Vor Gericht erscheint der Angeklagte in einem blauen Kittel und einer blauen Hose – der Kleidung also, die er auch in der Untersuchungshaft trägt. Das ist ungewöhnlich. Normalerweise lassen sich Gefangene von ihren Angehörigen einen Anzug oder andere Kleidung bringen. Doch der 75-Jährige hat offenbar niemanden, der ihm etwas bringen könnte. Bis zu seiner Verhaftung lebte er allein, hatte keine sozialen Kontakte. Allein mit seinen Waffen, die er hegte und pflegte. Ein politisches Motiv für seine Leidenschaft hatte er wohl nicht.
Waffen waren sein Lebensinhalt
Sturmgewehre, Pistolen und mehrere tausend Schuss Munition hortete der Angeklagte in seiner Wohnung in Nürnberg – nicht um sie zu benutzen, wie er über seinen Anwalt erklärte. Vielmehr war die Beschäftigung mit seinen Waffen sein Lebensinhalt. Trotzdem liegt aus Sicht des Landgerichts Nürnberg-Fürth ein besonders schwerer Verstoß gegen das Waffengesetz vor.
Die Kammer verurteilte ihn deshalb heute zu vier Jahren Freiheitsstrafe, auch wenn der Angeklagte im Prozess versicherte, dass er mit seinen Waffen nie geschossen habe. "Was aber wäre gewesen, wenn mal jemand bei Ihnen eingebrochen wäre?", fragte die Vorsitzende Richterin Dr. Barbara Reim. Auch könne man nicht ausschließen, dass bei ihm ein Sinneswandel einsetzt und er doch zur Waffe greife.
Waffen hätten in falsche Hände gelangen können
Zwar waren nicht alle Waffen des 75-Jährigen einsatzbereit. Aber sie hätten leicht umgebaut werden können, damit man mit ihnen schießen kann. Das hat auch ein Sachverständiger im Prozess bestätigt. Auch wenn der Angeklagte selbst die Waffen nicht benutzt habe, habe er nicht ausschließen können, dass sie in falsche Hände fallen, erläuterte Reim in ihrer Urteilsbegründung. Dass er die Waffen so lange besessen habe, habe deren Gefährlichkeit erhöht.
Zu Beginn des Prozesses hatte der 75-Jährige über seinen Anwalt ein Geständnis abgelegt. Viele der Waffen und zudem auch Nazi-Devotionalien aus dem Zweiten Weltkrieg habe er in der Vergangenheit auf Messen oder über diverse Magazine erstanden, ließ der Angeklagte erklären. Ihm sei bewusst, dass dies verboten sei.
Angeklagter hat "hirnorganisches Psychosyndrom"
Auch wenn manche Frage unbeantwortet blieb - etwa die, wo er seine vier AK-47 gekauft hat - sein Geständnis wertet das Gericht zu seinen Gunsten. Auch, dass er mit der Einziehung der Waffen einverstanden gewesen sei, spreche für ihn.
Zudem habe der Angeklagte durch eine Schädelverletzung ein sogenanntes "hirnorganisches Psychosyndrom" erlitten. Eine Folge sei gewesen, dass seine Waffen zu seinem einzigen Lebensinhalt wurden. Das hatte ein psychiatrischer Gutachter vor Gericht ausgesagt. Ein hirnorganisches Psychosyndrom kann dazu führen, dass ein Mensch seine Persönlichkeit verändert. Er habe in einer Blase gelebt, meint sein Anwalt.
Urteil ist rechtskräftig
Der Staatsanwalt hatte fünf Jahre Freiheitsstrafe gefordert, der Verteidiger sah drei Jahre und sechs Monate als angemessen an. Mit dem Urteil von vier Jahren Haft ist der Rentner einverstanden. Nach der Urteilsbegründung tauschte er sich kurz mit seinem Anwalt aus und ließ anschließend erklären, dass er keine Rechtsmittel einlegen wird. Das heißt, das Urteil ist rechtskräftig.
Anmerkung: Korrigiert wurde der Flüchtigkeitsfehler im letzten Absatz "fünf Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung" zu "fünf Jahre Freiheitsstrafe".
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!