"Meine Eltern wissen es noch nicht", sagt Stefanie Schuhknecht, Landtagsabgeordnete von den Grünen. Sie muss lachen. Dann setzt die Tätowiererin die Nadel an und sticht los.
Schuhknecht hat sich dem Aufruf ihres Kollegen Thomas Zöller (Freie Wähler) angeschlossen. Abgeordnete von der CSU, den Freien Wählern und der Grünen kommen nacheinander in das Tattoostudio, um gleich für immer eine Botschaft lebenslang auf ihrer Haut zu tragen.
Das Motiv: Ein Kreis. Drüber folgen gleich noch zwei Halbkreise. "Wenn man genau hinschaut, erkennt man ein O und ein D und das bedeutet 'organ donor'", sagt Angela Ipach vom Verein "Junge Helden", der hinter dieser Aktion steht.
Warten auf Organspende: Drei Menschen sterben dadurch täglich
Auch wenn laut Umfragen 80 Prozent eine Organspende positiv sehen – die Spenderinnen und Spender fehlen weiterhin. "Die Zahlen in Bayern sind sehr besorgniserregend", erklärt der Freie-Wähler-Abgeordnete Thomas Zöller. "Wir haben 1.200 Menschen, die dringend auf ein Organ warten." Und das hat Folgen. Täglich sterben offiziell drei Menschen in Deutschland, weil sie vergeblich auf ein Spenderorgan warten, das berechnet die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO).
Aber warum, wenn doch die Zustimmung vermeintlich so hoch ist? Die Ärztin Jutta Weiss hat mit dieser Frage täglich zu tun. Sie ist die Leiterin der Münchener Stelle der DSO. Dort rufen die bayerischen Krankenhäuser an, wenn ein neues potenzielles Spenderorgan bei ihnen im Haus in Aussicht ist. Die DSO übernimmt dann die Koordination der Organtransplantation.
"Das Problem ist", sagt Weiss, "die Krankenhäuser wissen häufig nicht, ob sie den Menschen nach einem Hirntod die Organe entnehmen dürfen." Angehörige könnten gar nicht sicher sagen, ob der oder die Verstorbene spenden will – und würden sich dann dagegen entscheiden.
Widerspruchslösung: Bringt sie mehr Spender?
Eine weitere Option, um sicher zu gehen, wäre der Organspendeausweis, den allerdings bislang nur 40 Prozent der Deutschen haben. Deshalb hofft die Ärztin auf die Widerspruchslösung – also, dass man so lange als Spenderin oder Spender gilt, bis man selbst widerspricht oder auch Angehörige das aktiv tun.
Die Ärztin Jutta Weiss sagt dazu: "An oberster Stelle ist, dass bei der Widerspruchslösung ein 'Ja' genauso möglich ist wie ein "Nein". Also die Freiwilligkeit der Spende ist absolut gegeben. Die Menschen hätten eine Motivation, sich wirklich mit dem Thema zu beschäftigen."
Doch diese Widerspruchslösung ist vor vier Jahren im Bundestag gescheitert – wobei es in allen Parteien Abgeordnete gab, die dafür oder dagegen waren. Auf Anfrage des BR wiederholten die Parteien auch heute noch einmal, dass sie ihren Abgeordneten überlassen, wie sie entscheiden. Nur die AfD schrieb explizit: "Die körperliche Unversehrtheit ist zu wichtig, als dass der Staat alle Bürger zu Spendern erklären darf und diese dem Eingriff dann aktiv widersprechen müssen."
Neuer Anlauf zur Widerspruchslösung
Druck kommt allerdings aus den Bundesländern. Der Bundesrat, das Länderparlament, stimmte diesen Sommer mit einer Mehrheit dafür, dass der Bundestag sich demnächst noch einmal mit der Widerspruchslösung auseinandersetzen soll. Doch wegen der möglichen vorgezogenen Bundestagswahlen ist unklar, wann das Thema Organspende wirklich wieder im Bundestag diskutiert wird.
"Warum sich die Parlamentarier in Berlin da so schwertun, weiß ich auch nicht", sagt Thomas Zöller von den Freien Wählern im Münchener Tattoostudio. Er hat sich das Symbol auf den Arm tätowieren lassen, wo es auch beim T-Shirt-Tragen sichtbar ist. "Es sollte einfach jeder mal in sich gehen und sagen: Was kann mit meinem Körper noch passieren, wenn ich an einem Unfall versterbe, wenn ich hirntod bin? Ist es nicht sinnvoll, dass vielleicht noch drei, vier Personen weiterleben können? Also ich habe das für mich so entschieden, akzeptiere aber auch andere Meinungen."
Im Video: Organspende-Aufruf – Landtagsabgeordnete lassen sich tätowieren
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