Ruhm und Ehre erlangte Paul Winter nach dem Zweiten Weltkrieg durch seine Musik. Der Komponist ist Ehrenbürger in Neuburg an der Donau und Höchstädt. Eine Straße und eine Realschule in Neuburg tragen seinen Namen. Doch er war auch Soldat. Seine Rolle während des Zweiten Weltkriegs hatte bislang allerdings niemand kritisch hinterfragt.
Große Lücken im Leben von Winter
Eine große Lücke im Lebenslauf von Paul Winter, so nennt es die Historikerin Barbara Zeitelhack. Denn: Die Jahre 1933 bis 1945 fehlen größtenteils. Bislang ist das niemandem kritisch aufgefallen. Erst als vor zehn Jahren ein Landkreisbuch entstehen sollte, beschäftigten sich Zeitelhack und der damalige Heimatpfleger und Historiker Manfred Veit näher mit der Biografie Winters. "Es war auffällig, es war einfach eine große Lücke in seinen Kompositionen, in seinem Werkverzeichnis. Und da habe ich angefangen zu suchen und habe auch einiges an Kompositionen und Äußerungen gefunden", erzählt Zeitelhack. Das geplante Buch kam dann nie zustande. Im vergangenen November übergab Veit seine wissenschaftliche Arbeit der Stadt und regte an, das Gedenken an Paul Winter zu prüfen, berichtete der Historiker dem BR. Damit brachte er den Stein ins Rollen.
Winter Chef des Zentralamtes im Oberkommando der Wehrmacht
Winter war nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem für seine Musik bekannt. Allerdings war er auch Soldat und während des Kriegs in Berlin Chef des Zentralamtes im Oberkommando der Wehrmacht und rechte Hand von Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, einem der Hauptkriegsverbrecher, der bei den Nürnberger Prozessen verurteilt und dann hingerichtet wurde. Das Oberkommando der Wehrmacht zählte zu einem von Hitlers drei zentralen und persönlichen Führungsorganen.
Die Arbeit von Manfred Veit kommt zu dem Schluss, dass Winter eine bedeutende Rolle innehatte: "Das war das Vorzimmer der Macht. Alles, was zur Unterschrift zu Keitel kam, musste über den Schreibtisch von Winter laufen", meint Veit. Darunter Befehle, wie beispielsweise der sogenannte Kriegsgerichtsbarkeitserlass von 1941. Dieser sprach unter anderem die Angehörigen der Wehrmacht in den Ostgebieten von möglichen Verbrechen frei. Die Beziehung zwischen Keitel und Winter muss sehr gut gewesen sein, meint Veit. Keitel nannte ihn einen "unbeirrbaren Nationalsozialisten", berichtet Veit. Das gehe aus Aufzeichnungen hervor.
Ehrenbürger und Namensgeber für Straße und Schule
Nun geht es darum, ob der Sohn der Stadt Neuburg weiterhin Namensgeber von Straße und Schule sein soll. Zudem ist er Ehrenbürger der Stadt. Sein Geburtshaus ist mit einer Gedenktafel versehen. Auf einem Neuburger Friedhof befindet sich sein Grab.
Die Stadt will nun mit dem Zentrum für Erinnerungskultur an der Universität Regensburg zusammenarbeiten. Davon erhoffe man sich Empfehlungen für das weitere Vorgehen, meint Johann Habermeyer (FW), Zweiter Bürgermeister der Stadt Neuburg. "Wir erwarten uns auch Empfehlungen, in welcher Form der künftige Dialog geführt werden soll. Ob es im Stadtrat ausreicht oder ob und wie man die Bürger einbinden soll, weil es die Menschen bewegt."
Bislang "nicht NS-belastet"
Das bayerische Kultusministerium prüfte 2013 und 2014 nach eigener Aussage systematisch alle bayerischen Schulnamen auf besonders NS-belastete Namensgeber. Diese Prüfung sei auf Basis des damals zugänglichen Materials erfolgt und gilt als nicht-abgeschlossen. "Gesonderte biografische Forschungsarbeiten durch das Kultusministerium erfolgten dabei nicht", schreibt das Ministerium. So schätzte das Ministerium Paul Winter 2014 als "nicht NS-belastet" ein. Das Ministerium empfiehlt nun den Verantwortlichen in Neuburg eine demokratische Diskussion vor Ort. Selbst werde man nicht mit einer Vorab-Bewertung in den Prozess eingreifen. Die Stadt Neuburg arbeitet an einer Lösung - gemeinsam mit dem Landkreis, der Träger der Schule ist und der Stadt Höchstädt, deren Ehrenbürger Winter auch ist. Bereits im Januar habe man deshalb das Gedenken zum 130. Geburtstag Paul Winters ausgesetzt.
Keine Vorbildrolle mehr
Für Historikerin Barbara Zeitelhack ist klar: Winter hat seine Rolle als Vorbild gerade für Schüler verloren: "Er hat auf jeden Fall seine berufliche Position und seine Netzwerke in die NS-Kultur-Szene genutzt, um seine Karriere maßgeblich zu befördern. Und ob er das jetzt aus innerer Überzeugung gemacht hat oder aus Karrieresucht ist eine unwesentliche Frage, finde ich." Ob die Schule den Namen behält, darüber wird der Kreistag im Juni diskutieren. Eine Lösung für den Umgang mit der Straße und dem Gedenken soll noch in diesem Jahr gefunden werden.
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