Es ist das Jahr 1974, vier Notärzte in Nürnberg sind ab sofort mit einem eigenen Notarztwagen unterwegs und können so einen 24 Stunden Dienst gewährleisten. Das sogenannte "Rendezvous-System" wird dadurch etabliert. Denn die Notärzte sind ab sofort mit ihrem Auto unabhängig von dem Rettungswagen unterwegs und können so mehr Einsätze fahren.
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Schon in Heidelberg wurde dieses System einige Jahre zuvor ausprobiert, der Nürnberger Notarztdienst hat es aber deutschlandweit bekannt gemacht. Heute hat sich das System in ganz Deutschland etabliert. Auch sonst hat der Nürnberger Notarztdienst einige Standards in der Notfallversorgung gesetzt.
Bewährtes "Rendezvous" von Notarzt und Sanitäter
Notarzt Tobias Hübner ist mit seinem Fahrer auf dem Weg zu einem Einsatz. Vom Standort in der Sulzbacher Straße ist er in der Regel in acht Minuten am Einsatzort. Der Patient in der Nähe des Dutzendteichs hat einen Herzinfarkt erlitten, der Rettungswagen mit dem Team hat den Patienten erstversorgt. Jetzt kommt Tobias Hübner und kümmert sich weiter um ihn. Er schaut, ob der Mann ins Krankenhaus überführt werden muss oder nicht.
Flexiblere Notärzte können mehr Menschenleben retten
Das "Rendezvous-System" verbessere die Arbeit enorm, sagt Hübner. Von "Rendezvous" spricht man, weil sich Rettungswagen und Notarzt erst am Einsatzort treffen. Dieses System bringt mehr Flexibilität und Sicherheit, denn oft sei es glücklicherweise so, dass der Notarzt nach kurzer Zeit wieder abrücken kann und dann für den nächsten Einsatz bereitsteht. Früher seien die Ärzte entweder mit dem Rettungswagen mitgefahren oder sogar von zu Hause abgeholt worden, so konnten die Notärzte weniger Patienten retten, da sie weniger flexibel waren.
"Nürnberger Modell" macht Schule
Heinz Giering, Notarzt im Ruhestand, erinnert sich noch gut daran, wie die ersten Einsätze mit dem neuen System gefahren wurden. Ein 24 Stunden-Einsatzplan, deutschlandweit damals einzigartig, für Nürnberg sei das ab 1974 ein großer Fortschritt gewesen. Man sprach nun auch vom "Nürnberger Modell", das sich nach und nach deutschlandweit etablierte. Ab 1988 war Giering selbst als Notarzt im Einsatz und hatte bereits das "Rendezvous-System" genutzt. "Es war für mich immer das beste System, dass es gibt", sagt er. Früher habe es keine Ärzte gegeben, die zu den Patienten kamen. Stattdessen wurden sie mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gefahren, deutlich umständlicher.
Originaler Nachbau des ersten Notarztwagens
Der erste Notarztwagen war ein BMW, auch wenn sich die Notärzte einen Volvo gewünscht hatten. Doch der Hersteller aus München zeigte sich offener als die Schweden und stellte den ersten 5er-BMW zu Verfügung. Einen Originalnachbau gibt es im Rotkreuz-Museum in Nürnberg zu bestaunen, wie auch viele weitere Exponate. Um den Nachbau hat sich maßgeblich Markus Jessberger gekümmert, er ist ehrenamtlicher Mitarbeiter im Museum.
In aufwändiger Arbeit ließ er das alte Auto zum Notarztwagen umrüsten samt Blaulicht, Martinshorn und Funkanlage. Ein wahres Schmuckstück. Jessberger hat eine besondere Beziehung zu dem Auto und dem Notarztdienst. Sein Vater filmte damals die Notärzte, um das "Rendezvous-System", beziehungsweise das "Nürnberger Modell", bekannter zu machen. So hat Jessberger letztendlich Lunte geleckt, wie er sagt und ist selbst Rettungssanitäter geworden.
Weitere Errungenschaften wie Notfallkoffer
Die Nürnberger Notärzte leisten heute – genau wie damals – noch Pionierarbeit. So wurde zum Beispiel in den 1980er-Jahren auch ein Koffer entwickelt, in dem verschiedene Medikamente und Instrumente transportiert werden konnten. Dieser Koffer brachte die Standardisierung in der Notfallmedizin weiter voran, sagt Jessberger. Denn bis dahin hatte jeder Notarzt seinen eigenen Koffer.
Heute sind die Notarztwagen in Nürnberg, vier Stück an der Zahl, bestens ausgerüstet. Eine fahrende Intensivstation, sagt Tobias Hübner, der auch Chefarzt der Notaufnahme des Klinikums in Ansbach ist. Auf allen vier Notfallwagen habe man Ultraschallgeräte etablieren können, das sei noch nicht Standard in Bayern. Auch Blutgasanalysegeräte gibt es unter anderem.
Gemeinsam an Verbesserungen für die Patienten arbeiten
Etwa 110 Notärztinnen und -ärzte gibt es in Nürnberg, 80 sind im "Notarztverein Nürnberg" organisiert, den es seit 1991 gibt. Tobias Hübner ist der Präsident des Vereins. Durch den Verein könne man geschlossen auftreten und neue Ideen, zur Sicherheit der Patienten, besser umsetzen.
Zum Jubiläum des Notarztdienstes hat sich der Verein etwas überlegt, neben Stickern auf den Einsatzjacken gibt es auch ein Jubiläumsbier für die Mitarbeitenden.
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