Die Münchner Kreisbäuerin Sonja Dirl auf ihrem Feld. Sie hat sich über die Agrarstudie der Katholischen Kirche geärgert.
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Die Münchner Kreisbäuerin Sonja Dirl auf ihrem Feld. Sie hat sich über die Agrarstudie der Katholischen Kirche geärgert.

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Nur Ökolandbau im Weinberg des Herrn? – Kirche verärgert Bauern

Nur Ökolandbau im Weinberg des Herrn? – Kirche verärgert Bauern

Eine Studie der Deutschen Bischofskonferenz zu Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität verärgert viele Bauern. Zu Erntedank haben deshalb Bäuerinnen mancherorts entschieden, nicht mehr mitzumachen bei der Gestaltung der Altäre.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Auf dem Hof von Sonja Dirl in Heimstetten gibt es dieser Tage Kürbisse in allen möglichen Größen, Farben und Formen. Die hätten auch gut zum Erntedankaltar im Münchner Dom gepasst, gibt die Kreisbäuerin für Stadt und Landkreis München zu. Wegen ihres Ärgers über Formulierungen in der Agrarstudie der Bischofskonferenz haben die Münchner Landfrauen sich dieses Jahr bei der Dekoration verweigert.

Sie sei "ein bisserl entsetzt gewesen, dass so etwas von der katholischen Kirche kommt." Erntedank sei für sie persönlich sehr wichtig, Gott zu danken für die Ernte, schließlich sei die Arbeit abhängig vom Wetter. Landwirte fühlen sich oft an den Pranger gestellt, von Natur- und Tierschützern beispielsweise. Dirl erzählt, dass ihr schon der Stinkefinger gezeigt wurde, als sie Pflanzenschutzmittel auf dem Acker ausgebracht hat.

Verhältnismäßig starkes kirchliches Engagement der Landbevölkerung

Gerade in ländlichen Gegenden engagieren sich viele Landwirtsfamilien in der Kirche, sind im Kirchengemeinderat, helfen mit bei der Fronleichnamsprozession oder eben bei der Gestaltung von Erntedankaltären. Etwa 5.000 Familien sind in der Katholischen Landvolkbewegung (KLB) organisiert, sagt der Vorsitzende Andreas Felsl. Aus dem Raum Augsburg habe er viele Zuschriften bekommen, dabei stehe in der Studie "eigentlich nichts Neues."

Er versteht den Ärger vieler Bauern nicht. Die Studie sei schließlich eine Situationsanalyse der Landwirtschaft und ihrer Probleme weltweit. Die Autoren der Studie fordern ein Umdenken in der Landwirtschaft in Richtung Ökologie und Gemeinwohlorientierung. Das ärgert viele Bauern, die sich beim Bauernverband gemeldet haben. Es mehren sich Sorgen, dass sich eine Kluft auftut zwischen Kirche und Landwirtschaft.

Harsche Kritik von Landesbäuerin Christine Singer

Bauern fühlen sich und ihre Arbeit missverstanden. Wenn Höfe über Generationen betrieben werden, dann sei das nachhaltig. Darauf verweist Landwirtin Dirl. Landwirtschaft müsse gemeinwohlorientiert sein, heißt es in der Studie. Dieser Aspekt ist es, der die Landwirte vor allem ärgert und zum Teil auch verunsichert, so Landesbäuerin Christine Singer vom Bayerischen Bauernverband zu BR24.

"Die Studie stellt die Eigentumsrechte landwirtschaftlicher Flächen infrage, kritisiert Bäuerinnen und Bauern dafür, ihre Bewirtschaftung an rein ökonomischen Kriterien auszurichten und plädiert für stärkere staatliche Eingriffe und eine andere Einkommensumverteilung. Wir halten diese Kritik nicht für gerechtfertigt und auch für nicht nachvollziehbar." Gleichwohl bietet Christine Singer, die auch als Abgeordnete der Freien Wähler im Europaparlament sitzt, der Kirche ihre Dialogbereitschaft an.

Professor Johannes Wallacher von der Hochschule für Philosophie in München verantwortet die Studie. Er sagte BR24, bei der Gemeinwohlorientierung gehe es nicht um Enteignungen. Er erinnerte an den Grundsatz "Eigentum verpflichtet" aus dem Grundgesetz.

Bodenerosion weltweit ein Thema – auch in Bayern

In der Studie heißt es beispielsweise weiter: "Die Bodenerosion auf landwirtschaftlichen Feldern ist derzeit 10- bis 100- mal höher als die Bodenneubildungsrate." Sonja Dirl zeigt BR24 ihr Feld, wo vor dem Maisacker viele Beikräuter wachsen. Sie lasse das Stroh liegen und tue viel für die Humusbildung. Deswegen hält sie pauschale Kritik für ungerecht.

Professor Wallacher fühlt sich auch hier missverstanden. Ziel der Studie sei es, die Landwirtschaft zu stärken. Er sagt BR24: "Eine der Maßgaben ist, dass wir die gesellschaftliche Anerkennung der Landwirtschaft steigern wollen und dass wir ihnen auch die Möglichkeit geben wollen, die finanziellen Rahmenbedingungen zu bekommen, damit sie die das leisten könnten."

Änderung der Agrarsubventionen gefordert

In der Expertenkommission sei man sich einig gewesen: "Die gegenwärtigen Strukturen erschweren das eher, als, dass sie es erleichtern." Das bedeutet: Bauern sollten besser für Ihre Leistungen bezahlt werden, das Fördersystem müsse der EU sich ändern – weg von Flächenprämien zu Ausgleichszahlungen für Umweltleistungen.

Agrarstudie als Diskussionsgrundlage

Die Studie hat für Ärger gesorgt. Dass viele kirchlich engagierte Landwirte sich aus der Kirche zurückziehen werden, glauben weder Experten noch die Bauern. Beide Seiten wollen die strittigen Punkte miteinander diskutieren. Auch Sonja Dirl, die Bäuerin aus Heimstetten, hat mit dem Dompfarrer gesprochen. Sie will im nächsten Jahr wieder den Erntedankaltar im Münchner Dom schmücken helfen.

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