"Es klingt ein bisschen paradox", gibt Bürgermeister Norbert Stumpf (CSU) im Gespräch mit BR24 zu, "aber wir haben eine drastische Wohnungsnot einerseits und eine deutliche Überalterung unserer Kommune andererseits." Den Umstand erklärt der Rathauschef damit, dass viele Einfamilienhäuser das Gemeindebild prägten.
Das sei erst vor 75 Jahren, als die sogenannte Geigenbauersiedlung entstand, etwas anders geworden. Plötzlich brauchte Bubenreuth für die Vertriebenen schnell viel Wohnraum, Mehrfamilienhäuser wurden gebaut. Jetzt, so schildert Stumpf weiter, sind die Eigenheimbesitzer teils recht betagt, junge Familien können sich die aktuellen Immobilienpreise nicht leisten. Bis zu 15 Euro pro Quadratmeter Miete würden hier fällig, so Stumpf. Solche Preise fielen etwa in München vielleicht noch unter die Rubrik "günstig", das gäben die Durchschnittsgehälter hier aber nicht her, erläutert der 48-Jährige weiter.
Die Situation weiterhin verschärft hat nach Ansicht des Bürgermeisters von Bubenreuth, dass das örtliche Altenheim vor einigen Jahren quasi in einer Nacht- und Nebelaktion dicht gemacht habe. Für die Senioren, die nicht wegziehen, aber doch eine qualifizierte Pflege haben wollen, bleibe kein Ausweg.
"Wir haben viele Senioren, die teilweise allein oder in Pärchen noch in ihren Reihenhäusern wohnen, teilweise steht das Pflegebett im Erdgeschoss, weil sie den ersten Stock schon gar nicht mehr erreichen. Und hier wollen wir dagegenwirken, dass der Wohnraum in den Einfamilienhäusern, Reihenhäusern frei wird für junge Familien." Norbert Stumpf, CSU, Bürgermeister Bubenreuth
Wachsen ohne Proteste
Wie dieses Dilemma gelöst werden könnte, darüber brütet Norbert Stumpf bereits seit einem Jahrzehnt. Unterstützung bekommt er dabei von der Stadtplanerin Sandra Thelen. Beide haben den zweigeteilten Ort genau unter die Lupe genommen und viele Brachen, Leerstände und Sanierungsfälle entdeckt. Aktuell leben mehr als 4.600 Einwohner in der Gemeinde vor den Toren Erlangens und gut 1.000 Neu-Bubenreuther sollen hinzukommen. Ein Gebiet von elf Hektar, das auf viele Eigentümer verteilt ist, trennt die beiden Ortsteile.
Eine Lärmschutzwand hin zur Autobahn steht schon lange, die Fläche fällt leicht nach unten hin ab. Auf etwas mehr als der Hälfte der Fläche sollen nun ein Altenheim, 400 Wohnungen, ein kleiner Supermarkt sowie ein Restaurant entstehen. "Das nötige Pflegepersonal braucht Wohnungen, die bezahlbar sind", rechnet der Bürgermeister vor. "Ein Teil der Wohnungen wird öffentlich gefördert sein, der Rest auf jeden Fall für verschiedene Einkommensstufen bezahlbar bleiben", ergänzt Stadtplanerin Thelen.
Damit diese fünf- bis sechsstöckigen Mehrfamilienhäuser überhaupt gebaut werden könnten, hätten sie beschlossen, die Bürger von Anfang an zu beteiligen, so Stumpf. Die Wünsche und Bedürfnisse seien aus der Bubenreuther Bevölkerung gekommen, schildert Stumpf das Prozedere. "Viele Gespräche und Workshops mit Flächeneigentümern, Hausbesitzern, Anwohnern und Wohnungssuchenden hätten herausgearbeitet: "Wachsen ja, innerhalb unserer Möglichkeiten, aber ohne großflächige Versiegelung der Böden und klimafreundlich", das, so Norbert Stumpf, sei Ansporn und Herausforderung zugleich gewesen.
Sanieren statt neu Bauen
Diese beiden Maximen stehen ganz oben auf der Agenda der "Flächenbewussten Kommune" Bubenreuth. Ein Beispiel: Der alter Dreiseithof mitten im Ortskern war einst ein Fall für die Abrissbirne. Hier entsteht nun das Kulturzentrum "H7" mit Museum, Bibliothek, und Veranstaltungsraum. Siebeneinhalb Millionen Euro kostet allein dieses Projekt. Zwei Millionen Euro muss die Gemeinde stemmen, der Rest kommt aus Fördertöpfen, etwa des Freistaats.
"Abreißen", rechnet Rathauschef Stumpf vor, "wäre sicher günstiger gewesen, aber dann hätten wir ein altes Ortsbild zerstört". Auf dem Gelände hätte zwar Neues aufgebaut aber keine Fläche gespart werden können, erläutert Stumpf. Sie hätten der Allgemeinheit aber mehr Fläche zur Verfügung stellen wollen. Zur Verdeutlichung, was damit gemeint ist, zeigt Stumpf auf der aktuellen Baustelle des "H7" auf den alten Garten, der zuletzt Abstellplatz für Landmaschinen war. Die Fläche soll reaktiviert werden, damit an dieser Stelle ein Außen-Café entstehen kann.
Auf der alten Scheune wurde ein vollständiges Geschoss aufgestockt, der Querbau innen komplett aus Holz erbaut. Das denkmalgeschützte Wohnhaus ist in den letzten Zügen der Sanierungsarbeiten. "Es wird ein Kleinod und die Bubenreuther fragen schon beinah täglich, wann sie denn die Bücherei und die Veranstaltungsräume nutzen können", freut sich Stadtplanerin Sandra Thelen über den Zuspruch.
Wohnungsbau mit Schwammdächern
Mehrfamilienhäuser, Stellplätze und Infrastruktur bauen, das klingt nicht eben nach "Flächenbewusster Kommune" und schon gar nicht nach Flächensparen. Dieser Einwand, entgegnet Rathauschef Stumpf, sei zunächst berechtigt. "Wir nehmen der Natur Fläche weg, bebauen sie, aber geben auf den Dächern der Fläche wieder Naturfläche zurück", so Stumpf.
Er meint damit die ohnehin schon im Ortsbild häufig zu sehenden begrünten Garagen und Hausdächer. Sie speicherten einerseits Wasser, dienten so als natürliche Klimaanlage, schildert der Bürgermeister, andererseits werde etwa bei Starkregen die Dachfläche als Pufferspeicher genutzt, das überschüssige Wasser werde erst nach und nach in die Regnitz abgegeben.
Bürger sind Vorreiter
Mit aufgelegten Förderprogrammen etwa zum Begrünen der Dächer, neuen Fassadendämmungen und Zuschüssen für neue Fenster hat Bubenreuth seine Bürger gelockt. Die haben beim klimafreundlichen und flächenbewussten Bauen eine Art Vorreiterrolle eingenommen, schildert Stadtplanerin Thelen die positiven Effekte. Die Immobilien seien im Wert gestiegen, zukunftssicherer und böten mehr Wohnqualität, so Thelen. Letztlich hätten die Bubenreuther selbst zur Auszeichnung durch die Regierung von Mittelfranken mit dem Gütesiegel "Flächenbewusste Kommune" beigetragen, so Thelen weiter. "Sie haben im Kleineren begonnen, was wir als Kommune im Großen vorhaben."
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