so wie es vor der letzten Neuausweisung der Fall gewesen sei. Damals sei der Landkreis Schweinfurt überwiegend grün gewesen.
Trockenheit begünstigt hohe Nitratwerte
Unterfranken hat laut BBV im bayernweiten Vergleich die geringste Viehdichte und den geringsten Stickstoffeintrag auf die Fläche bezogen. Dennoch gehört Unterfranken zu den am stärksten mit Nitrat belasteten Regierungsbezirken. Eine Ursache dafür ist auch laut der Regierung von Unterfranken die weit verbreitete extreme Trockenheit: Geringe Niederschläge und damit eine geringe Grundwasserneubildung verdünnen die in das Grundwasser eingetragenen Stoffe nur wenig. Dadurch steigt die Konzentration im Sickerwasser und im Grundwasser an. Darüber hinaus bewegt sich das Grundwasser im klüftige Untergrund aus Festgestein (Buntsandstein, Muschelkalk, Keuperformationen) relativ schnell, so dass sich Stoffe in kurzer Zeit über weite Strecken ausbreiten können.
Trotz dieser schwierigen naturgegebenen Randbedingungen gilt aber auch in Unterfranken die EU-weite Anforderung, die Nitratkonzentration im Grundwasser auf 50 mg pro Liter zu begrenzen.
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