Von der Pforte der Klinik Kitzinger Land reicht eine Menschenkette bis zum Parkplatz. Hier wird nicht demonstriert, die Leute stehen zum Testen an. Ohne negativen Test dürfen sie den Innenbereich der Klinik nicht betreten. Gegenüber dem BR äußern Menschen in der Schlange die Sorge, dass sie bald mit ihrem Leiden weggeschickt werden könnten – sollte sich der Personalmangel in den Kliniken weiter verschärfen.
Chefarzt Dr. Volker Fackeldey kann die Leute in der Schlange beruhigen. Patientinnen und Patienten, die akut eine sofortige Behandlung brauchen, werden diese auch bekommen. Dafür habe die Klinik derzeit rund 40 Prozent der Betten gesperrt. Aber das zeigt nur, wie angespannt die Lage der Krankenhäuser derzeit ist. Von den etwas über 60 Ärztinnen und Ärzten der Kitzinger Klinik fallen derzeit etwa zehn Prozent aus. "Mehr darf es dann auch nicht werden, weil dann wird es schwierig", sagt der Mediziner.
Klinikabteilungen zu Gunsten von Notfallversorgung reduzieren
Derzeit fahre die Klinik mit etwa 60 Prozent Kapazität. Das bedeutet in diesem konkreten Fall: Das restliche Personal kann nur rund 115 Menschen in der Klinik betreuen. Vor der Pandemie waren es im Schnitt rund 200. Wenn noch mehr Personal ausfalle, müsse man weiter reduzieren, damit die Notfallversorgung aufrechterhalten werden könne, erklärt Dr. Fackeldey. Das habe höchste Priorität.
Auf Anfrage schätzt das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege die Lage als "sehr herausfordernd" ein. Denn zu Ausfällen kommt es neben den bettenführenden Stationen zunehmend auch auf Notaufnahmen. Auch weitere wichtige Bereiche einer jeden Klinik wie die Röntgenabteilung oder das Labor sind betroffen. Punktuell komme es zu Abmeldungen von Kliniken von der Notfallversorgung.
Holetschek: "Personalausfälle weiter zunehmend"
Der Bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte BR24, "im Moment sind die Personalausfälle immer weiter zunehmend" und bestätigte damit eine aktuelle Studie der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), die von "fast flächendeckenden Personalausfällen" im Gesundheitswesen in Deutschland spricht.
Pflegedienst am stärksten betroffen
Demnach betreiben aktuell drei Viertel der Kliniken ihre Betten auf den Allgemeinstationen nicht vollumfänglich. Im Vergleich zum Januar 2022 entspreche dies einer Zunahme von 24 Prozent. Am stärksten von Personalausfall betroffen sei der Pflegedienst, so das Ergebnis der Blitzumfrage.
Tamara Bischof: Zahl der Corona-positiven Patienten auf "Rekordniveau"
Gleichzeitig ist in Bayerns Kliniken die Zahl der Corona-positiven Patientinnen und Patienten auf 5.100 gestiegen. Das sei ein "bislang noch nie dagewesenes Rekordniveau", sagte Tamara Bischof, Kitzinger Landrätin und Vorsitzende der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG).
Dr. Fackeldey sagte dem BR, dass in Kitzingen vor allem die Zahl der Corona-Patienten auf Normalstation seit Februar stark angestiegen sei. "Immer nur zu sagen das Gesundheitssystem ist entlastet, weil die Intensivkapazitäten frei sind, ist dumm. Das ist falsch. Und das entspricht nicht der gegenwärtigen Situation", so der Mediziner.
Leopoldina-Krankenhaus setzt auf flexiblen Pool an Mitarbeitenden
Derzeit müsse jeden Morgen mit Blick auf das Personal reagiert werden: Wo sind Personalausfälle? Wie können diese schnellstmöglich kompensiert werden? Fragen, die sich auch die Leitung des Leopoldina-Krankenhauses der Stadt Schweinfurt täglich stellt. "Im schlimmsten Fall kann es passieren, dass wir bestimmte Angebote nicht leisten können", sagt der ärztliche Direktor in Schweinfurt, Dr. Hans-Ullrich Völker: "Wenn Ärzte – wie wir es jetzt gerade in einer Abteilung erleben – in großer Zahl in Quarantäne oder in Isolation sind, können wir das Elektivprogramm nicht mehr anbieten, sondern nur noch die Notfallmedizin in diesem Bereich."
Dann werden planbare Operationen ausgesetzt. Damit es nicht so weit kommt, hat das Leopoldina einen flexiblen Pool aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschaffen, die stationsübergreifend bei Ausfällen einspringen - dennoch ist das Angebot derzeit eingeschränkt. Denn von den insgesamt rund 2.300 Mitarbeitern sind aktuell etwa 170 infiziert oder in Quarantäne. Im Hinblick auf anstehende Lockerungen hofft die Krankenhausleitung, dass die Klinik an Maßnahmen wie der Maskenpflicht und Einschränkungen bei Patientenbesuchen festhalten darf.
Erneutes Besuchsverbot im Schweinfurter Leopoldina-Krankenhaus
So gilt ab dem heutigen Mittwoch wieder ein Besuchsverbot im Schweinfurter Leopoldina Krankenhaus. In Ausnahmefällen können beispielsweise Angehörige in der Sterbephase Patientinnen und Patienten nach vorheriger Rücksprache mit der jeweiligen Station besuchen. Für alle Ausnahmen gelte die 2G-Plus-Regelung und das permanente Tragen einer zertifizierten FFP2-Maske. Es gibt auch Sonderregeln für die Kinderklinik, die Mutter-Kind-Station, den Kreißsaal und für die Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Kritik am neuen Infektionsschutzgesetz
Insgesamt stoßen die von der Bundesregierung beschlossenen Lockerungen in den Kliniken teils auf scharfe Kritik, nicht nur aufgrund der neuen "Hotspot-Regelung". Das neue Infektionsschutzgesetz, sagt Dr. Fackeldey in Kitzingen, könne an der Basis niemand nachvollziehen. Hauptleidtragende könnten erneut Patientinnen und Patienten sein, die eine elektive Behandlung benötigen.
Das System stünde zwar noch nicht vor dem Kollaps, aber "viel fehlt in einzelnen Regionen nicht mehr", sagt Dr. Fackeldey: "Man muss aufpassen, dass man jetzt nicht alles lockert, die Fallzahlen nochmal nach oben gehen und wir weitere Personalausfälle haben." Er sei nicht grundsätzlich gegen Lockerungen, aber zunächst müsse dringend beim Personal aufgestockt werden.
- Zum Artikel Bayern drängt auf Verlängerung der Corona-Beschränkungen
Keine Entspannung der Lage in Sicht
Auch die Prognosen des Bayerischen Gesundheitsministeriums fallen düster aus. Angesichts des nach wie vor vergleichsweise hohen Niveaus der Bettenbelegung insgesamt (COVID-19 und Nicht-COVID-Patienten), der Zunahme der COVID-19-Patienten auf den Normalstationen und infolge der hohen Inzidenzen sei auch in den nächsten Wochen mit keiner Erleichterung der Situation in den Krankenhäusern zu rechnen, hieß es.
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