Im Prozess um tödliche Schüsse 2022 in der Nürnberger Südstadt ist ein Zeuge nach BR-Recherchen kurz nach der Aussage direkt vor dem Gerichtsaal festgenommen worden. Der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth zufolge besteht "Verdacht auf eine uneidliche Falschaussage". Warum genau, das bleibt unklar. Die Staatsanwaltschaft teilt lediglich mit, dass die Ermittlungen andauerten. Nach der Festnahme vergangene Woche sei kein Haftbefehl ergangen. Laut BR-Informationen handelt es sich bei dem Zeugen um einen türkischen Staatsbürger, der in der Türkei offenbar als Oberstaatsanwalt tätig gewesen sein soll.
Ermittlungen wegen Verdacht auf Urkundenfälschung
Der Zeuge ist den Behörden schon mehrfach aufgefallen. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hatte gegen den Mann auch wegen des Verdachts der Strafvereitelung ermittelt. Das Verfahren wurde aber eingestellt, weil den Ermittlern zufolge "gegen den Beschuldigten bei einer anderen Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen eines schwerwiegenderen Delikts geführt wird". Die zuständige Staatsanwaltschaft Düsseldorf möchte sich auf Anfrage aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht zu den Ermittlungen äußern.
Wie einer der leitenden Ermittlungsbeamten nach BR-Informationen am vergangenen Montag vor Gericht ausgesagt hat, wird gegen den Zeugen zudem wegen des Verdachts der Urkundenfälschung zum Zwecke der Erschleichung von Aufenthaltstiteln ermittelt.
Angeblich Zugang zu Datenbank der türkischen Justiz
Im Prozess vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth erzählte der Zeuge BR-Recherchen zufolge, dass er den Angeklagten Mert A. schon seit etwa anderthalb Jahren kenne und mit ihm auch nach dem mutmaßlichen Tötungsdelikt in Kontakt gestanden habe. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der 29-jährige Angeklagte auf der Flucht. Im Januar 2023 wurde er schließlich im italienischen Rimini festgenommen. Der Zeuge berichtete dem Gericht, er sei in der Türkei als Rechtsanwalt zugelassen und habe Zugang zum UYAP-System – dem Informationssystem der türkischen Justiz.
Laut dem Asylmagazin, einer Zeitschrift für Flüchtlings- und Migrationsrecht, haben auf dieses System türkische Gerichte, Staatsanwaltschaften, Gefängnisse, Polizeien und auch Rechtsanwälte Zugriff. Über UYAP lassen sich Informationen zu Gerichtsverfahren und unter bestimmten Umständen auch Dokumente aus diesen Verfahren abrufen.
Der Zeuge und die Gülen-Bewegung
Nach BR-Recherchen behauptete der Zeuge in Gesprächen mit in Deutschland lebenden Türken, er sei in der Lage, UYAP-Einträge zu fälschen. Es besteht der Verdacht, dass er auf diese Weise dafür sorgen wollte, dass türkische Staatsbürger in Deutschland als Asylbewerber anerkannt werden. Bei Gesprächen ließ der Zeuge offenbar durchblicken, dass es eine Option gibt, mit Hilfe von UYAP Personen als Anhänger der von der türkischen Regierung verfolgten Gülen-Bewegung zu registrieren. Auch gegenüber dem Angeklagten soll der Zeuge derartige Möglichkeiten thematisiert haben.
Ermittler fanden bei Durchsuchung offenbar 98.000 Euro
Vor dem Nürnberger Gericht sprach der Zeuge auch über eine Durchsuchung seiner Wohnung, wo Ermittler rund 98.000 Euro beschlagnahmt hätten. Der Zeuge behauptete, das Geld stamme von einem Freund. Außerdem stritt er ab, Menschen durch die Herstellung gefälschter Dokumente zu einem positiven Asylbescheid zu verhelfen. Auf eine Anfrage von BR24 reagierte er bislang nicht.
Prozess läuft seit Dezember
Seit Dezember vergangenen Jahres läuft der Prozess gegen den Bekannten des Zeugen vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth, dem 29-jährigen Türken Mert A.. Dieser war Gerichtsangaben zufolge über die Ukraine nach Deutschland geflohen. Angeklagt ist Mert A. wegen Mordes und versuchten Mordes. Er soll im Oktober 2022 auf einer belebten Straße in Nürnbergs Südstadt auf zwei Freunde geschossen haben. Der eine Mann starb, der andere überlebte schwer verletzt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es vor der Tat einen Streit zwischen dem Angeklagten und den beiden Opfern gegeben hatte.
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